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"Genfrei Gehen"

Mit der Aktion "Genfrei Gehen" möchte ein Naturkostunternehmer gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel protestieren. Gemeinsam mit vielen Mitwanderern plante er einen Fußmarsch von Berlin nach Brüssel, um der Gentechnik-Lobby die rote Karte zu zeigen.

Von Dieter Nürnberger |
    Die Veranstalter rechnen zum Start dieses "Genfrei Gehen"-Laufes mit immerhin einigen 100 Teilnehmern hier in Berlin. Sie starten heute Vormittag vor dem Schloss in Charlottenburg. Es ist die erste Etappe von insgesamt 38 Etappen - und am Ende wollen die Teilnehmer dann in Brüssel eintreffen. Bewegung oder auch Sport wird also verbunden mit einem politischen Engagement gegen die Nutzung der grünen Gentechnik in Europa.

    Initiator ist der begeisterte Freizeitläufer Joseph Wilhelm, gleichzeitig ist er vom Vorstand des Rapunzel-Naturkost-Unternehmens. Und er hofft in diesem Zusammenhang nicht nur auf ein Engagement auf der Laufstrecke:

    "Jede und jeder kann was tun. Es gibt keine Ausrede. Es fängt beim Einkauf im Supermarkt an. Dort können die Kunden immer wieder nachfragen - bei der Verkäuferin, auch beim Marktleiter; ihrer Ablehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln Ausdruck verleihen. Das ist die praktische Ausübung der Konsumentenmacht, die wir tatsächlich haben, aber die meist nicht nutzen."

    Gekommen war auch Renate Künast, die ehemalige Verbraucher- und Agrarministerin unter Rot-Grün. Sie betonte - wie so oft in ihren Regierungsjahren - vor allem die Wahlfreiheit, die Konsumenten haben sollten. Die Lobbypolitik der Gentechnikbefürworter ziele jedoch auf das Gegenteil.

    "Das ist nicht einfach nur ein Nein zu irgendeiner Technologie. Es ist ein Ja dazu, unsere Grundlagen zu erhalten; nicht abhängig zu werden von Patenten einzelner Unternehmen. Alle kennen ja Microsoft: Immer wenn ein Computer eingeschaltet wird, erscheint meist Microsoft. Ich will nicht, dass Monsanto das wird, was Microsoft für die Computerbranche ist."

    Engagement auf diesem Gebiet lohne sich durchaus, sagte Renate Künast. Sie erinnerte daran, dass vor allem Proteste nun auch bei ihren Nachfolgern im Amt für ein Umdenken gesorgt hätten.

    "Der erste Erfolg ist, dass Mon 810, jener gentechnisch veränderte Mais, von Ilse Aigner wieder zugenommen werden musste. 2005 war die noch eine Art Morgengabe an den Konzern Monsanto. Horst Seehofer hatte dies damals zugelassen - wider besseres Wissen, als eine Art Bückling vor der Industrie. Nun mussten sie, weil so viele Menschen in Stadt und Land aktiv waren, einsehen, dass es so nicht geht - und die Zulassung wieder zurücknehmen."

    Allerdings machten die Veranstalter darauf aufmerksam, dass dieses Verbot nur ein Etappensieg sei. Zudem sei das Verbot ja auch nur temporärer Art. Man hatte heute Vormittag auch andere prominente Unterstützung. Robert Atzorn, der bekannte Schauspieler, war ebenfalls dabei. Er gab zu, dass das Thema Gentechnik lange Zeit an ihm vorbeigegangen sei. Man müsse aber was tun, sagte er. Es sei sozusagen erste Bürgerpflicht.

    "Mir ist schlecht geworden, als ich merkte, wie weit das schon fortgeschritten ist. Was da alles auf dem Markt ist, was auch nicht entsprechend ausgezeichnet wird. Ich verstehe da auch Politiker wie Herrn Seehofer nicht. Ich verstehe überhaupt nicht, wie es soweit kommen konnte."

    Die Initiative "Genfrei Gehen" will also etwas bewegen. Die Veranstalter sind auch selbstbewusst genug, zu glauben, dass die große Mehrheit der Bürger oder der Verbraucher den Zielen der Initiative zustimmt. Christoph Fischer ist selbst Landwirt aus der Nähe von Rosenheim. Er sagt, dass gerade in politisch konservativen Landstrichen in Deutschland längst ein Umdenken begonnen habe.

    "Unsere Bauern, unsere Trachtenvereine, die Gebirgsschützen, die Landfrauen - all die Organisationen, die bisher gedacht haben, das ist lediglich ein Thema für die so genannte Müslifraktion oder auch für Ewiggestrige, die haben es inzwischen auch längst erkannt. Es geht nämlich um die Bewahrung unserer Heimat und auch unserer Strukturen."

    Die Initiative "Genfrei Gehen" startet also heute. Es sind noch 38 Etappen bis Brüssel, der "Hauptstadt der Lobbyisten" wie es auch hieß. Am 30. Juni wollen die Läufer und Geher gegen die Gentechnik dort eintreffen.