Peter Struck, Fraktionsvorsitzender der SPD, erwartet viel von dem Paket.
"Wir glauben, dass mit diesem Konjunkturpaket II die Folgen der Weltwirtschaftskrise abgemildert werden für unser Land. Andere Staaten haben viel größere Probleme, auch europäische Staaten, von den USA gar nicht zu reden, das heißt, dass wir mit diesen Maßnahmen die Folgen abmildern können, aber wie es im einzelnen weitergeht, das kann keiner einschätzen. Das hängt davon ab, wie verhält sich Indien, wie verhält sich China, wie verhalten sich die USA und andere Staaten. Aber ich glaube schon, dass wir unser Ziel erreichen können, so gut wie möglich aus dieser Krise rauszukommen."
Kernstück des Paketes ist ein öffentliches Investitionsprogramm von rund 18 Milliarden Euro. Das Geld fließt in die Sanierung von Schulen und Hochschulen, aber auch in die Sanierung von Verkehrswegen oder den Ausbau der Breitbandtechnologie für einen schnellen Internetzugang. Zudem werden die Bürger bei Steuern und Abgaben entlastet. Der Eingangssteuersatz soll von 15 auf 14 Prozent gesenkt werden. Der steuerfreie Grundfreibetrag wird auf 8.000 Euro angehoben. Mit der Forderung nach einem höheren Steuersatz für Spitzenverdiener konnten sich die Sozialdemokraten nicht durchsetzen.
Sozialdemokrat Struck spricht nach der nächtlichen Verhandlungsrunde trotzdem von einem guten Tag für Deutschland.
"Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist einen Kinderbonus von 100 Euro pro Kind in Deutschland zu vereinbaren, für jedes Kind in Deutschland, auch dass wir erreichen konnten, dass eine Regelsatzerhöhung für Kinder von Arbeitslosengeld-II-Beziehern erfolgen kann."
Die Union konnte dagegen durchsetzen, dass der gerade erst auf 15,5 Prozent festgelegte Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung wieder gesenkt wird - um 0,6 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent. Das entspricht den Vorstellungen der Union. Deren Fraktionschef Volker Kauder:
"Bei der Krankenversicherung wird der Beitrag paritätisch abgesenkt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer."
Die Sozialdemokraten wollten ursprünglich den alleine von den Arbeitnehmern und Rentner getragenen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent abschaffen.
Um der angeschlagenen Automobilindustrie unter die Arme zu greifen kommt die so genannte Abwrackprämie. Wer ein mindestens neun Jahre altes Fahrzeug abmeldet und einen umweltfreundlichen Neuwagen kauft, erhält 2.500 Euro.
Außerdem hat die Koalition einen 100-Milliarden-Euro- Rettungsschirm für Unternehmen mit Finanzierungsproblemen vereinbart. Sie sollen staatliche Bürgschaften oder Kredite erhalten. Eine Beteiligung des Staates an Unternehmen gibt es nicht.
Von einer Ausnahmesituation spricht Volker Kauder. Er betont: das Paket sichere Zukunftschancen.
"Wenn wir das nicht in Angriff nehmen, was wir jetzt gestern Nacht beschlossen haben, dann besteht die Gefahr, dass uns in Deutschland ein Teil unserer industriellen Basis wegbrechen könnte. Ich sag mal beispielsweise bei der Automobilindustrie. Und die Arbeitsplätze sind ja auch Zukunftsperspektive für die junge Generation. Wenn wir im kommunalen Bereich für die Sanierung von Schulen sorgen, dann dient dies auch der jungen Generation. Wir haben also einen Schwerpunkt des Programms in Investitionen. Und für das ausgegebene Geld hat die junge Generation ja auch einen Gegenwert."
Der Staat muss die zusätzlichen Ausgaben von insgesamt 50 Milliarden Euro über den Kapitalmarkt finanzieren. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zu den Beschlüssen aus der vergangenen Nacht, die für 2009 und 2010 gelten:
"Ein konjunktureller Impuls kann nur entstehen, wenn tatsächlich zusätzliches Geld in die Wirtschaft gepumpt wird. Und das heißt eben, man muss Schulden machen. Wenn man es gegen finanzieren würde, durch höhere Steuern, dann würde sich der Effekt fast wieder ausgleichen."
Die Neuverschuldung des Bundes könnte in diesem Jahr nun deutlich stärker steigen als geplant. Steffen Kampeter, CDU-Haushaltsexperte, erwartet sogar eine Nettokreditaufnahme von 60 Milliarden Euro.
Die Zeit drängt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will bereits Ende Januar einen Nachtragshaushalt einbringen. Für die Rückzahlung der zusätzlichen Schulden kann er eine neue Quelle anzapfen - die Bundesbank. Bislang musste die Bundesbank jedes Jahr bis zu 3,5 Milliarden Euro ihres Gewinns an den Erblastentilgungsfonds abführen. Der Fonds umfasste die Restschulden der DDR und ist 1995 mit einem Schuldenstand von umgerechnet 171 Milliarden Euro errichtet worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Und der ist jetzt getilgt und zwar mit einer Maßnahme, dass alle Bundesbankgewinne, die über 3,5 Milliarden Euro lagen, immer zur Tilgung dieses Fonds verwendet wurden. Das haben wir jetzt geschafft."
