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Genetischer Fingerzeig

Medizin. - Gestern ging im südfranzösischen Montpellier der Weltkongress der Gerichtsmediziner zu Ende. Hauptthema der Forensiker waren die neuesten Fortschritte in der Analyse des menschlichen Erbguts. Denn seit der britische Biologe Alec Jeffreys Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts eher zufällig den genetischen Fingerabdruck entdeckte, ist die so genannte DNS-Typisierung zur wirksamsten Waffe der Gerichtsmediziner geworden.

09.09.2002
    Von Kay Müllges

    Doktor Quincy, der Urvater aller Fernsehgerichtsmediziner musste noch relativ konventionell Knochen vermessen, Blutgruppen bestimmen und Haare spektroskopieren, wenn er seine Fälle lösen wollte. Heute verfügen Gerichtsmediziner über eine Reihe von Verfahren den genetischen Fingerabdruck eines Menschen aus winzigen Resten von Blut, Speichel oder Sperma zu nehmen. Geht es darum, Tatortspuren einem Verdächtigen zuzuordnen ist das Verfahren unschlagbar, selbst dann, wenn die Gerichtsmediziner nur ein einziges Haar zur Verfügung haben, wie Heidi Pfeiffer vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Münster erläutert:

    Wir werden häufig mit einzelnen Spurenhaaren, die am Tatort aufgefunden werden, konfrontiert. Diese Haare sind sogenannte telogene Haare, sie weisen also keine Wurzel auf und es bleibt uns nur die mitochondriale DNA. Die mitochondriale DNA wird in mütterlicher Linie vererbt, das heißt jedes Individuum besitzt die gleiche DNA wie seine Mutter, es findet keine Rekombination statt. Und man kann jetzt, beispielsweise durch Mutter-Kind-Vergleiche oder durch Vergleich eines Spurenpaares mit dem Tatverdächtigen feststellen, ob der Tatverdächtige der Spurenleger dieses Haares ist.

    Normalerweise funktioniert das ganz gut, aber eben keineswegs immer problemlos. Auf dem Kongress in Montpellier stellte Heidi Pfeiffer den Fall eines nunmehr 19 Jahre zurückliegenden Mordes vor, den Polizei und Gerichtsmedizin mit den neuen Methoden wieder aufrollen wollten. Einzige Spur war ein einzelnes, wurzelloses Haar, von dem man sich Aufschluss erwartete. Wie man dabei vorgeht beschreibt die Wissenschaftlerin so:

    Zunächst wird diese mitochondriale DNA aus dem Haar isoliert, das heißt das Haar wird aufgelöst, in der Lösung schwimmt dann die DNA, so muss man sich das vorstellen. Die DNA wird dann amplifiziert, so nennen wir das, das ist also eine Vervielfältigung dieser Einzelstränge mit Hilfe der Polymerasen Kettenreaktion. Und anschließend wird die DNA sequenziert, das heißt wir stellen die einzelnen Basenabfolgen des DNA-Moleküls direkt im Elektroferrogramm dar, das erfolgt in einem automatischen Sequenzer und die Auswertung erfolgt dann mit Hilfe einer Computersoftware.

    Im angesprochenen Fall gab es allerdings eine zusätzliche Komplikation. Der Tatverdächtige. so stellte sich heraus, war ein eineiiger Drilling. Die DNA von eineiigen Zwillingen oder Drillingen aber unterscheidet sich nicht wirklich voneinander. Allenfalls winzige Mutationen, sogenannte Heteroplasmien, in der mitochondrialen DNA, könnten, so die Hoffnung der Münsteraner Wissenschaftler, einen der Drillinge mit dem am Tatort gefundenen Haar in Verbindung bringen. Deshalb setzten sie eine spezielle Technik ein. Heidi Pfeiffer:

    Eine verfeinerte Methode bereits ist dann das Klonieren. Man versucht also mit dieser Klonierungstechnik verschiedene DNA-Moleküle, die in diesem Gemisch aus normalen und mutierten Molekülen vorkommen, voneinander zu trennen und das geht natürlich mit der Klonierung besser, weil man eine saubere Isolierung vornehmen kann.

    Doch selbst mit dieser neuen Technik ließ sich der Fall nicht lösen. Pfeiffer:

    Wir haben bestimmte Tendenzen feststellen können, also dass einer der drei besser zu dem Haar passt, aber wir haben eben auch große Variationsbreiten gefunden, innerhalb der Haare der drei Personen.

    Und damit kommt man vor Gericht nicht weit. Denn richtigerweise gilt hier der Grundsatz in dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Die Forscher arbeiten jetzt daran, die Methode weiter zu verfeinern um in Zukunft selbst in so komplizierten Fällen vielleicht doch noch zu sicheren Ergebnissen kommen zu können.