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Generalsekretär des Front National
"Die Franzosen wollen keinen Blankoscheck für Macron"

Am Sonntag wählen die Franzosen ein neues Parlament. Der Generalsekretär des Front National, Nicolas Bay, kündigte an, seine Partei werde als kompromisslose und gleichzeitig konstruktive Opposition agieren. Die Franzosen wollten nicht, dass Präsident Macron totale Handlungsfreiheit erhalte, sagte er im Dlf.

Nicolas Bay im Gespräch mit Christoph Heinemann | 09.06.2017
    Nicolas Bay, Generalsekretär des Front National
    Nicolas Bay, Generalsekretär des Front National (AFP)
    Das Interview in französischer Sprache
    Christoph Heinemann: In der Fünften Republik ist der Staatspräsident der starke Mann, der das Land regiert. Wieso sollten die Wählerinnen und Wähler bei der Parlamentswahl für den Front National stimmen, der alles daran setzen wird, damit Macron scheitert?
    Nicolas Bay: Die Logik der Institutionen wird dafür sorgen, dass Herr Macron wahrscheinlich eine Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung gewinnen wird. Eine solide, entschlossene und kompromisslose – gleichzeitig aber auch konstruktive - Opposition ist notwendig. Wir müssen die Franzosen schützen. Eine Mehrheit der Franzosen, darunter auch einige, die für Macron gestimmt haben, wollen nicht, dass er über einen Blankoscheck verfügt. Sie möchten nicht, dass er über eine totale Handlungsfreiheit verfügt. Zumal man weiß, wie er davon Gebrauch machen würde: er steht für eine ultraliberale Globalisierung, für Masseneinwanderung, für die Europäische Union, die möchte er sogar noch weiter entwickeln.
    "Der Euro schadet unseren Interessen"
    Heinemann: Bleiben wir bei der Europäischen Union: Befürwortet der Front National ein Ausscheiden Frankreichs aus der Eurozone, sollte der Euro in Frankreich aufgegeben werden?
    Bay: Wir stellen fest, dass der Euro, so wie er gegenwärtig funktioniert, unseren Interessen schadet. Wir haben diese Debatte während des Präsidentschaftswahlkampfes geführt. Die Neuverhandlung der europäischen Verträge gehört zu den Kompetenzen des Staatspräsidenten, nicht zu denen der Nationalversammlung. Insofern gehört diese Debatte nicht so sehr zum Parlamentswahlkampf. Wir möchten ein pragmatisches Europa, das die Nationen, aus denen es besteht, und ihre nationale Souveränität respektiert. Die Europäische Union, die seit einigen Jahrzehnten besteht, ist ein Fehlschlag. Sie hat für Massenarbeitslosigkeit, Masseneinwanderung, allgemeine Unsicherheit und einen sozialen Bruch gesorgt. Sie hat zu einer Art kollektiver Machtlosigkeit der europäischen Nationen auf der Weltbühne geführt.
    Heinemann: Die Renationalisierung der Währung ist eins der wichtigsten Themen des Front National. Bisher hat die Partei gesagt: Wir wollen aus dem Euro aussteigen. Bleibt es dabei?
    Bay: Wir haben im Präsidentschaftswahlkampf gesagt, dass wir den Euro von einer Einheitswährung zu einer gemeinsamen Währung für den internationalen Austausch weiterentwickeln wollen. Davon konnten wir die Franzosen allerdings nicht überzeugen. Darüber müssen wir nachdenken. Gleichzeitig sollte man das wirtschaftspolitische Programm des Front National nicht auf die Währungsfrage verkürzen. Wir stehen für Wirtschaftspatriotismus, für Protektionismus zugunsten der französischen Wirtschaft gegenüber unfairer Konkurrenz. Wir wollen die Abgabenlast senken, die unsere Unternehmen schwer belastet. Diese Punkte des Programms müssen besser bekannt gemacht werden. Es darf nicht auf die Währungsfrage verkürzt werden.
    Heinemann: Wieso haben Sie die Franzosen in dieser Frage nicht überzeugt?
    Bay: Unsere Gegner und manchmal auch die Medien wollten den Menschen bei dem Thema Euro Angst einjagen. Wir stellen fest, dass der zu stark bewertete Euro den wirtschaftlichen Interessen Frankreichs schadet. Die Frage lautet: Wie kann man dies so entwickeln, dass unsere Wirtschaft besser zurecht kommt?