Damit endet fast zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ein schwieriges Kapitel der deutschen Finanzgeschichte. Zumindest die Schulden der DDR sind getilgt.
Dort, wo die Banken ihre Aufgaben nicht ausreichend erfüllten, springe der Staat mit dem jetzt beschlossenen Kredit- und Bürgschaftsprogramm ein, erläutert die Kanzlerin. Dafür stünden bis zu 100 Milliarden Euro zur Verfügung, bereitgestellt von der staatseigenen Förderbank KfW.
Zudem garantiert der Bund die Bankeinlagen der privaten Sparer und bürgt für die Darlehen der Exportwirtschaft über die Kreditversicherung Hermes. Wegen der weltweiten
Wirtschaftskrise gehen die Bestellungen aus dem Ausland stark zurück. Den Unternehmen drohen Zahlungsverzögerungen, womöglich Zahlungsausfälle, für die der Bund dann geradestehen muss.
Die Bundesregierung hat Exportgeschäfte im Wert von rund 100 Milliarden Euro abgesichert. Das Entschädigungsrisiko aus den Exportkreditgarantien beträgt nach Angaben des
Wirtschaftsministeriums rund 57 Milliarden Euro. Zudem schlummern die Risiken aus der Bankenkrise im Haushalt. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.
"Wir werden erleben, dass die Schulden des Staates gemessen am Inlandsprodukt steigen, und zwar kräftig steigen, wobei noch völlig unklar ist, inwieweit es wirklich zu Schulden kommt, dadurch, dass Garantien des Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch genommen werden. Es geht da um maximal 400 Milliarden [Euro]. Und es ist dringend zu raten, bei dem nächsten Aufschwung etwas dagegen zu tun und eben dahin zu wirken, dass genau das nicht passiert, dass wir nämlich die Aktion jetzt bezahlen mit einem schwächeren Wachstum in der Zukunft."
Angesichts derartiger Risiken und einer solchen hohen Neuverschuldung versuchen die Politiker sich selbst zu disziplinieren. Neue Schulden solle es nur noch geben, wenn deren Tilgung auch verbindlich festgeschrieben sei. In guten Zeiten dürfe sich der Staat maximal mit einem halben Prozent verschulden.
In konjunkturell schlechten Zeiten dürfe der Staat auch höhere Schulden machen, vorausgesetzt, er verpflichte sich, die Schulden in einer Phase des Wirtschaftsaufschwungs wieder zurückzuzahlen. Dazu ist aber ein Bundestagsbeschluss nötig.
Die Große Koalition will nun eine solche gesetzliche Schuldenbremse einführen. Volker Kauder heute morgen.
"Wir haben vereinbart, dass wir eine Schuldenbremse grundgesetzlich verankern, dass wir in dem Augenblick, wo wir wieder Wirtschaftswachstum haben, ein Teil des Wirtschaftswachstums genommen werden muss zur Tilgung."
Die bisherigen Möglichkeiten hätten sich als untauglich erwiesen, sagt Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
So verbiete das Grundgesetz eine Nettokreditaufnahme, die höher ausfalle als die staatlichen Investitionen. Und der Vertrag von Maastricht deckelt die Neuverschuldung auf maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aber:
"Gegen den Maastricht-Vertrag hat die Bundesregierung gleich fünf Mal hintereinander verstoßen. Und der Artikel 115 [im Grundgesetz] hat sich als untauglich erwiesen. Denn er erlaubt durchaus Ausnahmen von dieser Regel, wenn ein wirtschaftliches Ungleichgewicht herrscht, und die ketzerische Frage, die daraus folgt, ist: Wann haben wir ein wirtschaftliches Gleichgewicht? - Das ist im Grunde genommen ein Gummi-Paragraph, der sich in der Vergangenheit zumindest als Schuldenbremse total als untauglich und unwirksam erwiesen hat."
Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes hat der Bund in den vergangenen 25 Jahren 609 Milliarden Euro an neuen Krediten aufgenommen. In keinem einzigen Jahr ist ein Ausgleich des Haushaltes erreicht worden, ohne neue Kredite aufzunehmen.
Die nun geplante Schuldenbremse könnte den Anstieg der neuen Verschuldung bremsen. Doch wie soll der Staat jemals seine alten Kredite tilgen?
Bereits jetzt ist der Bund mit über 930 Milliarden Euro verschuldet. Bund, Länder und Kommunen stehen gemeinsam sogar mit 1.500 Milliarden Euro in der Kreide. Durchschnittlich sind das über 18.400 Euro Schulden pro Bundesbürger. Wegen der demographischen Entwicklung verteilen sich die Schulden in Zukunft auf immer weniger Steuerzahler. Wie die Schulden irgend wann einmal zurückgezahlt werden, ist vollkommen unklar.
