Es ging ums Prinzip, sagt der US-amerikanische Molekularbiologe John Rossi vom Beckham Forschungs-Institut in Kalifornien. Und seiner Meinung nach haben deutsche Pharmaforscher den Beweis geliefert, dass eine vollkommen neue Art, Krankheiten zu behandeln, wirklich machbar ist. Rossi spricht von einem "Durchbruch". Das ist selten bei Wissenschaftlern, zu deren wichtigsten Berufs-Tugenden doch die Skepsis gehört.
Es ist ein sehr schöner Durchbruch. Zum erstem Mal wurde gezeigt, dass die so genannte RNA-Interferenz nicht nur in einzelnen Zellen sondern in einem ganzen Organismus einen biologischen Effekt hat. Und das Schöne ist meiner Meinung nach, dass die Lösung des Problems so einfach war.
Bei der RNA-Interferenz handelt es sich um eine Methode, mit der sich - bildlich gesprochen: Gene gezielt "ausschalten" lassen. Eine Zelle wird daran gehindert, ein spezielles Protein herzustellen. Die Bauanleitung für jedes Protein ist in der Erbinformation gespeichert, den Genen. Zunächst aber muss eine Kopie der Bauanleitung erstellt werden: die Boten-RNA. Sie wandert dann in die Eiweißfabriken der Zelle.
Die RNA-Interferenz greift nicht in die genetische Information der Zelle ein. Aber mit kleinen Molekülen, "siRNAs" mit Namen, wird die Boten-RNA unbrauchbar gemacht. Die Folge: Das Protein wird gar nicht erst gebaut.
Die Technik an sich ist erst ein paar Jahre alt. Es ist das erste Mal, dass sie bei der Behandlung von Säugetieren zum Einsatz kam - von Labormäusen. Den Forscher von "Alnylam Europe" in Kulmbach gelang es so, die Bildung von Apoliprotein B - kurz Apo B - zu hemmen. Das Molekül spielt eine Schlüsselrolle beim Transport und der Bildung des Blutfettes Cholesterin. Die so behandelten Labor-Mäuse bildeten 70 Prozent weniger Apo B - ihr Cholesterin-Spiegel halbierte sich. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut gilt als Risiko-Faktor für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Das Ergebnis stimmt Roland Kreutzer, Direktor bei "Alnylam Europe" optimistisch:
Wir müssen natürlich noch dran arbeiten und die Moleküle noch weiter verbessern. Aber im Grund genommen könnte man den Cholesterinspiegel durch Gabe von siRNA damit senken. Und zwar sehr spezifisch und sehr effizient und möglicherweise mit sehr wenigen oder keinen Nebenwirkungen.
Die Pharma-Forscher aus Kulmbach haben vor allem die Lösung für ein zentrales Problem der RNA-Interferenz gefunden: Wie finden die Wirkstoffe, die siRNAs, ihren Weg in die richtige Zelle? Hier half ein Trick: ein kleines an der siRNA angekoppeltes Fett-Molekül verschafft Zutritt in viele verschiedene Zell-Typen. In der Leber, dem Dünndarm, der Lunge und dem Herzen. Wie die siRNAs in die Zellen hineinkommen, ist ein Rätsel. Dass sie reinkommen - das ist belegt.
Noch aber müssen sehr viele dieser Moleküle in die Blutbahn gespritzt werden, damit sich eine Wirkung zeigt, räumt Roland Kreutzer ein.
Wir müssen die Zellgängigkeit noch verbessern, dann können wir nämlich mit geringeren Dosen besser in die Zellen reinkommen, und da schon ähnliche starke Effekte erzielen, wie wir es jetzt mit den relativ hohen Dosen haben.
Das ist eine große Herausforderung. Dennoch zeichnet sich jetzt schon ab, dass die neue Technik eines Tages wichtig sein könnte für die Medizin. Denn sie kann mehr, als nur einen hohen Cholesterin-Spiegel zu senken.
Man kann im Prinzip jede Krankheit behandeln, die auf einer Überproduktion eines bestimmten Proteins beruht bzw. auf einer Produktion eines falschen Proteins.
Und das sind eine ganze Reihe von Krankheiten: von Stoffwechselstörungen bis hin zu Krebserkrankungen. Oder auch chronische Virusinfektionen, so John Rossi.
Denken Sie an die Hepatitis B und C. Bei solchen Virusinfektionen der Leber ließe sich auf diese Weise die Vermehrung der Viren gezielt blockieren. Das wäre eine sehr innovative Form der Behandlung.
Kreutzer ergänzt:
Das Spektrum ist unglaublich breit, und das Potenzial dieser RNA-Interferenz-Technologie ist wirklich enorm groß.
Das Potenzial ist groß. Andererseits bedeuten Erfolge im Tierversuch an Mäusen nicht automatisch, dass sich mit der Technik wirklich auch kranke Menschen werden heilen lassen können. Das zeigen die vielen Rückschläge bei der Gentherapie und bei zahlreichen Ansätzen der Krebs-Forschung.
Es ist klar, dass eine pharmazeutische Entwicklung viel Jahre dauert, und wir haben hier dazu noch eine neue Technologie, die erst einmal als solche etabliert werden muss. Auf der anderen Seite hat sich herausgestellt, dass diese Technologie sehr schnell überhaupt diesen Reifegrad erreichen konnte. Viel schneller als alle anderen Vorgänger-Technologien.
