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Gentechnik in Lebensmitteln

In Sachen grüner Gentechnologie ist Europa ein 'Entwicklungsland’. Während Landwirte in den USA auf 36 Millionen Hektar Land – das entspricht der Größe Baden-Württembergs – unter anderem gentechnisch veränderte Sojabohnen und Maiskolben ernten, wachsen solche Pflanzen in der EU fast nur versuchsweise. Seit 1998 blockiert eine Koalition aus sechs Staaten – Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg und Österreich – die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen und Lebensmittel. Dass dieses Moratorium bestehen bleibt, dafür demonstrierte vergangene Woche der Umweltverband Friends of the Earth.

Ralph Ahrens | 17.10.2002
    Ich bin hier, weil ich gegen Gen-Food bin. Ich will 'natürliche’ Nahrung essen, das, was von Mutter Erde kommt. Und ich will kein Dracula-Food essen.

    Als Christ halte ich es für falsch, Gottes Kreaturen zu manipulieren. Nur Gott darf das selber tun. Und ich bin hier, weil ich glaube, Europa muss aufstehen und sagen, 'nein, wir wollen kein Gen-Food’.



    Damit ich auch morgen noch gentechnikfrei zubeißen kann. Also, im Moment stehen ja auf europäischer Ebene diverse Gesetzgebungsgeschichten an. Und ein großes Problem ist, dass in Zukunft dann jedes Lebensmittel dann bis zu einem Prozent gentechnisch verunreinigt sein kann. Da bin ich nun absolut dagegen und möchte mich weiterhin gentechnikfrei ernähren können.

    Und Christoph Then von Greenpeace betont:

    Man muss sich vorstellen. Wenn in diesem Bereich etwas schief geht, tatsächlich die Auswirkungen enorm sein werden. Lebensmittel werden weltweit distributiert. Das heißt, wenn gentechnisch veränderte Produkte auf den Markt kommen, die nicht sicher sind, die negative Auswirkungen für Verbraucher haben, kommen die weltweit in den Verkehr, es werden Millionen von Verbrauchern mit diesen Produkten konfrontiert. Und da darf man keine Kompromisse eingehen.

    Das Moratorium ist aber keine bedingungslose Absage an die grüne Gentechnologie. Es soll aufgehoben werden, wenn schärfere gesetzliche Bestimmungen vorliegen. Das sei seit heute mit der in Kraft getretenen 'Richtlinie zur Freisetzung und Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen’ der Fall, meint jedenfalls Jens Katzek von der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie:

    Am 17. Oktober ist für uns ein wichtiges Datum, weil ein neues verschärftes Gesetz auf europäischer Ebene, das sich mit der Gentechnik beschäftigt, endlich rechtskräftig wird. Wir haben seit fünf Jahren einen Zustand, wo wir anders als in den USA neue gentechnisch verbesserte Pflanzen nicht mehr zulassen. Wir hoffen sehr, dass dieses Moratorium mit diesem 17. Oktober tatsächlich auch beendet wird.

    Die EU verfüge jetzt über Rechtsvorschriften, die Verbrauchern Sicherheit und Wahlfreiheit und der Industrie einen Rahmen für Forschung und Anwendung garantieren, betont Katzek. Ob das Moratorium jedoch bald aufgehoben wird, ist fraglich. Denn weder die europäischen Agrarminister noch die Umweltminister konnten sich auf eine einheitliche Linie verständigen. Und die Bundesregierung betont in ihrem Koalitionsvertrag die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und dass die Zukunft jener Landwirte sichergestellt sein muss, die ohne gentechnisch verändertes Saatgut arbeiten wollen. So dämpft auch Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, die Hoffnungen der Wirtschaft. Denn es fehlen noch jene Gesetze, die das erst festlegen sollen, was die neue Freisetzungsrichtlinie verlangt.

    Ein Ende kann erst dann eintreten, wenn die Kennzeichnungspflicht für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Verordnung zur Rückverfolgbarkeit da sind und umgesetzt werden.

    Und diese beiden Gesetzestexte – einmal zur Kennzeichnung von Futter- und Lebensmitteln und einmal zur Rückverfolgbarkeit – werden in Brüssel noch diskutiert und sollen im nächsten Jahr verabschiedet werden. Unklar ist zum Beispiel noch, wie das Gen-Register exakt aussehen soll, das die Europäische Kommission vorsorglich einführen will.

