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Generation Crossmedia

Die klassischen Medien wie Zeitung und Rundfunk wollen im Internet in Zukunft ihr Geld verdienen. Der Journalist wird dabei zur Eier legenden Wollmilchsau und muss immer mehr vernetzt denken.

Von Kirsten Rautenberg | 20.08.2011
    Crossmedia, das heißt: Fernsehen und Radio, die Zeitung und das Internet werden nicht mehr separat bedient, sondern vernetzt. Themen werden vom Radio zum Fernsehen und von dort auf die Onlineseite gebracht – oder eben umgekehrt. Der crossmediale Journalist arbeitet mindestens für zwei Medien. Und für alle anderen Medien soll er mitdenken - seine Kollegen auf Themen hinweisen.

    Die wesentlichste Hürde dabei: der Journalist selbst. Wer es jahrelang gewohnt ist, für seine Radiowelle oder sein Programm zu arbeiten, tut sich schwer damit umzudenken. Radiojournalisten sollen plötzlich mit Fernsehkollegen Hand in Hand arbeiten. Obwohl sie doch früher Konkurrenten waren. Themen sollen ausgetauscht werden. Obwohl doch früher galt: Mein Thema gehört mir. Und Informanten sollen rausgerückt werden. Obwohl das Adressbuch doch das Kapital von Journalisten ist. Doch Lagerdenken ist passé. Bernd Klose, Redakteur bei Radio Bremen:

    "Theoretisch ist das leicht umsetzbar: Denkt gleich für die anderen mit, fertig, Punkt. Die Frage ist nur, wo führt das hin. Also führt das zur Verzettelung von Reportern oder führt das dahin, dass man im Grunde so etwas ist wie ein schweizer Taschenmesser für jedes Programm und auch alles wunderbar machen kann. Und die Frage ist: Kann man das von oben aufsetzen auf eine Landesrundfunkanstalt oder muss man das erstmal ganz tief einpflanzen in Köpfe. Vielleicht ist, damit es gelingt, ein Generationswechsel notwendig."

    Dieser Generationenwechsel ist in vollem Gange. An Journalistenschulen, Fachhochschulen und Universitäten werden künftige Journalisten für alle Medien ausgebildet. Teja Adams ist Volontär bei Radio Bremen. Seine Ausbildung: crossmedial. Kann er besser vernetzt denken?

    "Ja, gut, klar, glaube ich schon. Also diese vernetzte Denke kriege ich natürlich gleich mit reingeimpft in meiner Ausbildung, aber bei anderen muss man die schrittweise daran führen und auch vielleicht einem Fernsehkollegen mal mitgeben: hey, wenn du das und das jetzt machst, das kann man auch noch prima im Hörfunk ausspielen."

    Im Journalistikstudiengang der Hochschule Bremen wird jährlich ein crossmediales Projekt realisiert. Zwar hat die Umstellung hier nicht so lange gedauert wie in einer großen Rundfunkanstalt. Aber wie in den Redaktionen lautete auch hier das Prinzip: trial and error. Studiengangsleiterin Professor Doktor Barbara Witte:

    "Also wir haben zwar zum Teil schon in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, aber für dieses Projekt am Anfang doch uns innerlich sozusagen aufgeteilt in Hörfunk, Fernsehen, Print, Online. Und das war die Haupthürde. Und das haben wir erst dann überwunden, als wir diese Schranken haben fallen lassen und gesagt haben: Es gibt nicht mehr Hörfunk, Fernsehen, Print und Online, sondern es gibt bestimmte Themenbereiche. Das hat eine andere Struktur ergeben dadurch natürlich und das war ein bisschen schwieriger zu koordinieren, aber von den Inhalten her wesentlich besser."

    So soll es künftig auch in der Medienwelt aussehen: Nicht mehr das Medium ist entscheidend, sondern das Thema. Erst wird recherchiert und dann entschieden, wo und wie das Thema dargestellt wird. Der größte Quantensprung steht den Journalisten also noch bevor: Sich daran zu gewöhnen, dass sie nicht mehr beim Fernsehen, im Radio oder bei einer Zeitung arbeiten - sondern in einem Informationsunternehmen.