Manifestation der "Damen in Weiß" vor der zentralen Gefängnisverwaltung von Havanna. Sie sind die Angehörigen jener 75 politischen Häftlinge, die vor sieben Jahren in einer Welle der Repression verhaftet und von Schnellgerichten zu drakonischen Gefängnisstrafen verurteilt wurde. "Solange wir uns aufrecht halten können" - so eine der Frauen - "werden wir jeden Sonntag weiterkämpfen für die Freiheit unserer Angehörigen."
Als Schwarzer Frühling sind die Ereignisse vom März 2003 in die Annalen der Verfolgung Andersdenkender durch das Regime der Brüder Castro eingegangen. Damals wurde auch Orlando Zapata Tamayo festgenommen. Dieser einfache, schwarze Maurer war wegen "Störung der öffentlichen Ordnung und Missachtung von Staatsorganen" verhaftet worden. Tatsächlich hatte er sich öffentlich für die Unterschriftensammlung zum "Projekt Varela" eingesetzt, das eine Gesetzesinitiative für politische Reformen in Kuba forderte. Oswaldo Paya, der Initiator des Projekts:
"Zunächst wurde Zapata nur zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Aber die Behörden machten daraus durch fortgesetzte Machenschaften insgesamt 30 Jahre. Seinen Hungerstreik begann er in der Haftanstalt Kilo Ocho von Camagüey, nachdem ihn seine Wärter mehrfach schwer verprügelt hatten und sich sein Gesundheitszustand immer weiter verschlechterte. Er wollte dadurch eine menschenwürdigere Behandlung für sich und alle übrigen politischen Häftlinge durchsetzen. Die Regierung antwortete darauf wie immer mit Verachtung und einer geradezu kriminellen Arroganz."
85 Tage lang hat Orlando Zapata Tamayo seinen Hungerstreik durchgehalten. Erst im letzten Augenblick verlegte ihn die Gefängnisverwaltung in ein Krankenhaus. Doch er war bereits derart geschwächt, dass er kurz darauf starb. Er wurde 42 Jahre alt und ist seit 1971 der erste politische Häftling in Kuba, der durch Hungerstreik umkommt. Damals war das Opfer ein Dichter: Pedro Luis Boitel, einer der ersten Märtyrer der kubanischen Dissidenz. Orlando Zapata Tamayo ist durch seinen Tod zu einem weiteren Symbol für die Opferbereitschaft der unterdrückten Opposition in Kuba geworden. Sein Beispiel hat ihr Mut gemacht. Sie hat zurzeit ihre ideologischen Differenzen zurückgestellt und streitet nicht mehr vor allem darüber, ob die Zukunft des Inselstaats mit oder nur ohne die Castro-Brüder vorstellbar ist. Sie hat sich zu einer einheitlichen Front gegen das Regime zusammengefunden. Manuel Cuesta Morúa, Sprecher der dialogbereiten sozialdemokratischen Richtung:
"Ich glaube, dass es bald stärkere Spannungen zwischen der kubanischen Zivilgesellschaft und der Regierung geben wird. Bei vielen Leuten hat sich eine große Wut angestaut. Sie fühlten sich oft ohnmächtig und wollen jetzt ihre Macht beweisen, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die schrecklichen menschlichen, politischen und sozialen Verhältnisse zu lenken, unter denen wir Kubaner leben."
Beim Begräbnis von Orlando Zapata Tamayo befürchtete die Regierung bereits erste Manifestationen. Sie ließ deshalb seinen Geburtsort Blanes im Osten der Insel, wo er bestattet werden sollte, durch Hunderte von Polizisten und Agenten weiträumig abriegeln. Eine Reporterin im spanischen Fernsehen:
"Nicht alle konnten vom ihm Abschied nehmen. Die Sicherheitsorgane hinderten viele daran und nahmen rund 120 Personen fest oder setzten sie unter Hausarrest. Der Tod Zapatas hat international so viel Staub aufgewirbelt, dass der harte Teil der Dissidenz sogar eine politische Wende für möglich hält."