Der Staat kann zwar Subventionen kürzen, Staatsvermögen verkaufen, die Steuern wieder erhöhen und Ausgaben kürzen. Doch eine Patentlösung gibt es nicht. Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft.
"Wir haben hier im Institut sogenannte Tragfähigkeitsanalysen durchgerechnet, und wir sind schon zu dem Ergebnis gekommen, dass die sogenannte implizite Staatsverschuldung sogar noch höher ist, die impliziten Staatsverschuldung in den sozialen Sicherungssystemen enthalten ist, und die in Zukunft ebenfalls virulent wird. Die liegt sogar bei rund 250 bis 300 Prozent - je nachdem, was man ansetzt - des Bruttoinlandsproduktes. Wir haben da die 60-Prozent-Marke des Maastrichter Vertrages schon weit hinter uns gelassen. Aber in der Tat, ich überlege auch, wie und wo kann man diese Schulden irgendwann wieder zurückzahlen. Mir ist bisher da wenig eingefallen."
Einen Staatsbankrott oder eine Währungsreform mit der Entwertung von Schulden hält der Ökonom jedoch für abwegig. So beängstigend diese Zahlen auch sind: Der Finanzminister hat zwei heimliche Verbündete, die ihm beim Schuldenabbau helfen. Erstens: die schleichende Geldentwertung - also die Inflation. Und zweitens: die Zeit.
Baut der Staat zum Beispiel eine Autobahn für hundert Millionen Euro und zahlt den Kredit nach dreißig Jahren zurück, dann ist das Geld - bei durchschnittlich zwei Prozent Inflation - nur noch die Hälfte wert.
"Wenn wir mit Inflationsraten von zwei Prozent rechnen - das ist das Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank - dann ergibt sich auch ein realer Gewinner bei den Schuldnern. Der Staat ist Gewinner in solch einer Rechnung. Selbst bei Preisstabilität sinkt der Realwert dessen, was zurückgezahlt werden muss."
Sagt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Die Inflation knabbert an den Ersparnissen. Das ist gut für die Schuldner, aber schlecht für die Gläubiger.
Kein Wunder also, dass die Kreditgeber einen Zinssatz
verlangen, der möglichst über der Preissteigerungsrate liegt. Bislang konnten die Gläubiger ihr Geldvermögen vermehren. Doch das wird immer schwieriger. Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben die Notenbanken rund um den Globus die Finanzmärkte mit Geld geflutet. Sie haben die Zinssätze für Kredite an Geschäftsbanken drastisch gesenkt. Die Ökonomen sprechen von einer Nullzinspolitik.
Zudem haben auch die anderen Industriestaaten umfangreiche Konjunkturprogramme aufgelegt, allesamt auf Pump finanziert. Die Regierungen verschulden sich, um eine schwere Rezession zu vermeiden. Am Kapitalmarkt, wo sich die Staaten das Geld besorgen, rutschen die Renditen in den Keller. Die Nachfrage nach Staatsanleihen mit guter Bonität ist riesig. Die Kurse steigen, die Wertpapiere werden immer teurer.
Die Folgen liegen auf der Hand. Die Sparer bekommen immer weniger Zinsen für ihre Ersparnisse. In Deutschland bringt eine Bundesanleihe, die nach 32 Jahren - also im Jahr 2040 - vom Staat getilgt und damit zurückgezahlt wird, gerademal eine Nettorendite von 2,75 Prozent - nach Abzug von Abgeltungs- und Solidaritätssteuer.
In den USA beträgt die Rendite 30jähriger Staatsanleihen weniger als drei Prozent. Dort dürfte das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 1.200 Milliarden Dollar steigen. Gustav Horn.
"Zunächst muss man sagen. Die Zahlen klingen gewaltig. Sie sind es auch. Aber die USA hatten schon einmal 9 Prozent Staatsverschuldung [gemessen am Bruttoinlandsprodukt]. Das ist nicht einmal historisch eine einmalige Situation. Es bedeutet, dass man dann, wenn man diese Krise bewältigt hat, über Jahre hinweg auch in der Tat den Haushalt konsolidieren muss. Das heißt der Spielraum für neue Aktivitäten wird dann relativ gering sein, oder man muss eben auf alte Aktivitäten verzichten, um diese Spielräume wieder zu gewinnen."
Das dürfte auch die Blaupause für den Deutschen Haushalt sein. Nach den üppigen Konjunkturpaketen muss der Staat wieder sparen - und das werden auch die Bürger wieder zu spüren bekommen. Henrik Enderlein lehrt an der "Hertie School of Governance" in Berlin.
"Wir müssen bis 1929 zurückgehen, um über Konjunkturpakete zu sprechen, die die Dimension von heute erreichen. 1929 endete das Ganze dann irgendwann in Krieg; wir gehen davon aus, dass das heute nicht der Fall sein wird. Und deshalb fällt es uns schwer zu sagen, wie viel wir tatsächlich investieren müssen. Ich bin der Ansicht, es ist besser, jetzt viel Geld in die Hand zu nehmen, um dann gegebenenfalls sehr schnell wieder Steuern zu erhöhen oder die Steuersenkungen rückgängig zu machen, weil man merkt, die Wirtschaftslage verbessert sich wieder."
