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Genetischer Fingerzeig

Genetik. - Rund 45 000 Frauen erkranken jährlich an Brustkrebs und allzu oft ist dieser Krebs tödlich. Besonders aggressiv ist der familiäre Brustkrebs. Für ihn gibt es genetische Ursachen, die bislang noch nicht vollständig entschlüsselt wurden. Zwei Gene sind immerhin bekannt: BRCA1 und BRCA2. Was aber machen diese Gene? Darüber konnten Experten bislang nur spekulieren. Aber jetzt veröffentlicht die Fachzeitschrift "Nature" eine Studie, die zumindest die Funktion des BRCA2-Gens aufklärt.

    Unsere Erbsubstanz: das sind Millionen von Basenpaaren, A - T - C - G, diese vier Buchstaben für die Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin sind der Code für unsere gesamte biologische Existenz. Gesund sind wir allerdings nur, wenn kein Buchstabe fehlt und auch die Reihenfolge stimmt. Beim BRCA2-Gen für Brustkrebs ist die Buchstabenfolge bei manchen Menschen offenbar nicht ganz korrekt. Und das hat Folgen. Das Eiweiß, für das der Code steht, ist fehlerhaft. Warum das veränderte Protein zu Brustkrebs führt, fanden Forscher von der Cornell Universität in New York nun heraus. Das BRCA2-Eiweiß repariert normalerweise unsere Erbsubstanz. Die Forscher erkannten das, weil sie die Struktur des Eiweiß genau untersuchten.

    Was man auch sehen konnte, dass in dieser Struktur Bindungsstellen sind für die DNA, also für die Erbsubstanz. Das ist eine ganz entscheidende Antwort auf die Frage, ob BRCA2 direkt involviert ist in die Reparatur von Schäden der Erbsubstanz, die im Zuge jeder Zellteilung vorkommen können und das ist an sich der erste direkte Beweis dafür, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Schädigung in diesem BRCA2 Gen und dann einem geschädigten Eiweiß und dann einer Fehlfunktion in der Reparatur von genetischen Schäden.

    Peter Dall forscht an der Universität Düsseldorf an Brustkrebs. Er kennt die Forschungsergebnisse seiner Kollegen in New York genau. Sie haben das BRCA2-Eiweiß mit Hilfe der Kristallographie untersucht. Durch dieses komplizierte Verfahren konnten die Forscher genau sehen, wie die einzelnen Atome in diesem Eiweiß angeordnet waren. Sie sahen praktisch, wo BRCA2 an die DNA bindet, um die Fehler zu reparieren. Und Fehler gibt es ständig, bei jeder Zellteilung. Dass sie nicht bei allen Menschen zu Krebs führen, liegt an Reparatursystemen wie dem BRCA2-Eiweiß. Bei manchen Brustkrebspatientinnen funktioniert dieses System leider nicht mehr. Dall:

    Das erklärt auch, warum diese Patientinnen so früh an Krebs erkranken, weil das ein so grundlegendes Problem ist, wenn die Reparatur von jeden Tag millionenfach ablaufenden Zellteilungen und Vermehrungen der Erbsubstanz und Kopien der Erbsubstanz fehlgesteuert abläuft.

    In gewisser Weise haben aber auch Patientinnen mit dem fehlerhaften BRCA2-Gen noch Glück im Unglück. Denn es gibt noch andere Reparatursysteme in der Zelle, die zumindest einen Teil der Arbeit von BRCA2 mit übernehmen können. Dall:

    Es gibt in der Zelle bei allen Arten, nicht nur beim Menschen, so entscheidende Schlüsseleiweiße, die tatsächlich nicht hundertprozentig ersetzt werden. Dass es in einem gewissen Teil ersetzt werden kann, zeigt ja die Tatsache, dass ja diese Patienten nicht im ersten Lebensjahr vielfache Krebserkrankungen haben. Dass heißt auch hier gibt es gewisse Schutzmechanismen, dass nicht sofort die Krebserkrankung entsteht. Hier muss auch eine bestimmte zufällige Kombination von Schädigungen eintreten, damit aus einer Zelle eine Krebszelle wird. Aber trotzdem zeigt das enorm frühe Erkrankungsalter von Patientinnen mit Brustkrebs oder Eierstockkrebs, dass hier ein enorm wichtiger Teilabschnitt in der Zellfunktion ist.

    Die ganze Forschung macht nur dann Sinn, wenn auch die Brustkrebspatientinnen etwas davon haben. Die Humangenetiker wissen nun, dass sie bei genetischen Untersuchungen in einigen Bereichen des BRCA2-Gens ganz genau hinschauen müssen. Dall:

    Bei Patientinnen, die ein erhöhtes familiäres Risiko für Brustkrebs haben, sollte man speziell diese Region am C-terminalen Ende des Eiweißes, wo diese DNA-Bindung stattfindet besonders genau unter die Lupe nehmen, ob hier Störungen im genetischen Code vorhanden sind oder nicht.