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Generalstreik statt Siesta?

Fast drei Millionen spanische Staatsdiener sollen in diesem Jahr im Schnitt fünf Prozent weniger verdienen und 2011 auf einen Zuschlag verzichten. Regierungschef Zapatero hofft auf Unterstützung im Parlament. Die Beamten hingegen wollen nächste Woche streiken.

Von Hans-Günter Kellner | 26.05.2010
    Viele Spanier auf der Straße zeigen Verständnis für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Angesichts einer Massenarbeitslosigkeit von mehr als 20 Prozent halten viele die Klagen der Beamten über Lohnkürzungen aber auch für überzogen. Diese beiden Heizungsinstallateure vor einer Fortbildungswerkstatt im Zentrum von Madrid meinen:

    "Ich wäre gerne Beamter mit fünf Prozent weniger Gehalt. Ich habe nämlich gar keine Arbeit und muss selbst sehen, wie ich zurecht komme. Natürlich verzichtet niemand gerne auf Geld, auch nicht auf fünf Prozent. Aber so wie es dem Land derzeit geht, muss man eben den Gürtel enger schnallen."

    "Wer jetzt eine sichere Arbeit hat, wird sich nicht freuen über fünf Prozent weniger. Aber Beamte können nicht entlassen werden. Ich habe keine Arbeit, wir haben zwei Kinder. Wir müssen sparen. Was soll man denn sonst machen?"

    Im Restaurant vor dem Hauptsitz des Finanzamts in Madrid herrscht unterdessen Hochbetrieb. Das Amt hat Mittagspause, innerhalb einer halben Stunde müssen alle mit einem zweigängigen Menü versorgt werden. Während der Finanzbeamte Javier Hernández auf seine Nudeln a la Carbonara wartet, erklärt er:

    "Natürlich spüren wir, dass die Wirtschaft danieder liegt. Es werden kaum noch neue Unternehmen gegründet. Die Einnahmen im Finanzamt gehen zurück. Und immer mehr Leute beantragen, ihre Steuern in Raten abzubezahlen."

    Auch seine Kollegin Teresa Alonso sieht, wie die Steuereinnahmen in ihrer Dienststelle zurückgehen. Aber dennoch ist sie gegen die Kürzungspläne der Beamtengehälter. Noch härter trifft sie jedoch ein anderer Schnitt.

    "Jetzt ist der ganze Kapitalismus in der Krise, aber die Banken bekommen sogar Hilfen aus Steuergeldern. Uns hingegen werden die Gehälter gekürzt und ein Abkommen zum Vorruhestand aufgekündigt. Ich bin jetzt 57, wollte früher in Rente. Bei den Banken ist das ja auch möglich. Die haben Geld vom Staat bekommen, und trotzdem gibt es dort Vorruhestandsregelungen und Gehälter werden nicht gekürzt. Und die machen immer noch Gewinne."

    Rund 1.200 Euro verdient die Sachbearbeiterin im Monat, künftig werden es etwa 30 Euro weniger sein. Ihr Kollege Hernández muss bei seinem Gehalt von 1.500 Euro auf rund 50 Euro verzichten. Sieben Prozent weniger bekommen die Spitzenverdiener unter den Beamten, ein halbes Prozent beträgt die Kürzung bei den niedrigsten Gehaltsstufen der Staatsdiener. Die Ministereinkommen werden sogar um 15 Prozent gesenkt. Doch nach Meinung der beiden Finanzbeamten ließe sich an anderer Stelle besser sparen:

    "In Großbritannien haben sie den Rotstift doch auch in ganz anderen Bereichen angesetzt, zum Beispiel bei den Dienstwagen. Außerdem redet hier niemand über die Möglichkeiten, die Einnahmen zu erhöhen. Die Steuermoral hat sich zwar schon gebessert, die Leute sehen, aus Steuern werden auch Autobahnen, Bibliotheken, bezahlt. Die Steuermoral ändert sich. Aber der jüngste Immobilienboom hat auch zu mehr Steuerhinterziehung geführt. Nicht nur auf Seiten der Spanier, sondern auch bei Leuten aus dem Ausland. Unsere Küste ist voller Schwarzgeld."

    Der zweite Gang wird aufgetischt, Javier Hernández bekommt einen gebratenen Lachs, seine Kollegin ein Rindersteak. Da kommt noch mehr, schätzt Teresa Alonso, und meint damit weitere Sparpläne. Im Juni wollen die Beamten streiken, aber die Gewerkschaften drohen längst offen mit einem Generalstreik sämtlicher Beschäftigten.

    "Ich denke, es wird zum Generalstreik kommen. Die wollen ja noch mehr kürzen, auch bei den Sozialleistungen. Und die Regierung hat Gewerkschaften und Arbeitgeber aufgefordert, sich bis Ende des Monats über eine Arbeitsmarktreform zu einigen. Wenn das nicht passiert, wird die Regierung das per Dekret durchziehen. Dann haben wir einen Generalstreik, und ich werde mitmachen."

    Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero würde damit sich in einer alten spanischen Tradition wiederfinden. Die Gewerkschaften hatten auch schon gegen seine Amtsvorgänger Felipe González und José María Aznar zu Generalstreiks aufgerufen. Gründe waren auch hier: Sparmaßnahmen und Arbeitsmarktreformen.