John Rossi fragt sich, ob sich die RNA-Interferenz überhaupt dazu eignet, chronische Krankheiten zu behandeln - wie etwa einen hohen Cholesterin-Spiegel. Denn Patienten müssten sich regelmäßig - vielleicht sogar täglich - die siRNA spritzen. Das wäre sehr teuer. Und die Langzeit-Nebenwirkungen solch einer neuartigen Behandlung sind heute längst noch nicht absehbar.
Es ist ein sehr schöner Durchbruch. Zum erstem Mal wurde gezeigt, dass die so genannte RNA-Interferenz nicht nur in einzelnen Zellen sondern in einem ganzen Organismus einen biologischen Effekt hat. Und das Schöne ist meiner Meinung nach, dass die Lösung des Problems so einfach war.
Bei der RNA-Interferenz handelt es sich um eine Methode, mit der sich - bildlich gesprochen: Gene gezielt "ausschalten" lassen. Eine Zelle wird daran gehindert, ein spezielles Protein herzustellen. Die Bauanleitung für jedes Protein ist in der Erbinformation gespeichert, den Genen. Zunächst aber muss eine Kopie der Bauanleitung erstellt werden: die Boten-RNA. Sie wandert dann in die Eiweißfabriken der Zelle.
Die RNA-Interferenz greift nicht in die genetische Information der Zelle ein. Aber mit kleinen Molekülen, "siRNAs" mit Namen, wird die Boten-RNA unbrauchbar gemacht. Die Folge: Das Protein wird gar nicht erst gebaut.
Die Technik an sich ist erst ein paar Jahre alt. Es ist das erste Mal, dass sie bei der Behandlung von Säugetieren zum Einsatz kam - von Labormäusen. Den Forscher von "Alnylam Europe" in Kulmbach gelang es so, die Bildung von Apoliprotein B - kurz Apo B - zu hemmen. Das Molekül spielt eine Schlüsselrolle beim Transport und der Bildung des Blutfettes Cholesterin. Die so behandelten Labor-Mäuse bildeten 70 Prozent weniger Apo B - ihr Cholesterin-Spiegel halbierte sich. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut gilt als Risiko-Faktor für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Das Ergebnis stimmt Roland Kreutzer, Direktor bei "Alnylam Europe" optimistisch:
Wir müssen natürlich noch dran arbeiten und die Moleküle noch weiter verbessern. Aber im Grund genommen könnte man den Cholesterinspiegel durch Gabe von siRNA damit senken. Und zwar sehr spezifisch und sehr effizient und möglicherweise mit sehr wenigen oder keinen Nebenwirkungen.
Die Pharma-Forscher aus Kulmbach haben vor allem die Lösung für ein zentrales Problem der RNA-Interferenz gefunden: Wie finden die Wirkstoffe, die siRNAs, ihren Weg in die richtige Zelle? Hier half ein Trick: ein kleines an der siRNA angekoppeltes Fett-Molekül verschafft Zutritt in viele verschiedene Zell-Typen. In der Leber, dem Dünndarm, der Lunge und dem Herzen. Wie die siRNAs in die Zellen hineinkommen, ist ein Rätsel. Dass sie reinkommen - das ist belegt.
Noch aber müssen sehr viele dieser Moleküle in die Blutbahn gespritzt werden, damit sich eine Wirkung zeigt, räumt Roland Kreutzer ein.
Wir müssen die Zellgängigkeit noch verbessern, dann können wir nämlich mit geringeren Dosen besser in die Zellen reinkommen, und da schon ähnliche starke Effekte erzielen, wie wir es jetzt mit den relativ hohen Dosen haben.
Das ist eine große Herausforderung. Dennoch zeichnet sich jetzt schon ab, dass die neue Technik eines Tages wichtig sein könnte für die Medizin. Denn sie kann mehr, als nur einen hohen Cholesterin-Spiegel zu senken.
Man kann im Prinzip jede Krankheit behandeln, die auf einer Überproduktion eines bestimmten Proteins beruht bzw. auf einer Produktion eines falschen Proteins.
Und das sind eine ganze Reihe von Krankheiten: von Stoffwechselstörungen bis hin zu Krebserkrankungen. Oder auch chronische Virusinfektionen, so John Rossi.
Denken Sie an die Hepatitis B und C. Bei solchen Virusinfektionen der Leber ließe sich auf diese Weise die Vermehrung der Viren gezielt blockieren. Das wäre eine sehr innovative Form der Behandlung.
Kreutzer ergänzt:
Das Spektrum ist unglaublich breit, und das Potenzial dieser RNA-Interferenz-Technologie ist wirklich enorm groß.
Das Potenzial ist groß. Andererseits bedeuten Erfolge im Tierversuch an Mäusen nicht automatisch, dass sich mit der Technik wirklich auch kranke Menschen werden heilen lassen können. Das zeigen die vielen Rückschläge bei der Gentherapie und bei zahlreichen Ansätzen der Krebs-Forschung.
Es ist klar, dass eine pharmazeutische Entwicklung viel Jahre dauert, und wir haben hier dazu noch eine neue Technologie, die erst einmal als solche etabliert werden muss. Auf der anderen Seite hat sich herausgestellt, dass diese Technologie sehr schnell überhaupt diesen Reifegrad erreichen konnte. Viel schneller als alle anderen Vorgänger-Technologien.
John Rossi fragt sich, ob sich die RNA-Interferenz überhaupt dazu eignet, chronische Krankheiten zu behandeln - wie etwa einen hohen Cholesterin-Spiegel. Denn Patienten müssten sich regelmäßig - vielleicht sogar täglich - die siRNA spritzen. Das wäre sehr teuer. Und die Langzeit-Nebenwirkungen solch einer neuartigen Behandlung sind heute längst noch nicht absehbar.