Das Regime reagierte offiziell erwartungsgemäß. Präsident Raúl Castro bei einer Begegnung mit brasilianischen Journalisten:
"Haben Sie viele Fragen? Die Erste kann ich mir schon vorstellen. Die Erste bezieht sich auf jemanden, der beim Hungerstreik gestorben ist. Das bedauern wir sehr. Leider ist das Teil der Konfrontation mit den Vereinigten Staaten. Dabei haben wir schon Tausende von Kubanern verloren."
Dissidenten - das haben die beiden Castro-Brüder immer wieder betont - seien "Söldner im Dienst der USA". Die rund 200 politischen Häftlinge in Kuba sind deshalb nach dem offiziellen Verständnis schlicht Kriminelle. Diese Auffassung hat sich Brasiliens Präsident Lula da Silva zu eigen gemacht. Sein vierter Staatsbesuch auf der Insel in seiner 8-jährigen Amtszeit fiel mit dem Tod Orlando Zapata Tamayos zusammen. Zuerst fand er öffentliche Worte des Bedauerns. Doch später äußerte er sich gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press:
"Wir müssen die Entscheidung der kubanischen Justiz und der Regierung respektieren. Der Hungerstreik darf nicht unter dem Vorwand von Menschenrechten zur Freilassung von Personen führen. Stellen Sie sich mal vor, alle inhaftierten Verbrecher von São Paulo würden fasten, um ihre Freilassung zu verlangen."
Lula war während der brasilianischen Militärdiktatur selbst inhaftiert und in Hungerstreik getreten. Die Brasilianer wunderten sich sehr über ihren populären Präsidenten, der doch so gern als Friedensstifter und Menschenrechtler in Erscheinung tritt. Raul Jungmann von der oppositionellen PPS meinte sogar:
"Wer sich für die Menschenrechte engagiert, müsste die Situation der Häftlinge in Brasilien genauso kritisieren wie die Situation der Gefangenen in Kuba. Wer jedoch die Situation hier nicht kritisiert, dafür aber die Tyrannei in Kuba verteidigt, der handelt aus Opportunismus und Zynismus."
Doppelter Diskurs ist in der Politik sehr beliebt, gerade im Fall Kuba. Die meisten lateinamerikanischen Regierungen hüten sich, das Regime offen zu kritisieren - aus Solidarität mit der von den USA vielfach schikanierten Insel. Oscar Arias, Ex-Präsident Costa Ricas und Friedensnobelpreisträger, nahm dagegen in der spanischen Tageszeitung "El Pais" klar Stellung:
"Politische Gefangene existieren nicht in Demokratien. In keinem wirklich freien Land muss jemand ins Gefängnis, weil er anders denkt. Kuba wendet alle Überredungskünste auf, um seine Idee von der 'besonderen Demokratie' zu verkaufen. Aber jeder politische Häftling macht diese Behauptung zunichte und ist ein unwiderlegbarer Beweis des Autoritarismus."
Solche Stimmen aus Lateinamerika stärken den Widerstandsgeist der inneren Opposition in Kuba. Einen Tag nach dem Tod von Zapata ist ein weiterer kubanischer Dissident in seiner Wohnung in den Hungerstreik getreten: der 48-jährige farbige Journalist Guillermo Fariñas.
"Eine Strophe unserer Nationalhymne besagt: 'Für das Vaterland sterben, heißt leben.' Ich sterbe für mein Vaterland, denn ich glaube, dass es demokratisch sein muss und dass die 26 politischen Gefangen, die schwer krank sind, freigelassen werden müssen. Dafür kämpfe ich."