Schnell soll es nach dem Willen der Großen Koalition tatsächlich gehen. Gestern Nacht fassten die Spitzen der Großen Koalition die Beschlüsse, heute stellten sie ihr Vorhaben den Fraktionen vor - und bereits morgen gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung im Bundestag ab. Die Eile ist notwendig. Denn erst wenn das Konjunkturpaket das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat und Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben, kann es in Kraft treten - und seine Wirkung entfalten.
Doch es ist keinesfalls sicher, ob dies alles reibungslos verlaufen wird. Union und SPD würden schon am kommenden Wochenende im Bundesrat ihre Mehrheit verlieren, wenn die CDU - wie erwartet - in Hessen eine Koalition mit der FDP eingeht. Dann müsste die Große Koalition zusätzlich auch noch die Liberalen von dem Konjunkturpaket überzeugen. Diese haben schon deutlich gemacht, was sie davon halten.
FDP-Chef Guido Westerwelle kritisiert, dass der Bundesregierung der Mut fehle, die Bürger spürbar zu entlasten. Die jetzt vorgesehene Entlastung pro Haushalt sei viel zu gering, um die Konjunktur zu stabilisieren. Der Ökonom Enderlein widerspricht ihm.
"Steuersenkungen haben auch immer etwas mit Psychologie zu tun. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man sagt den Leuten, ihr bekommt 51 Euro im Jahr zusätzlich, dann wird niemand gleich zum Media Markt rennen und einen neuen Computer kaufen. Aber das Signal ist wichtig. Es kann auch ein Signal an die Bevölkerung kommen, wir werden euch jetzt nicht noch weiter belasten, die Krise trifft euch nicht direkt."
Genau auf diesen psychologischen Effekt setzen die Regierungen mit ihren Steuer- und Abgabensenkungen. Die Denkrichtung: Wenn die Menschen Vertrauen in eine bessere Zukunft haben, geben sie ihr Geld aus und steigern so die Nachfrage. Bei klassischen Konjunkturprogrammen investiert der Staat oft in die Infrastruktur. So auch diesmal. Der Berliner Senat etwa hatte bereits Ende des vergangenen Jahres ein eigenes Konjunkturprogramm beschlossen. 50 Millionen Euro sollen in die Sanierung von Schulen fließen.
Gerade wird darüber beraten, wie das Geld aus dem Konjunkturpaket II eingesetzt werden kann. Das Land Berlin will es für weitere Investitionsmaßnahmen ausgeben, aber auch für neue Technik in Schulen und Hochschulen, so Senatssprecher Richard Meng. Für ihn ist klar: Berlin könnte schnell los legen. Ein Problem sieht er jedoch:
"Sie müssen natürlich berücksichtigen, es gibt Ausschreibefristen. Sie können nicht einfach eine Baufirma anrufen und sagen: Legen sie los! Das können sie bei ganz kleinen Beträgen mit einer beschränkten Ausschreibung. Sie müssen aber ab 200.000 Euro europaweit ausschreiben. Das dauert in der Regel ein Vierteljahr."
Das haben auch die Koalitionäre bedacht. Im zweiten Konjunkturpaketes ist vorgesehen, die Vergaberichtlinien zu lockern. Doch Kritiker befürchten, dass auf diese Art die Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund gedrängt - und das alles für den Staat und die Steuerzahler teuer werden könnte.
Die Baubranche dürfte davon ganz besonders profitieren. Doch befürchten Kenner, die Bauunternehmen könnten die hereinbrechende Auftragsflut nicht bewältigen. Wegen der starken Nachfrage könnten auch die Preise steigen.
Zur Zeit sitzt die Branche ohnehin noch auf einem relativ dicken Auftragspolster.
Hinzu kommt: die Branche ist seit ihrer schweren Krise in den 90er Jahren stark geschrumpft. Heute arbeiten nur noch etwa 700.000 Beschäftigte in der Bauindustrie - vor der Krise waren es etwa doppelt so viele. Herbert Bodner ist Präsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und weist die Befürchtungen zurück.
"Schon jetzt melden 31 Prozent aller Bauunternehmen Auftragsmangel, freie Kapazitäten sind also jetzt schon vorhanden, und fast jedes zweite Unternehmen rechnet für die nächsten Monate mit einer Verschlechterung der Geschäftslage."
Meng: "Ein Problem, was wir in Berlin auch haben, ist, dass die Bauwirtschaft in den letzten Jahren ihre Kapazitäten ja ein Stück zurückgefahren hat, manche die Sorge haben, ob die überhaupt in der Lage sind, so viel zu bauen, wie wir beauftragen."
Die ersten Schritte sind getan, jetzt ist das Parlament am Zug. Gleich morgen geht es los.
