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Gemeinsam lernen

Nicht nebenher lernen, sondern integrativ lernen: Das soll die Integration und den Studiumserfolg ausländischer Hochschüler in Deutschland verbessern. Eine Bestandsaufnahme mit Ausblick mit Johannes Glembek vom Bundesverband ausländisch Studierender.

22.12.2009
    Johannes Glembek: Man kann nicht sagen, dass die Situation heute noch die ist wie vor zehn oder fünf Jahren. Natürlich haben die Projekte, die beispielsweise vom DAAD oder von den Studierendenschaften veranlasst werden, haben Erfolge. Die ausländischen Studierenden sind schon wesentlich mehr eingebunden, gerade auch in so Zeiten wie der Weihnachtszeit. Aber es gibt halt noch Punkte, die die Einbindung erschweren. Es gibt zum Beispiel immer noch viele Angebote, die sich auf die Orientierung der ausländischen Studierenden alleine richten, also gut gemeinte und auch gut aufgenommene und wichtige Veranstaltungen zur Einführung beispielsweise, die aber nur für die ausländischen Studierenden sind. Und hier müsste man viel mehr, und das macht zum Beispiel dieses PROFIN, das Programm zur Integration ausländischer Studierender des DAAD, teilweise auch beispielhaft, dass die deutschen Studierenden in die Aktivitäten eingebunden werden beziehungsweise am besten wäre es natürlich, wenn es eine Einführung – zum Beispiel – Einführung für deutsche und ausländische Studierende gäbe, wo man die Fragen oder Punkte, die jetzt die ausländischen Studierenden speziell betreffen, zwar nicht vernachlässigen sollte, aber die generellen Fragen – Eintritt ins Studium – interessiert ja eigentlich alle, deutsche und ausländische Studierende.

    Elif Senel: Also sprich: weniger spezielle Angebote, sondern mehr integrative, im wahrsten Sinne des Wortes, Angebote, wo deutsche und ausländische Studierende gleich zusammenkommen und vielleicht auch gleichzeitig über ähnliche Probleme sprechen können?

    Glembek: Ja, völlig richtig. Ich nenne ein kleines Beispiel: Wir haben an vielen Hochschulen Exkursionen, landeskundliche Exkursionen durchgeführt. Bislang waren die nur, auch aus zuwendungsrechtlichen Gründen, für ausländische Studierende da. Das hat sich jetzt geändert, da dürfen auch deutsche Studierende teilweise mit teilnehmen – in diesem PROFIN-Projekt wird das auch an vielen Hochschulen gemacht – und das ist ein richtiger Schritt: deutsche und ausländische Studierende gemeinsam in Tutorien oder im Lehrbetrieb. Und das ist ja das Wichtige.

    Senel: Das heißt, auch die ausländischen Studierenden einfach motivieren, indem sie direkt in den Kontakt kommen. Aber eine Sache ist ja eben diese Integration auf sozialer Ebene, auf der anderen Seite steht aber die Finanzierung, und die ist für viele ausländische Studierende nicht unbedingt optimal.

    Glembek: Ja, gerade jetzt in der viel beschworenen Zeit der Finanzkrise kriegen wir jetzt vom Bundesverband ausländischer Studierender sehr wohl mit, dass viele ausländische Studierende bei uns anfragen, wie kann ich irgendwo Mittel bekommen, gibt es Stipendienmöglichkeiten, gibt es Möglichkeiten, dass ich doch mehr als die 90 Tage arbeiten kann und so weiter. Also besonders aus der asiatischen, ostasiatischen Region, aber auch aus Ländern wie Palästina oder auch Subsahara, Afrika. Das Problem ist, dass die Stipendien beispielsweise, die der DAAD vergibt, nur aus dem Ausland beantragt werden können, das heißt, ausländische Studierende, die bereits in Deutschland sind, können jetzt nicht zum DAAD gehen und Anträge stellen.

    Senel: Dabei möchte aber Deutschland doch ein attraktiver Standort sein für eben ausländische Studierende, ein internationaler Standort auch sein. Ist da zu wenig vielleicht getan worden bislang?

    Glembek: Ja, es wird leider zu wenig darüber nachgedacht. Es wird immer gesagt, wir wollen kluge Köpfe, man geht aber davon aus, dass kluge Köpfe auch gleichzeitig finanzstarke Köpfe sind. Und da wird zu wenig getan, beispielsweise wenn die Bundesregierung über ein Stipendienprogramm oder Matching Funds überlegt, sind bisher die internationalen ausländischen Studierenden immer außen vor geblieben, es bezog sich alles auf deutsche Studierende.

    Senel: Das eine, worüber wir hier sprechen, das sind die Rahmenbedingungen, also zum einen die eben soziale Anbindung, aber auch die gleichzeitig die Finanzierung. Wie steht es in der Lehre und der Wissenschaftskultur, also konkret in der Lehre?

    Glembek: Nein, auch hier gibt es gute Beispiele, aber gute Beispiele ersetzen leider kein Angebot in der Fläche, das ist immer so. Wo es noch so ein bisschen hapert, ist, die Inhalte des Studiums sind doch sehr stark auf uns ausgerichtet, auf Deutschland, auf Europa, was natürlich auch klar ist, in geisteswissenschaftlichen Fächern ist das oftmals leichter natürlich als in technischen Fächern. Aber ein Bauingenieur, auch ein deutscher Bauingenieur, der irgendwann in Indonesien mal Brücken und Straßen baut, wird sich da mit ganz anderen Gegebenheiten abfinden müssen. Und es würde natürlich den internationalen ausländischen Studierenden auch zeigen, hier wird auch inhaltlich über das geredet, was vielleicht mich interessiert, wenn ich wieder in meine Heimat zurückgehe.

    Senel: Wir sprechen jetzt immer schon über die ausländischen Studierenden, die es nach Deutschland geschafft haben, ist aber noch lange nicht der Fall für alle ausländischen oder für alle Studierenden, die gerne aus dem Ausland nach Deutschland kommen möchten, denn die rechtliche Situation erlaubt das nicht. Hat sich da irgendwas in den letzten Jahren getan?

    Glembek: Es gab natürlich auch hier Verbesserungen. Man kann aber zum Beispiel festhalten – ich will es mal am Beispiel des europäischen Hochschulraumes, des Bologna-Raumes festmachen, der zurzeit stark kritisiert und von anderer Seite sehr hochgehalten wird: Innerhalb dieses europäischen Hochschulraumes gibt es nicht die gleichen Rechte für ausländische Studierende, denn der europäische Hochschulraum, der gebildet werden soll über diesen Bologna-Prozess, bezieht sich nicht nur auf die EU. Aber nur innerhalb der EU gilt die sogenannten Studentenrichtlinie, also die Freizügigkeit im Studium. Warum wird das nicht auf den europäischen Hochschulraum ausgeweitet? Freizügigkeit ist natürlich immer ein kritisches Thema, aber wenn man so was wie einen europäischen Hochschulraum schaffen will, dann muss man auch mutig sein und sagen, okay, innerhalb dieses europäischen Hochschulraums mal den Anfang machen und sagen, die Freizügigkeitsrichtlinie für Studenten EU gilt für den europäischen Hochschulraum für Bologna.

    Senel: Johannes Glembek, vielen Dank für Ihre Einschätzung. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes ausländischer Studierender über die Situation ausländischer Studierender in Deutschland. Vielen Dank!

    Glembek: Ich danke Ihnen!

    Der Bundesverband ausländischer Studierender