Guillermo Fariñas hat jegliche medizinische Hilfe abgelehnt, solange er bei Bewusstsein ist. Nach seiner zweiten Ohnmacht wurde er auf die Intensivstation des Krankenhauses von Santa Clara geschafft, wo er künstlich ernährt wird. Sollte er sterben, dann will der 70-jährige farbige Professor Felix Bonne "bis zur letzten Konsequenz" an seine Stelle treten.
Als Schwarzer Frühling sind die Ereignisse vom März 2003 in die Annalen der Verfolgung Andersdenkender durch das Regime der Brüder Castro eingegangen. Damals wurde auch Orlando Zapata Tamayo festgenommen. Dieser einfache, schwarze Maurer war wegen "Störung der öffentlichen Ordnung und Missachtung von Staatsorganen" verhaftet worden. Tatsächlich hatte er sich öffentlich für die Unterschriftensammlung zum "Projekt Varela" eingesetzt, das eine Gesetzesinitiative für politische Reformen in Kuba forderte. Oswaldo Paya, der Initiator des Projekts:
"Zunächst wurde Zapata nur zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Aber die Behörden machten daraus durch fortgesetzte Machenschaften insgesamt 30 Jahre. Seinen Hungerstreik begann er in der Haftanstalt Kilo Ocho von Camagüey, nachdem ihn seine Wärter mehrfach schwer verprügelt hatten und sich sein Gesundheitszustand immer weiter verschlechterte. Er wollte dadurch eine menschenwürdigere Behandlung für sich und alle übrigen politischen Häftlinge durchsetzen. Die Regierung antwortete darauf wie immer mit Verachtung und einer geradezu kriminellen Arroganz."
85 Tage lang hat Orlando Zapata Tamayo seinen Hungerstreik durchgehalten. Erst im letzten Augenblick verlegte ihn die Gefängnisverwaltung in ein Krankenhaus. Doch er war bereits derart geschwächt, dass er kurz darauf starb. Er wurde 42 Jahre alt und ist seit 1971 der erste politische Häftling in Kuba, der durch Hungerstreik umkommt. Damals war das Opfer ein Dichter: Pedro Luis Boitel, einer der ersten Märtyrer der kubanischen Dissidenz. Orlando Zapata Tamayo ist durch seinen Tod zu einem weiteren Symbol für die Opferbereitschaft der unterdrückten Opposition in Kuba geworden. Sein Beispiel hat ihr Mut gemacht. Sie hat zurzeit ihre ideologischen Differenzen zurückgestellt und streitet nicht mehr vor allem darüber, ob die Zukunft des Inselstaats mit oder nur ohne die Castro-Brüder vorstellbar ist. Sie hat sich zu einer einheitlichen Front gegen das Regime zusammengefunden. Manuel Cuesta Morúa, Sprecher der dialogbereiten sozialdemokratischen Richtung:
"Ich glaube, dass es bald stärkere Spannungen zwischen der kubanischen Zivilgesellschaft und der Regierung geben wird. Bei vielen Leuten hat sich eine große Wut angestaut. Sie fühlten sich oft ohnmächtig und wollen jetzt ihre Macht beweisen, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf die schrecklichen menschlichen, politischen und sozialen Verhältnisse zu lenken, unter denen wir Kubaner leben."
Beim Begräbnis von Orlando Zapata Tamayo befürchtete die Regierung bereits erste Manifestationen. Sie ließ deshalb seinen Geburtsort Blanes im Osten der Insel, wo er bestattet werden sollte, durch Hunderte von Polizisten und Agenten weiträumig abriegeln. Eine Reporterin im spanischen Fernsehen:
"Nicht alle konnten vom ihm Abschied nehmen. Die Sicherheitsorgane hinderten viele daran und nahmen rund 120 Personen fest oder setzten sie unter Hausarrest. Der Tod Zapatas hat international so viel Staub aufgewirbelt, dass der harte Teil der Dissidenz sogar eine politische Wende für möglich hält."
