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Gemeinsam messen

Die Hochschule Karlsruhe und die Sibirische Staatsakademie für Geodäsie in Novosibirsk haben ein weitreichendes Kooperationsabkommen unterzeichnet. Das Abkommen sieht den Austausch von Studierenden und Absolventen vor sowie gemeinsame Forschungsprojekte im Bereich der Geowissenschaften vor.

Moderation: Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Enge Kontakte bestehen schon seit einigen Jahren, und jetzt im Mai sind sie per Vertrag offiziell geregelt worden: Die Sibirische Staatsakademie für Geodäsie in Novosibirsk und die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe intensivieren ihre Partnerschaft. Der Unterzeichner auf deutscher Seite war der Rektor der Hochschule, Professor Karl-Heinz Meisel. Wie ist denn der Kontakt ursprünglich entstanden, Herr Meisel?

    Karl-Heinz Meisel: Der erste Kontakt kam zustande im Jahr 2005 auf der Intergeo-Messe in Deutschland. Da kamen Kollegen aus Novosibirsk auf einen Kollegen unserer Hochschule, auf den Professor Jäger zu, der dort einen Stand hatte, und haben ihn angesprochen, dass seine Forschungsprojekte für sie hochinteressant wären.

    Burgwinkel: Und daraus hat sich dann tatsächlich dieser ganz enge Kontakt ergeben und jetzt die Kooperation ja auch?

    Meisel: Ja, es gab noch eine Zwischenstufe. Der erste Schritt war nach diesem ersten Kontakt, dass dieser Kollege, der Professor Jäger, eingeladen wurde für eine Gastvorlesung im Jahr 2006. Das hat sich auch jetzt in den Folgejahren wiederholt. Und es gab auch Austausch vonseiten der russischen Kollegen, die hierher kamen. Und jetzt schließlich haben wir die Kooperationsvereinbarung abgeschlossen.

    Burgwinkel: Und wieso bietet sich das gerade an, zwischen der Hochschule für Wirtschaft und Technik und den Geodäten?

    Meisel: Es ist, [dass es] in Russland, in der Geodäsie eigentlich zwei große Adressen gibt. Die eine ist in Moskau, und die andere ist in Novosibirsk, sodass dort eigentlich Geodäsie auf höchster Ebene gemacht wird. Das ist wissenschaftlich sehr interessant. Von unserer Seite sind die Fragestellungen interessant. Und die Lösungen, die insbesondere der Kollege Jäger anzubieten hat, sind auch für die russischen Kollegen interessant.

    Burgwinkel: Können Sie das vielleicht ein bisschen konkreter noch beschreiben?

    Meisel: Ja, er hat einen Schwerpunkt im Bereich GNSS, das heißt Global Navigation Satellite System, wo es drum geht um präzise Navigation. Das heißt, es geht um satellitengeschützte Vermessung im Bereich, nicht wie man von Pkws kennt, vielleicht im Bereich von 50 oder 100 Meter, sondern im Bereich von ein bis drei Zentimeter, sodass man hochgenaue Vermessungen machen kann. Diese Vermessungen werden eingesetzt in unterschiedlichen Bereichen. Wir haben hier Forschungsprojekte, da geht es drum, um Staudämme zu vermessen, Bewegungsstaudämme zu vermessen, aber auch im Straßenbau, im Umweltschutz, im Katasterwesen, wo es um Grenzfestlegungen und Ähnilches geht, sind das hoch spannende und interessante Themen.

    Burgwinkel: Das heißt, da haben Sie jetzt gerade auch so zukünftige Projekte, die anstehen, beschrieben?

    Meisel: Gerade in Russland ist man dabei, ein entsprechendes System aufzubauen. Da genügen nicht nur die Satelliten. Es gibt ja im Prinzip zwei funktionsfähige Satellitensysteme, das, was man allgemein als GPS kennt, das amerikanische, und in Russland ein System GLONASS. Zwei weitere werden ja installiert werden, das eine, "Galileo", in Europa, und auch die Chinesen werden ein weiteres System installieren. Das ist die Basis dafür. Wenn man allerdings hochgenaue Vermessungen machen möchte, dann braucht man auch Basisstationen auf der Erde, etwa in einem Abstand von 100 Kilometern, ein Netz entsprechend aufgebaut, und dann kann man durch die differentielle Messungen diese hohe Genauigkeit erreichen. Und da haben wir hier relativ gute Erfahrungen und auch viele Projekte schon gemacht. Und in Russland ist man zurzeit dabei, gerade auch im Bereich von Novosibirsk, ein solches System aufzubauen. Man hat schon die ersten Stationen stehen, auch unter Beratung vom Kollegen Jäger. Und das soll weiter ausgebaut werden.

    Burgwinkel: Sieht denn auch die Kooperation allgemein Zusammenarbeit im Sinne von Studentenaustausch vor?

    Meisel: Auch das ist vorgesehen. Diese Universität, die Siberian State Academy of Geodesy, hat zirka 5000 Studierende im Bereich allein der Geodäsie. Sie hat noch ein paar mehr in anderen benachbarten Bereichen und ist zurzeit dabei, ihre ganzen Studienprogramme aufs Bachelor- und Mastersystem umzustellen und macht auch gemeinsame Programme mit Hochschulen in Europa, und die Vorlesungen sollen dann in Englisch gehalten werden. Wir werden da auch gemeinsame Studiengänge installieren, sodass russische Studenten hierherkommen werden, aber auch einige Studenten von uns sollen zumindest für Gastaufenthalte nach Novosibirsk gehen.

    Burgwinkel: Na, das ist aber schon ein Unterschied, Novosibirsk und Karlsruhe, was die Studien und vor allen Dingen was die Lebensbedingungen angeht?

    Meisel: Ja, aber es sind zunächst auch schon mal die klimatischen Unterschiede, wobei viele Leute, wenn sie Novosibirsk hören, immer denken, da hat es immer minus 20 Grad und gar dran denken, dass wir im Sommer da wärmere Regionen haben als hier in Karlsruhe, weil man ein kontinentales Klima hat. Aber nichtsdestotrotz, es ist hoch interessant, weil natürlich auch gerade das, was dort im Bereich der Geodäsie gemacht wird, in ähnlichen und weiten Bereichen wirklich das ist, was die Spitze der Forschungen und der Lehre auch darstellt in Russland.