"Wir glauben, dass mit diesem Konjunkturpaket II die Folgen der Weltwirtschaftskrise abgemildert werden für unser Land. Andere Staaten haben viel größere Probleme, auch europäische Staaten, von den USA gar nicht zu reden, das heißt, dass wir mit diesen Maßnahmen die Folgen abmildern können, aber wie es im einzelnen weitergeht, das kann keiner einschätzen. Das hängt davon ab, wie verhält sich Indien, wie verhält sich China, wie verhalten sich die USA und andere Staaten. Aber ich glaube schon, dass wir unser Ziel erreichen können, so gut wie möglich aus dieser Krise rauszukommen."
Kernstück des Paketes ist ein öffentliches Investitionsprogramm von rund 18 Milliarden Euro. Das Geld fließt in die Sanierung von Schulen und Hochschulen, aber auch in die Sanierung von Verkehrswegen oder den Ausbau der Breitbandtechnologie für einen schnellen Internetzugang. Zudem werden die Bürger bei Steuern und Abgaben entlastet. Der Eingangssteuersatz soll von 15 auf 14 Prozent gesenkt werden. Der steuerfreie Grundfreibetrag wird auf 8.000 Euro angehoben. Mit der Forderung nach einem höheren Steuersatz für Spitzenverdiener konnten sich die Sozialdemokraten nicht durchsetzen.
Sozialdemokrat Struck spricht nach der nächtlichen Verhandlungsrunde trotzdem von einem guten Tag für Deutschland.
"Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist einen Kinderbonus von 100 Euro pro Kind in Deutschland zu vereinbaren, für jedes Kind in Deutschland, auch dass wir erreichen konnten, dass eine Regelsatzerhöhung für Kinder von Arbeitslosengeld-II-Beziehern erfolgen kann."
Die Union konnte dagegen durchsetzen, dass der gerade erst auf 15,5 Prozent festgelegte Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung wieder gesenkt wird - um 0,6 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent. Das entspricht den Vorstellungen der Union. Deren Fraktionschef Volker Kauder:
"Bei der Krankenversicherung wird der Beitrag paritätisch abgesenkt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer."
Die Sozialdemokraten wollten ursprünglich den alleine von den Arbeitnehmern und Rentner getragenen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent abschaffen.
Um der angeschlagenen Automobilindustrie unter die Arme zu greifen kommt die so genannte Abwrackprämie. Wer ein mindestens neun Jahre altes Fahrzeug abmeldet und einen umweltfreundlichen Neuwagen kauft, erhält 2.500 Euro.
Außerdem hat die Koalition einen 100-Milliarden-Euro- Rettungsschirm für Unternehmen mit Finanzierungsproblemen vereinbart. Sie sollen staatliche Bürgschaften oder Kredite erhalten. Eine Beteiligung des Staates an Unternehmen gibt es nicht.
Von einer Ausnahmesituation spricht Volker Kauder. Er betont: das Paket sichere Zukunftschancen.
"Wenn wir das nicht in Angriff nehmen, was wir jetzt gestern Nacht beschlossen haben, dann besteht die Gefahr, dass uns in Deutschland ein Teil unserer industriellen Basis wegbrechen könnte. Ich sag mal beispielsweise bei der Automobilindustrie. Und die Arbeitsplätze sind ja auch Zukunftsperspektive für die junge Generation. Wenn wir im kommunalen Bereich für die Sanierung von Schulen sorgen, dann dient dies auch der jungen Generation. Wir haben also einen Schwerpunkt des Programms in Investitionen. Und für das ausgegebene Geld hat die junge Generation ja auch einen Gegenwert."
Der Staat muss die zusätzlichen Ausgaben von insgesamt 50 Milliarden Euro über den Kapitalmarkt finanzieren. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zu den Beschlüssen aus der vergangenen Nacht, die für 2009 und 2010 gelten:
"Ein konjunktureller Impuls kann nur entstehen, wenn tatsächlich zusätzliches Geld in die Wirtschaft gepumpt wird. Und das heißt eben, man muss Schulden machen. Wenn man es gegen finanzieren würde, durch höhere Steuern, dann würde sich der Effekt fast wieder ausgleichen."
Die Neuverschuldung des Bundes könnte in diesem Jahr nun deutlich stärker steigen als geplant. Steffen Kampeter, CDU-Haushaltsexperte, erwartet sogar eine Nettokreditaufnahme von 60 Milliarden Euro.
Die Zeit drängt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will bereits Ende Januar einen Nachtragshaushalt einbringen. Für die Rückzahlung der zusätzlichen Schulden kann er eine neue Quelle anzapfen - die Bundesbank. Bislang musste die Bundesbank jedes Jahr bis zu 3,5 Milliarden Euro ihres Gewinns an den Erblastentilgungsfonds abführen. Der Fonds umfasste die Restschulden der DDR und ist 1995 mit einem Schuldenstand von umgerechnet 171 Milliarden Euro errichtet worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel.
