Expertin warnt
Generation 50plus anfällig für Verschwörungstheorien

Lebensumbrüche, fehlende Medienkompetenz und gezielte Desinformation im Netz machen ältere Menschen besonders empfänglich für Esoterik und Verschwörungstheorien, sagt die Pädagogin Sarah Pohl. Von Kontaktabbrüchen rät sie ab.

    Symbolfoto zeigt eine weiße FFP2-Maske, die auf dem Bürgersteig liegt
    Während der Coronapandemie haben sich viele Menschen über 50 Verschwörungserzählungen zugeneigt. (picture alliance / pressefoto_korb / Micha Korb)
    Die über 50-Jährigen sind nach Angaben einer Expertin zufolge besonders anfällig für Esoterik und Verschwörungstheorien. Diese Generation radikalisiere sich verstärkt, erklärte die Pädagogin Sarah Pohl im Interview der "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Pohl arbeitet in der Zentralen Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen in Baden-Württemberg und hat zuletzt mit Mirijam Wiedemann das Buch "Abgetaucht, radikalisiert, verloren?" veröffentlicht.
    Während der Corona-Pandemie habe die Beratungsstelle innerhalb kürzester Zeit Hunderte Anfragen zu Verschwörungstheorien bekommen. Dabei seien es im Gegensatz zu früher nur selten Eltern gewesen, die wegen ihrer Kinder angerufen haben. Stattdessen hätten besorgte Söhne und Töchter zwischen 20 und 40 angerufen, berichtete Pohl. Deren Mütter hätten den Familien-Chat geflutet, Väter hätten versucht, ihre Kinder davon zu überzeugen, sich nicht impfen zu lassen.
    Laut Pohl springen ältere Menschen stärker auf Alternativmedizin und verschwörungsnahe Themen an. Die Radikalisierung erfolge oft schleichend, weil ihnen häufig das soziale Umfeld als Korrektiv fehle. Anfällig für Verschwörungstheorien sei die Generation 50plus vor allem aber deswegen, weil es in diesem Lebensalter häufig noch einmal einen Umbruch gebe: Die Kinder zögen aus, der Renteneintritt rücke näher. Auch Krankheit und Tod spielten eine stärkere Rolle. Im digitalen Raum würden dieser Generation außerdem seit einer Weile gezielt Angebote gemacht, die einfache Erklärungen anbieten und Sündenböcke benennen.
    Angehörigen und Freunden rät Pohl von einem Kontaktabbruch ab: Sie habe noch keinen Fall gehabt, bei dem jemand dann gesagt habe "Jetzt höre ich auf, an so was zu glauben." Für viele sei es sogar eher ein "Push", sich noch stärker an diejenigen anzubinden, die das Gleiche glaubten.
    Stattdessen helfe es, zu schauen, wo es "neutrale Inseln" gebe: "Verschaffen Sie sich Zeit, in der es nicht um das strittige Thema geht, aber in der Sie trotzdem den Kontakt halten können - zum Beispiel durch gemeinsames Kochen oder Spazierengehen." Damit verhindere man, dass jemand wirklich tief in seine Filterblase hereinrutsche.
    Diese Nachricht wurde am 09.04.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.