
Das Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums gibt die aktuelle Impfquote der vollständig geimpften Menschen in Deutschland mit knapp 69 Prozent an. (mindestens eine Impfdosis: knapp 72 Prozent. Stand: 3.12.2021) Bereits seit einigen Monaten gibt es aber die Vermutung, dass die tatsächliche Impfquote möglicherweise deutlich höher liegen könnte. Eine repräsentative Befragung von Infratest dimap in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte im Sommer eine Impfquote, die 16 Prozentpunkte höher lag als die offiziellen Zahlen des Robert Koch-Instituts.
Auch RKI rechnet mit höherer Impfquote
Im Oktober hatte dann auch das RKI eingeräumt, dass die durch das Digitale Impfquoten Monitoring (DIM) erhobene Zahl die tatsächliche Impfquote unterschätzen könnte. Als Grund für diese Verzerrung nannte die Behörde, dass manche Stellen nicht alle Impfungen an das RKI melden würden - insbesondere bei den Betriebsärzten sei davon auszugehen, dass nur etwa die Hälfte der tatsächlich erfolgten Impfungen in der Statistik erfasst worden seien. Der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Panter, hatte das damals in der "Augsburger Allgemeinen" vehement zurückgewiesen. Die Unsicherheit in den Zahlen hatte bei Politikern verschiedener Parteien auch zu Kritik an RKI-Chef Lothar Wieler geführt. Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Holetschek, forderte Mitte Oktober nach Beratungen mit seinen Länderkollegen, das RKI müsse zur nächsten Schalte der Minister einen detaillierten Bericht vorlegen. Man brauche Klarheit und Wahrheit in der Frage der Daten, betonte der CSU-Politiker.
Das Robert Koch-Institut rechnet aber auch aktuell nicht damit, dass sich diese Unklarheit in nächster Zeit beseitigen lässt. Eine Sprecherin des RKI teilte auf Anfrage des Deutschlandfunks mit, aufgrund der neuesten Hochrechnung anhand der ausgelieferten Impfstoffdosen müsse man weiter von einer Unterschätzung der ausgewiesenen Impfquote von maximal fünf Prozentpunkten ausgehen. Damit kalkuliert das RKI auch im aktuellen Lagebericht. Auf absehbare Zeit sei somit auch weiterhin mit einer Unsicherheit in Bezug auf die exakte Impfquote zu rechnen.
Umfragen könnten zur Überschätzung der Impfquote tendieren
Während in der digitalen Erfassung die Zahl der tatsächlich geimpften Menschen unterschätzt werden dürfte, könnten Umfragen zu einer Überschätzung der Quote führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine noch unveröffentlichte gemeinsame Studie der Universitäten Konstanz und Chemnitz. Die Forscher begründen diese Erkenntnis mit den Effekten sozialer Erwünschtheit. "Wenn wir davon ausgehen, dass eine Impfung gegen Covid-19 als normativ erwünscht gilt, und dass die meisten erwachsenen Menschen in Deutschland diese Norm wahrnehmen – gleichgültig, ob sie die Norm persönlich für richtig oder falsch halten – dann entsteht ein Anreiz für Ungeimpfte, mit ihren Angaben von der Wahrheit abzuweichen, um eine Missbilligung durch wen auch immer zu vermeiden“, erklärt der Soziologe Felix Wolter von der Universität Konstanz.