"Und der ist jetzt getilgt und zwar mit einer Maßnahme, dass alle Bundesbankgewinne, die über 3,5 Milliarden Euro lagen, immer zur Tilgung dieses Fonds verwendet wurden. Das haben wir jetzt geschafft."
Damit endet fast zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ein schwieriges Kapitel der deutschen Finanzgeschichte. Zumindest die Schulden der DDR sind getilgt.
Dort, wo die Banken ihre Aufgaben nicht ausreichend erfüllten, springe der Staat mit dem jetzt beschlossenen Kredit- und Bürgschaftsprogramm ein, erläutert die Kanzlerin. Dafür stünden bis zu 100 Milliarden Euro zur Verfügung, bereitgestellt von der staatseigenen Förderbank KfW.
Zudem garantiert der Bund die Bankeinlagen der privaten Sparer und bürgt für die Darlehen der Exportwirtschaft über die Kreditversicherung Hermes. Wegen der weltweiten
Wirtschaftskrise gehen die Bestellungen aus dem Ausland stark zurück. Den Unternehmen drohen Zahlungsverzögerungen, womöglich Zahlungsausfälle, für die der Bund dann geradestehen muss.
Die Bundesregierung hat Exportgeschäfte im Wert von rund 100 Milliarden Euro abgesichert. Das Entschädigungsrisiko aus den Exportkreditgarantien beträgt nach Angaben des
Wirtschaftsministeriums rund 57 Milliarden Euro. Zudem schlummern die Risiken aus der Bankenkrise im Haushalt. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.
"Wir werden erleben, dass die Schulden des Staates gemessen am Inlandsprodukt steigen, und zwar kräftig steigen, wobei noch völlig unklar ist, inwieweit es wirklich zu Schulden kommt, dadurch, dass Garantien des Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch genommen werden. Es geht da um maximal 400 Milliarden [Euro]. Und es ist dringend zu raten, bei dem nächsten Aufschwung etwas dagegen zu tun und eben dahin zu wirken, dass genau das nicht passiert, dass wir nämlich die Aktion jetzt bezahlen mit einem schwächeren Wachstum in der Zukunft."
Angesichts derartiger Risiken und einer solchen hohen Neuverschuldung versuchen die Politiker sich selbst zu disziplinieren. Neue Schulden solle es nur noch geben, wenn deren Tilgung auch verbindlich festgeschrieben sei. In guten Zeiten dürfe sich der Staat maximal mit einem halben Prozent verschulden.
In konjunkturell schlechten Zeiten dürfe der Staat auch höhere Schulden machen, vorausgesetzt, er verpflichte sich, die Schulden in einer Phase des Wirtschaftsaufschwungs wieder zurückzuzahlen. Dazu ist aber ein Bundestagsbeschluss nötig.
Die Große Koalition will nun eine solche gesetzliche Schuldenbremse einführen. Volker Kauder heute morgen.
"Wir haben vereinbart, dass wir eine Schuldenbremse grundgesetzlich verankern, dass wir in dem Augenblick, wo wir wieder Wirtschaftswachstum haben, ein Teil des Wirtschaftswachstums genommen werden muss zur Tilgung."
Die bisherigen Möglichkeiten hätten sich als untauglich erwiesen, sagt Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
So verbiete das Grundgesetz eine Nettokreditaufnahme, die höher ausfalle als die staatlichen Investitionen. Und der Vertrag von Maastricht deckelt die Neuverschuldung auf maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Aber:
"Gegen den Maastricht-Vertrag hat die Bundesregierung gleich fünf Mal hintereinander verstoßen. Und der Artikel 115 [im Grundgesetz] hat sich als untauglich erwiesen. Denn er erlaubt durchaus Ausnahmen von dieser Regel, wenn ein wirtschaftliches Ungleichgewicht herrscht, und die ketzerische Frage, die daraus folgt, ist: Wann haben wir ein wirtschaftliches Gleichgewicht? - Das ist im Grunde genommen ein Gummi-Paragraph, der sich in der Vergangenheit zumindest als Schuldenbremse total als untauglich und unwirksam erwiesen hat."
Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes hat der Bund in den vergangenen 25 Jahren 609 Milliarden Euro an neuen Krediten aufgenommen. In keinem einzigen Jahr ist ein Ausgleich des Haushaltes erreicht worden, ohne neue Kredite aufzunehmen.
Die nun geplante Schuldenbremse könnte den Anstieg der neuen Verschuldung bremsen. Doch wie soll der Staat jemals seine alten Kredite tilgen?
Bereits jetzt ist der Bund mit über 930 Milliarden Euro verschuldet. Bund, Länder und Kommunen stehen gemeinsam sogar mit 1.500 Milliarden Euro in der Kreide. Durchschnittlich sind das über 18.400 Euro Schulden pro Bundesbürger. Wegen der demographischen Entwicklung verteilen sich die Schulden in Zukunft auf immer weniger Steuerzahler. Wie die Schulden irgend wann einmal zurückgezahlt werden, ist vollkommen unklar.
