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Gemischte Gefühle nach Tunis

Im Gegensatz zum Vorläufertreffen in Genf spielten auf dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis die so genannten Zivilgesellschaften - also Vertreter von Bürgerinitiativen, Wissenschaft und Wirtschaft - diesmal eine wesentlich gewichtigere Rolle in der Überwindung der digitalen Kluft.

Von Christiane Kaess | 19.11.2005
    Wie heutzutage ein Journalist noch ohne Internet arbeiten kann, fragt Chris Kabwato rhetorisch, denn er erfährt den "digital divide" - die digitale Kluft - täglich selbst. Kabwato ist Direktor der afrikanischen Nachrichtenagentur "highwayAFRICA". Aus einem Projekt an der Rhodes Universität in Südafrika wurden Studenten zum Weltinformationsgipfel 2003 in Genf geschickt, um darüber für die afrikanischen Medien zu berichten. Danach machten die Studenten einfach weiter und berichteten mit Hilfe des Internets über afrikanische Themen. Mitlerweile hat "highwayAFRICA" Korrespondenten über den ganzen Kontinent verteilt berichtet Kabwato:

    "Wir sagen unseren Journalisten, sie sollen ihre eigenen Blogs im Internet haben. Und auf unserer Website sind dann die Links zu diesen persönlichen Blogs. Über Afrika zu berichten, nehmen wir sehr ernst, denn wir sind nun mal Afrikaner und wir denken, dass auch wir über Afrika berichten sollten."

    Damit wäre "highwayAFRICA" eines der Erfolgs-Projekte auf der Liste der Zivilgesellschaft, die sich auf dem zweiten Weltinformationsgipfel vor allem mit den Fortschritten bei der Überwindung der digitalen Spaltung beschäftigen. Bei dem Treffen in Genf vor zwei Jahren hatten die zivilgesellschaftlichen Gruppen eine eigene Erklärung vorgelegt, die weit über den Text hinausging, auf den die Regierungen sich einigen konnten. Jetzt wurde auch da Resümee gezogen. Ralf Bendrath, Politikwissenschaftler und Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Erklärung der Zivilgesellschaft zum Tunis Gipfel entwarf, sieht viel Positives, zum Beispiel bei der alles dominierenden Frage der Internet Governance:

    "Das Internet Governance Forum, das ist eine Idee von uns gewesen vor über einem Jahr. Das hat sich niemand von den Regierungen ausgedacht. Das wurde jetzt übernommen. Es ist auch relativ detailliert beschrieben, wie das aufgestellt werden soll. Das ist eine Sache, die wir total klasse finden."

    In anderen Bereichen hatte man mehr erwartet, so zum Beispiel bei der Finanzierung:

    "Da wäre schon wichtig gewesen, dass die Regierungen des Westens, deren Telekommunikationsunternehmen natürlich auch massenhaft Geld an dieser Überbrückung verdienen werden, dass die endlich mal zu ihrer Selbstverpflichtung stehen, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben und im Zusammenhang mit diesem Gipfel hier zumindest einen Teil davon abzuzweigen für Informationstechnologieprojekte."

    Unglücklich sind viele über die Follow-Up-Mechanismen des Gipfels und sehen dieses wichtige Instrument bei der Kommission für Forschung und Technik, einem Untergremium des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen (ECOSOC), nicht gut aufgehoben. Zu technisch sei die Kommission, schließlich gehe es hier um gesellschaftspolitische Fragen. Allerdings setzt man auch hier auf die Zukunft: Das Mandat der Kommission für Forschung und Technik soll erweitert werden. Man könne bei fast in allen Punkten das Glas als halb leer oder als halb voll betrachten, so formulierte es ein Nicht-Regierungsmitglied der Arbeitsgruppen. Unumstritten ist die enorme Leistung, die unterschiedlichsten Interessensgruppen zu organisieren, meint auch Renate Bloem, Präsidentin der NGO-Konferenz, die schon einige UN-Gipfel mitgemacht hat.

    "Das heißt im Plenum und dann haben wir ein Büro geschaffen, dann haben wir die verschiedensten, in allen Themen verhafteten Komitees gebildet und dann auch immer wieder eine Koordination geschaffen, damit wir wirklich, wenn es darauf ankam, unsere Anliegen vorbringen konnten. Das heißt, was also wirklich neu ist, dass dieser Prozess von der Zivilgesellschaft mitgetragen worden ist. Das heißt, wenn wir heute das Dokument sehen, dann können wir feststellen auch schon in den Genfer Dokumenten, wie viel da eingeflossen ist."

    In Tunis kamen zu den hitzigen Diskussionen in den Ausschüssen die unterschiedlichen Ansichten zu Presse- und Meinungsfreiheit - immerhin eines der Hauptanliegen der Zivilgesellschaft. Fragwürdige Standpunkte wurden von tunesischen regierungstreuen, vermutlich "unechten" Nicht-Regierungs-Vertretern, vorgetragen. Der ursprünglich geplante Bürgergipfel, der außerhalb des Konferenzgeländes stattfinden sollte, wurde nach der Blockade von tunesischen Behörden in eine Presse-Konferenz bei der Tunesian Human Rights League umgewandelt, der eine Demonstration im Zentrum von Tunis folgte. Der Konflikt, der im Gastgeberland Tunesien, das zu den schärfsten Zensoren des Internets zählt, offensichtlich wurde, gab einen Vorgeschmack auf die Herausforderung der Zukunft. Die liegt vor allem bei der Umsetzung des Aktionsplans. Der Druck der Zivilgesellschaft wird hier entscheidend sein, meint Ralf Bendrath :

    "Das Wichtige ist jetzt, dass dieses riesengroße, themenübergreifenden Netzwerk, was wir da geschaffen haben, dass das nicht auseinander bricht."