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Gemeinsamer Bildungsraum Europa

Bis 2010 soll es gezimmert sein: Europa als kompatibler, größter Wissenschafts- und Bildungsraum der Welt. Das wurde 1999 in der Bologna-Erklärung durch 29 europäische Bildungsminister abgezeichnet. Nach politischem Willen soll ein zweistufiges System von Studienabschlüsse eingeführt werden, die Einführung eines einheitlichen Leistungspunktessystems, ECTS und die europäische Zusammenarbeit durch Qualitätssicherung gefördert werden. Seit dieser Erklärung treffen sich Politiker und Hochschulvertreter in regelmäßigen Abständen. Die europäische Universitätsvereinigung EUA hat diesmal nach Graz geladen. Man will dort erarbeiten, was man den Politikern auf deren nächsten großen Treffen in Berlin vorschlagen will.

    Es ist das bislang größte Treffen in der Geschichte der Europäischen Universitäten Vereinigung. Über 400 Rektoren sind nach Aussagen von EUA-Präsident, dem Franzosen Eric Froment, hier versammelt. Und das zeigt doch, welche Bedeutung die Hochschul-Vertreter inzwischen der aktiven Teilnahme an der Gestaltung des Bologna Prozesses zusprechen. Was Froment aber, vier Jahre nach Unterzeichung der Bologna-Erklärung erschreckt, ist, dass zwar Politiker und Hochschulleitung aufgewacht seien, bei Professoren und Studierenden aber noch nicht allzu viel angekommen sei.

    Professoren wissen nichts, zumindest die meisten von ihnen, und Studenten wissen nichts darüber. Wie kann man den Bologna-Prozess vorantreiben, wenn man diesen Leuten nicht erklärt, was man eigentlich vor hat.

    Damit goss der Hochschulvertreter natürlich Öl ins Feuer der Europa-Politikerin Viviane Reding. Die EU-Bildungskommissarin machte noch einmal deutlich, was ihres Erachtens Kritik-Punkte vor allem bei der Einführung der modularisierten Studiengänge Bachelor und Master sind. In nahezu allen beteiligten Ländern seien inzwischen diese Studiengänge eingeführt werden. Für die anderen gelte, beeilt euch lieber.

    Länder die das noch nicht gemacht haben, sollten sich beeilen, wenn sie denn ab 2010 am europäischen Hochschulraum teilhaben wollen. Staatliche Zustimmung reicht nicht, in einigen Ländern hat das sogar dazu geführt, das alte und neue Studienstrukturen nebeneinander existieren. Dadurch wird noch ein größeres Durcheinander geschaffen, anstatt weniger. Und deswegen dränge ich diese Länder, ihre Politik in dieser Hinsicht zu überprüfen. Bologna kann nicht a la carte durchgeführt werden.

    Da könnte man sich auch in Deutschland angesprochen fühlen, denn gibt es eine ähnliche Situation. Hermann Müller-Solger, der zuständigen Mann aus dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft antwortet auf die Frage, ob es Deutschland bis 2010 geschafft haben wird, deutsche Abschlüsse aus der Hochschule zu verbannen:

    Man muss über das Schicksaal der Studiengänge diskutieren, am saubersten kein Magister, Diplom, kein Staatsexamen.

    Bereits einmal hat man bei der Reform der Juristenausbildung versucht, eine Bastion der Staatsprüfung zu schleifen. Bislang ohne Erfolg, aber im Ministerium will man offenbar nicht aufgeben.

    Mit den Juristen gab es immer schon Probleme, aber noch ist keine abschließende Diskussion erfolgt. Eine Meinungsbildung kristallisiert sich heraus, die sagt: für Juristen zum Beispiel in der Wirtschaft den Bachelor, für andere Berufe wie Richter den Master. Andere Länder machen das uns ja vor. Massenhaft.

    Knapp vier Monate vor der Konferenz in Berlin erhöht man von politischer Seite also noch einmal den Druck. Sorgen wegen Widerstand aus den Bundesländern macht man sich im BMBF aber weniger. Im Europäischen Rahmen, so der Bundesministeriale Müller-Solger, sei Deutschland eben doch nur ein Land.

    [Autor: Patrick Honecker]

    Links zum Thema

    European University Association

    Internet-Seite zum EUA-Meeting in Graz