Das Regime reagierte offiziell erwartungsgemäß. Präsident Raúl Castro bei einer Begegnung mit brasilianischen Journalisten:
"Haben Sie viele Fragen? Die Erste kann ich mir schon vorstellen. Die Erste bezieht sich auf jemanden, der beim Hungerstreik gestorben ist. Das bedauern wir sehr. Leider ist das Teil der Konfrontation mit den Vereinigten Staaten. Dabei haben wir schon Tausende von Kubanern verloren."
Dissidenten - das haben die beiden Castro-Brüder immer wieder betont - seien "Söldner im Dienst der USA". Die rund 200 politischen Häftlinge in Kuba sind deshalb nach dem offiziellen Verständnis schlicht Kriminelle. Diese Auffassung hat sich Brasiliens Präsident Lula da Silva zu eigen gemacht. Sein vierter Staatsbesuch auf der Insel in seiner 8-jährigen Amtszeit fiel mit dem Tod Orlando Zapata Tamayos zusammen. Zuerst fand er öffentliche Worte des Bedauerns. Doch später äußerte er sich gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press:
"Wir müssen die Entscheidung der kubanischen Justiz und der Regierung respektieren. Der Hungerstreik darf nicht unter dem Vorwand von Menschenrechten zur Freilassung von Personen führen. Stellen Sie sich mal vor, alle inhaftierten Verbrecher von São Paulo würden fasten, um ihre Freilassung zu verlangen."
Lula war während der brasilianischen Militärdiktatur selbst inhaftiert und in Hungerstreik getreten. Die Brasilianer wunderten sich sehr über ihren populären Präsidenten, der doch so gern als Friedensstifter und Menschenrechtler in Erscheinung tritt. Raul Jungmann von der oppositionellen PPS meinte sogar:
"Wer sich für die Menschenrechte engagiert, müsste die Situation der Häftlinge in Brasilien genauso kritisieren wie die Situation der Gefangenen in Kuba. Wer jedoch die Situation hier nicht kritisiert, dafür aber die Tyrannei in Kuba verteidigt, der handelt aus Opportunismus und Zynismus."
Doppelter Diskurs ist in der Politik sehr beliebt, gerade im Fall Kuba. Die meisten lateinamerikanischen Regierungen hüten sich, das Regime offen zu kritisieren - aus Solidarität mit der von den USA vielfach schikanierten Insel. Oscar Arias, Ex-Präsident Costa Ricas und Friedensnobelpreisträger, nahm dagegen in der spanischen Tageszeitung "El Pais" klar Stellung:
"Politische Gefangene existieren nicht in Demokratien. In keinem wirklich freien Land muss jemand ins Gefängnis, weil er anders denkt. Kuba wendet alle Überredungskünste auf, um seine Idee von der 'besonderen Demokratie' zu verkaufen. Aber jeder politische Häftling macht diese Behauptung zunichte und ist ein unwiderlegbarer Beweis des Autoritarismus."
Solche Stimmen aus Lateinamerika stärken den Widerstandsgeist der inneren Opposition in Kuba. Einen Tag nach dem Tod von Zapata ist ein weiterer kubanischer Dissident in seiner Wohnung in den Hungerstreik getreten: der 48-jährige farbige Journalist Guillermo Fariñas.
"Eine Strophe unserer Nationalhymne besagt: 'Für das Vaterland sterben, heißt leben.' Ich sterbe für mein Vaterland, denn ich glaube, dass es demokratisch sein muss und dass die 26 politischen Gefangen, die schwer krank sind, freigelassen werden müssen. Dafür kämpfe ich."
Guillermo Fariñas hat jegliche medizinische Hilfe abgelehnt, solange er bei Bewusstsein ist. Nach seiner zweiten Ohnmacht wurde er auf die Intensivstation des Krankenhauses von Santa Clara geschafft, wo er künstlich ernährt wird. Sollte er sterben, dann will der 70-jährige farbige Professor Felix Bonne "bis zur letzten Konsequenz" an seine Stelle treten.