    Heinemann: Die Mehrheit der Franzosen möchte aber nicht aus dem Euro aussteigen…
    Bay: Ja, das stimmt, und diese Botschaft haben wir bei der Präsidentschaftswahl vernommen. Das gehört zu den Themen, über die wir in den kommenden Monaten nach der Parlamentswahl debattieren werden.
    "Franzosen waren für unsere Botschaft zum Euro nicht bereit"
    Heinemann: Auf der Internetseite des Front National steht: "Um wieder eine nationale Währung zu bekommen, werde ich Mitglied des Front National". Die Botschaft ist klar: Wer Mitglied der Partei wird, für den kämpft die Partei damit Frankreich aus dem Euro aussteigt. Wollen Sie dieses Versprechen nicht halten?
    Bay: Nein, das war eine Botschaft, die wir für den Präsidentschaftswahlkampf entwickelt haben.
    Heinemann: Sie sollten diese Botschaft vielleicht von Ihrer Seite löschen …
    Bay: Ja, aber noch einmal: Das ist nicht die Botschaft dieses Augenblicks, denn wir befinden uns im Parlamentswahlkampf.
    Heinemann: Für den Front National steht fest. Man sollte nicht über den Ausstieg aus dem Euro reden…
    Bay: Die Franzosen waren während des Präsidentschaftswahlkampfes nicht bereit, unsere Botschaft in dieser Frage aufzunehmen. Aber noch einmal: Wir respektieren die Institutionen. Das gehört nicht zu den Befugnissen der Nationalversammlung. Deshalb ist es nicht sinnvoll, mit dieser Frage den Parlamentswahlkampf zu führen.
    Heinemann: Ist der Front National bereit, seine Überzeugungen zu opfern, wie etwa die Frage des Euroausstiegs, um eines Tages an die Macht gelangen zu können?
    Bay: Nein, der Front National möchte sowohl mit einem schlüssigen Programm antreten, einem Programm der Souveränität und das heißt: einem Programm der Freiheit für unsere Nation, als auch gleichzeitig die Menschen zusammenführen und den Franzosen zuhören.
    "Front National nicht auf den Familiennamen Le Pen verkürzen"
    Heinemann: Sprechen wir über die Partei: der Front National ist gekennzeichnet durch drei Generationen Le Pen: Jean-Marie, Marine und Marion, letztere strebt kein neues Parlamentsmandat an. Steckt zu viel Le Pen im Front National?
    Bay: Nein, überhaupt nicht. Jean-Marie Le Pen gehört dem Front National nicht mehr an. Er wurde vor zwei Jahren ausgeschlossen. Der Front National heute, das sind tausende Mandatsträger auf lokaler Ebene, welche die Lebendigkeit unserer Bewegung ausmachen. Es wäre ein Irrtum, den Front National auf den Familiennamen Le Pen zu verkürzen. Das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Man kann aber auch nicht leugnen, dass Marine Le Pen für eine neue Etappe des Zuwachses gesorgt hat. Niemals haben wir ein so hohes Niveau erreicht, fast elf Millionen Stimmen, 34 Prozent. Das ist ein schöner Zuwachs, und ich hoffe, dass wir das ausweiten können, bei der Parlamentswahl und in den kommenden Jahren.
    Heinemann: Dennoch erscheint der Front National wie eine Partei, die als Dynastie organisiert ist. Gibt es eine entsprechende Partei in der Welt, außer in Nordkorea?
    Bay: Nein, das ist überhaupt nicht wahr. Marine Le Pen verfügt über eine unbestreitbare Legitimität. Sie wurde von den Mitgliedern des Front National zur Vorsitzenden gewählt. Marion Maréchal-Le Pen wurde mit absoluter Mehrheit von den Wählerinnen und Wählern des Departements Vaucluse gewählt. Wie immer in der Demokratie haben die Wähler entschieden.
    "Wir stehen für ein Europa der Zusammenarbeit"
    Heinemann: Nach dem Anschläge von London und Manchester: kann man Sicherheit im Rahmen der Nation organisieren. Oder muss man nicht weit und international zusammenarbeiten?
    Bay: Ja, man muss zusammenarbeiten. Aber Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass wir auf das verzichten müssen, was wir sind, unsere Identität und Souveränität. Andererseits benötigen wir dringend eine wirksamere Zusammenarbeit. Wir stehen für ein Europa der Zusammenarbeit. Ein Europa, das die Nationen achtet, ihre Besonderheiten und Souveränität. Das aber auch, immer wenn es notwendig ist, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern verstärkt. Mit Laxheit, der weit verbreiteten Nachgiebigkeit, werden wir den Terrorismus nicht wirksam bekämpfen können.
    Äußerungun unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.