Der Staat kann zwar Subventionen kürzen, Staatsvermögen verkaufen, die Steuern wieder erhöhen und Ausgaben kürzen. Doch eine Patentlösung gibt es nicht. Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft.
"Wir haben hier im Institut sogenannte Tragfähigkeitsanalysen durchgerechnet, und wir sind schon zu dem Ergebnis gekommen, dass die sogenannte implizite Staatsverschuldung sogar noch höher ist, die impliziten Staatsverschuldung in den sozialen Sicherungssystemen enthalten ist, und die in Zukunft ebenfalls virulent wird. Die liegt sogar bei rund 250 bis 300 Prozent - je nachdem, was man ansetzt - des Bruttoinlandsproduktes. Wir haben da die 60-Prozent-Marke des Maastrichter Vertrages schon weit hinter uns gelassen. Aber in der Tat, ich überlege auch, wie und wo kann man diese Schulden irgendwann wieder zurückzahlen. Mir ist bisher da wenig eingefallen."
Einen Staatsbankrott oder eine Währungsreform mit der Entwertung von Schulden hält der Ökonom jedoch für abwegig. So beängstigend diese Zahlen auch sind: Der Finanzminister hat zwei heimliche Verbündete, die ihm beim Schuldenabbau helfen. Erstens: die schleichende Geldentwertung - also die Inflation. Und zweitens: die Zeit.
Baut der Staat zum Beispiel eine Autobahn für hundert Millionen Euro und zahlt den Kredit nach dreißig Jahren zurück, dann ist das Geld - bei durchschnittlich zwei Prozent Inflation - nur noch die Hälfte wert.
"Wenn wir mit Inflationsraten von zwei Prozent rechnen - das ist das Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank - dann ergibt sich auch ein realer Gewinner bei den Schuldnern. Der Staat ist Gewinner in solch einer Rechnung. Selbst bei Preisstabilität sinkt der Realwert dessen, was zurückgezahlt werden muss."
Sagt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Die Inflation knabbert an den Ersparnissen. Das ist gut für die Schuldner, aber schlecht für die Gläubiger.
Kein Wunder also, dass die Kreditgeber einen Zinssatz
verlangen, der möglichst über der Preissteigerungsrate liegt. Bislang konnten die Gläubiger ihr Geldvermögen vermehren. Doch das wird immer schwieriger. Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise haben die Notenbanken rund um den Globus die Finanzmärkte mit Geld geflutet. Sie haben die Zinssätze für Kredite an Geschäftsbanken drastisch gesenkt. Die Ökonomen sprechen von einer Nullzinspolitik.
Zudem haben auch die anderen Industriestaaten umfangreiche Konjunkturprogramme aufgelegt, allesamt auf Pump finanziert. Die Regierungen verschulden sich, um eine schwere Rezession zu vermeiden. Am Kapitalmarkt, wo sich die Staaten das Geld besorgen, rutschen die Renditen in den Keller. Die Nachfrage nach Staatsanleihen mit guter Bonität ist riesig. Die Kurse steigen, die Wertpapiere werden immer teurer.
Die Folgen liegen auf der Hand. Die Sparer bekommen immer weniger Zinsen für ihre Ersparnisse. In Deutschland bringt eine Bundesanleihe, die nach 32 Jahren - also im Jahr 2040 - vom Staat getilgt und damit zurückgezahlt wird, gerademal eine Nettorendite von 2,75 Prozent - nach Abzug von Abgeltungs- und Solidaritätssteuer.
In den USA beträgt die Rendite 30jähriger Staatsanleihen weniger als drei Prozent. Dort dürfte das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 1.200 Milliarden Dollar steigen. Gustav Horn.
"Zunächst muss man sagen. Die Zahlen klingen gewaltig. Sie sind es auch. Aber die USA hatten schon einmal 9 Prozent Staatsverschuldung [gemessen am Bruttoinlandsprodukt]. Das ist nicht einmal historisch eine einmalige Situation. Es bedeutet, dass man dann, wenn man diese Krise bewältigt hat, über Jahre hinweg auch in der Tat den Haushalt konsolidieren muss. Das heißt der Spielraum für neue Aktivitäten wird dann relativ gering sein, oder man muss eben auf alte Aktivitäten verzichten, um diese Spielräume wieder zu gewinnen."
Das dürfte auch die Blaupause für den Deutschen Haushalt sein. Nach den üppigen Konjunkturpaketen muss der Staat wieder sparen - und das werden auch die Bürger wieder zu spüren bekommen. Henrik Enderlein lehrt an der "Hertie School of Governance" in Berlin.
"Wir müssen bis 1929 zurückgehen, um über Konjunkturpakete zu sprechen, die die Dimension von heute erreichen. 1929 endete das Ganze dann irgendwann in Krieg; wir gehen davon aus, dass das heute nicht der Fall sein wird. Und deshalb fällt es uns schwer zu sagen, wie viel wir tatsächlich investieren müssen. Ich bin der Ansicht, es ist besser, jetzt viel Geld in die Hand zu nehmen, um dann gegebenenfalls sehr schnell wieder Steuern zu erhöhen oder die Steuersenkungen rückgängig zu machen, weil man merkt, die Wirtschaftslage verbessert sich wieder."
