Frühes Licht durch eine Schaufensterscheibe, auf eine Wanduhr und eine Registrierkasse. Flaschen und Reklameschilder werfen lange Schatten, die weiße Kante eines Holzhauses stößt ans grünsamtene Dunkel dichter Bäume. Darüber ein kleines Dreieck blauer Himmel. Ringsum kein Mensch. Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung. - Das ist die Botschaft von Edward Hoppers Bild "Seven A. M." aus dem Jahr 1948. Natürlich ist diese Welt keineswegs in Ordnung, sondern die Menschen müssen - jeder für sich - damit zurecht kommen, wie Hopper selbst.
Das wirft die Frage auf: Sind alle seine Bilder vielleicht Selbstporträts, Abbilder seiner Einsamkeit, seines Unglücks? Die Ausstellung aus dem New Yorker Whitney Museum will genau diese Identifizierung der Hopper'schen Stimmung mit seinem eigenen Schicksal in Frage stellen. Sie konfrontiert 13 Hauptwerke aus dem Whitney, wo der Nachlass des Künstlers liegt, mit Werken anderer amerikanischer Regionalisten, mit den stark durch die Ismen Europas beeinflussten Modernisten und schließlich den sogenannten "Precisionisten", die dem Sog und Pathos der Industriekathedralen frönten, ohne sich um die Lage der dort arbeitenden Klassen zu kümmern. Solche Melange aus städtischer Hektik und bäuerlicher Beschaulichkeit, utopischen Bilderfindungen und engagierter Malerei taucht die Monade Hopper in neues Licht.
Hopper war kein Erfinder, sondern Beobachter. Geradezu obsessiv studierte er seine Motive - Häuserecken und Bahngleise, Balkone und Fenster - alles Bühnen, die gleichsam darauf warten, dass menschliche Dramen stattfinden. Doch nicht der inzwischen geläufige Hopper-Kult wird in Hamburg neu aufgewärmt, sondern es wird begreiflich, dass der Kultkünstler nicht nur genialer Einzelgänger, sondern auch vor allem Zeitgenosse war. Die Ausstellung "Modern Life" präsentiert ihn - erstmals in Europa - im verwirrend-wirbeligen Kontext seiner Generation, mitten in allen möglichen Szenerien des "American Dream", zwischen Depression und New Deal: Haupt- und Staataktionen unterm Sternenbanner, Genres von der Lower East Side, bei denen Zille oder Dix Pate gestanden haben könnten, Welttheater und Tingeltangel à la Beckmann, Taumel und Gedränge auf Rummelplätzen, in Boxringen und Spielcasinos. All dies grell oder betulich, pathetisch-pastos oder detailliert-gepinselt ins Bild gesetzt - von einschlägigen, hier nur selten gezeigten US-Künstlern wie Reginald Marsh oder George Bellows, Charles Sheeler oder Marsden Hartley. Allein Georgia O´Keeffe mit ihren vornehmen Blumen- und Vaginal-Arabesken will sich diesem Schema nicht fügen. Umso mehr aber die klassischen Fotografien von Alfred Stieglitz und Edward Steichen, Berenice Abott, Margaret Bourke-White und vielen anderen. Große Schwarz-Weiß-Momente aus Zirkus und Vergnügungspark, verqualmten Fabriken und Bahnhöfen, flüchtige Blicke in Kinofoyers und Hotelzimmer, Bordelle und Hinterhöfe. Und dazwischen Hoppers Bilder wie gespannte Ruhepunkte.
Wim Wenders, der deutsche Filmemacher mit Amerikaneigung, hat einmal gesagt: "Jedes Bild ist der Anfang eines Films". Dies gilt für die Gemälde und Zeichnungen Edward Hoppers ganz besonders. Sie haben eine Sogwirkung, der man sich ihnen nicht entziehen kann, wie die Ruhe vor dem Sturm. Hopper setzt die Imagination in Betrieb, und genau dies macht ihn doch zum Sonderfall: Weder Realist noch Abstrakter verstand er es, eine tiefe menschliche Erfahrung ins Bild zu setzen: die Idee der Einsamkeit, des Alleinseins, der Geworfenheit in die Welt, wie es deutsche Lebens- und Existenzphilosophen vordachten.
Hoppers Bilder, die fast noch einsamer werden, wenn Menschen auftreten, sind dennoch alles andere als depressiv. Er konfrontierte die Klischees des amerikanischen Traums mit melancholischen Bildern des Alltags. Er verband die Vergänglichkeit des Augenblicks mit einem Hauch von Ewigkeit. Im Kontrast zur episodischen Geschwätzigkeit vieler seiner Zeitgenossen, schärft die Hamburger Ausstellung den Blick aufs Überzeitliche von Hoppers Malerei. Kein ganz neuer, aber doch ein tieferer, vergleichender Blick. Auch für viele Hopper-Maniacs.