Schnell soll es nach dem Willen der Großen Koalition tatsächlich gehen. Gestern Nacht fassten die Spitzen der Großen Koalition die Beschlüsse, heute stellten sie ihr Vorhaben den Fraktionen vor - und bereits morgen gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung im Bundestag ab. Die Eile ist notwendig. Denn erst wenn das Konjunkturpaket das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat und Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben, kann es in Kraft treten - und seine Wirkung entfalten.
Doch es ist keinesfalls sicher, ob dies alles reibungslos verlaufen wird. Union und SPD würden schon am kommenden Wochenende im Bundesrat ihre Mehrheit verlieren, wenn die CDU - wie erwartet - in Hessen eine Koalition mit der FDP eingeht. Dann müsste die Große Koalition zusätzlich auch noch die Liberalen von dem Konjunkturpaket überzeugen. Diese haben schon deutlich gemacht, was sie davon halten.
FDP-Chef Guido Westerwelle kritisiert, dass der Bundesregierung der Mut fehle, die Bürger spürbar zu entlasten. Die jetzt vorgesehene Entlastung pro Haushalt sei viel zu gering, um die Konjunktur zu stabilisieren. Der Ökonom Enderlein widerspricht ihm.
"Steuersenkungen haben auch immer etwas mit Psychologie zu tun. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man sagt den Leuten, ihr bekommt 51 Euro im Jahr zusätzlich, dann wird niemand gleich zum Media Markt rennen und einen neuen Computer kaufen. Aber das Signal ist wichtig. Es kann auch ein Signal an die Bevölkerung kommen, wir werden euch jetzt nicht noch weiter belasten, die Krise trifft euch nicht direkt."
Genau auf diesen psychologischen Effekt setzen die Regierungen mit ihren Steuer- und Abgabensenkungen. Die Denkrichtung: Wenn die Menschen Vertrauen in eine bessere Zukunft haben, geben sie ihr Geld aus und steigern so die Nachfrage. Bei klassischen Konjunkturprogrammen investiert der Staat oft in die Infrastruktur. So auch diesmal. Der Berliner Senat etwa hatte bereits Ende des vergangenen Jahres ein eigenes Konjunkturprogramm beschlossen. 50 Millionen Euro sollen in die Sanierung von Schulen fließen.
Gerade wird darüber beraten, wie das Geld aus dem Konjunkturpaket II eingesetzt werden kann. Das Land Berlin will es für weitere Investitionsmaßnahmen ausgeben, aber auch für neue Technik in Schulen und Hochschulen, so Senatssprecher Richard Meng. Für ihn ist klar: Berlin könnte schnell los legen. Ein Problem sieht er jedoch:
"Sie müssen natürlich berücksichtigen, es gibt Ausschreibefristen. Sie können nicht einfach eine Baufirma anrufen und sagen: Legen sie los! Das können sie bei ganz kleinen Beträgen mit einer beschränkten Ausschreibung. Sie müssen aber ab 200.000 Euro europaweit ausschreiben. Das dauert in der Regel ein Vierteljahr."
Das haben auch die Koalitionäre bedacht. Im zweiten Konjunkturpaketes ist vorgesehen, die Vergaberichtlinien zu lockern. Doch Kritiker befürchten, dass auf diese Art die Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund gedrängt - und das alles für den Staat und die Steuerzahler teuer werden könnte.
Die Baubranche dürfte davon ganz besonders profitieren. Doch befürchten Kenner, die Bauunternehmen könnten die hereinbrechende Auftragsflut nicht bewältigen. Wegen der starken Nachfrage könnten auch die Preise steigen.
Zur Zeit sitzt die Branche ohnehin noch auf einem relativ dicken Auftragspolster.
Hinzu kommt: die Branche ist seit ihrer schweren Krise in den 90er Jahren stark geschrumpft. Heute arbeiten nur noch etwa 700.000 Beschäftigte in der Bauindustrie - vor der Krise waren es etwa doppelt so viele. Herbert Bodner ist Präsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie und weist die Befürchtungen zurück.
"Schon jetzt melden 31 Prozent aller Bauunternehmen Auftragsmangel, freie Kapazitäten sind also jetzt schon vorhanden, und fast jedes zweite Unternehmen rechnet für die nächsten Monate mit einer Verschlechterung der Geschäftslage."
Meng: "Ein Problem, was wir in Berlin auch haben, ist, dass die Bauwirtschaft in den letzten Jahren ihre Kapazitäten ja ein Stück zurückgefahren hat, manche die Sorge haben, ob die überhaupt in der Lage sind, so viel zu bauen, wie wir beauftragen."
Die ersten Schritte sind getan, jetzt ist das Parlament am Zug. Gleich morgen geht es los.