Das wirft die Frage auf: Sind alle seine Bilder vielleicht Selbstporträts, Abbilder seiner Einsamkeit, seines Unglücks? Die Ausstellung aus dem New Yorker Whitney Museum will genau diese Identifizierung der Hopper'schen Stimmung mit seinem eigenen Schicksal in Frage stellen. Sie konfrontiert 13 Hauptwerke aus dem Whitney, wo der Nachlass des Künstlers liegt, mit Werken anderer amerikanischer Regionalisten, mit den stark durch die Ismen Europas beeinflussten Modernisten und schließlich den sogenannten "Precisionisten", die dem Sog und Pathos der Industriekathedralen frönten, ohne sich um die Lage der dort arbeitenden Klassen zu kümmern. Solche Melange aus städtischer Hektik und bäuerlicher Beschaulichkeit, utopischen Bilderfindungen und engagierter Malerei taucht die Monade Hopper in neues Licht.
Hopper war kein Erfinder, sondern Beobachter. Geradezu obsessiv studierte er seine Motive - Häuserecken und Bahngleise, Balkone und Fenster - alles Bühnen, die gleichsam darauf warten, dass menschliche Dramen stattfinden. Doch nicht der inzwischen geläufige Hopper-Kult wird in Hamburg neu aufgewärmt, sondern es wird begreiflich, dass der Kultkünstler nicht nur genialer Einzelgänger, sondern auch vor allem Zeitgenosse war. Die Ausstellung "Modern Life" präsentiert ihn - erstmals in Europa - im verwirrend-wirbeligen Kontext seiner Generation, mitten in allen möglichen Szenerien des "American Dream", zwischen Depression und New Deal: Haupt- und Staataktionen unterm Sternenbanner, Genres von der Lower East Side, bei denen Zille oder Dix Pate gestanden haben könnten, Welttheater und Tingeltangel à la Beckmann, Taumel und Gedränge auf Rummelplätzen, in Boxringen und Spielcasinos. All dies grell oder betulich, pathetisch-pastos oder detailliert-gepinselt ins Bild gesetzt - von einschlägigen, hier nur selten gezeigten US-Künstlern wie Reginald Marsh oder George Bellows, Charles Sheeler oder Marsden Hartley. Allein Georgia O´Keeffe mit ihren vornehmen Blumen- und Vaginal-Arabesken will sich diesem Schema nicht fügen. Umso mehr aber die klassischen Fotografien von Alfred Stieglitz und Edward Steichen, Berenice Abott, Margaret Bourke-White und vielen anderen. Große Schwarz-Weiß-Momente aus Zirkus und Vergnügungspark, verqualmten Fabriken und Bahnhöfen, flüchtige Blicke in Kinofoyers und Hotelzimmer, Bordelle und Hinterhöfe. Und dazwischen Hoppers Bilder wie gespannte Ruhepunkte.
Wim Wenders, der deutsche Filmemacher mit Amerikaneigung, hat einmal gesagt: "Jedes Bild ist der Anfang eines Films". Dies gilt für die Gemälde und Zeichnungen Edward Hoppers ganz besonders. Sie haben eine Sogwirkung, der man sich ihnen nicht entziehen kann, wie die Ruhe vor dem Sturm. Hopper setzt die Imagination in Betrieb, und genau dies macht ihn doch zum Sonderfall: Weder Realist noch Abstrakter verstand er es, eine tiefe menschliche Erfahrung ins Bild zu setzen: die Idee der Einsamkeit, des Alleinseins, der Geworfenheit in die Welt, wie es deutsche Lebens- und Existenzphilosophen vordachten.
Hoppers Bilder, die fast noch einsamer werden, wenn Menschen auftreten, sind dennoch alles andere als depressiv. Er konfrontierte die Klischees des amerikanischen Traums mit melancholischen Bildern des Alltags. Er verband die Vergänglichkeit des Augenblicks mit einem Hauch von Ewigkeit. Im Kontrast zur episodischen Geschwätzigkeit vieler seiner Zeitgenossen, schärft die Hamburger Ausstellung den Blick aufs Überzeitliche von Hoppers Malerei. Kein ganz neuer, aber doch ein tieferer, vergleichender Blick. Auch für viele Hopper-Maniacs.