    Wir müssen wissen, wo kommen die gentechnisch veränderten Produkte letztlich bis zur Urproduktion her. Stichwort ist hier das Gen-Register der europäischen Freisetzungsrichtlinie, damit man später auch Produkte – wenn sich herausstellt, die haben oder wirken mit an schädlichen Einflüssen auf die menschliche Gesundheit zum Beispiel –, dass man diese Produkte aus dem Verkehr ziehen kann.

    Auch unter ökologischen Gesichtspunkten rät Andreas Troge zur Vorsicht:

    Sie können den Flugpollen nehmen - das ist das, worauf wir immer gucken. Und Flugpollen können ökologische Schäden dort besonders anrichten, wo es sich um geschützte Gebiete handelt, FFH-Gebiete, Biosphärenreservate, bei denen wir gerade die Artendynamik, die dort in der letzten Zeit war, sich selbst entfalten lassen wollen. Ich sage das bewusst so, es geht nicht darum, stationär die Artenzusammensetzung zu erhalten, sondern die Eigendynamik dieses Ökosystems.

    So kann es zu ökologischen Schäden führen, wenn die Saatgutfirma Bayer CropScience in Nordrhein-Westfalen gentechnisch veränderten Winterraps in Swisttal bei Bonn in der Nähe wertvoller Biotope und Naturschutzgebiete aussät. Dass das Robert-Koch-Institut in Berlin diesen Versuch genehmigt hat, ärgert Christiane Friedrich, Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Umweltministerium:

    In Swisttal ist das passiert, was in der Bundesrepublik Deutschland leider gang und gebe ist. Es gibt das so genannte Basisverfahren für die Freisetzung. Und dieses Basisverfahren können sie in jedem Bundesland beantragen. Und dann haben sie das Recht, im sogenannten vereinfachten Verfahren in einem ganz anderen Bundesland in einem ganz anderen Ort unter ganz anderen ökologischen Bedingungen diese Freisetzung auch zu realisieren.

    Ob der Freilandversuch für eines der Naturschutzgebiete im Swisttal wirklich eine Gefahr darstellt, das wollten das Umweltministerium in Düsseldorf als auch das Umweltbundesamt durch eine speziell auf diese Schutzgebiete abgestellte Umweltverträglichkeitsprüfung kritisch betrachten. Das Robert-Koch-Institut hat aber streng nach dem Gentechnikrecht geurteilt, welches eine solche standort-bezogene Prüfung nicht vorsieht. Die Firma Bayer CropScience hat den Raps im Herbst zwar nicht ausgebracht, doch, so Christiane Friedrich ...

    ... der Versuch ist damit nicht zurückgezogen worden. Die können die Möglichkeit nutzen, es 2003 auch zu machen, dafür haben sie die Genehmigung. Und die haben dann nur die Verpflichtung, uns drei Tage vor der Aussaat zu informieren. Sie haben aber keine Verpflichtung zu einem Isolationsabstand, wie wir ihn gefordert haben. Und alle anderen Forderungen sind auch nicht aufgenommen worden.

    Wissenschaftliche Argumente und Fragen der Überwachung und Kontrolle sind aber nicht alles, betont Beate Kettlitz von BEUC (sprich BÖHK), dem Dachverband der Europäischen Verbraucherschützer in Brüssel:

    Was der Wissenschaftler als Risiko bewertet, ist nicht notwendigerweise, was der Verbraucher als Risiko empfindet. Und diese Fragen, wenn die nicht ordnungsgemäß adressiert werden, dann sitzt man in einem Problem - und das ist ganz besonders wichtig für neue Technologien.

    Andreas Troge vom Umweltbundesamt ergänzt:

    Eines ist klar: In einer freien Gesellschaft gilt letztlich die Bewertung der Einzelnen zu den Risiken. Und nicht allein die kollektive Risikobewertung. Also, wenn die Menschen meinen, das ist nicht koscher, dann kann ich versuchen, sie zu überzeugen, das sei koscher. Aber ich muss mich letztlich damit zufrieden geben, das Menschen auch sagen, 'nein, ich gehe das Risiko nicht ein'.

    Und so steht eben auch die Wahlfreiheit im Mittelpunkt der aktuellen Gen-Debatte. Verbraucherschützerin Beate Kettlitz:

    Wahlfreiheit bei der grünen Gentechnik heißt schlicht und einfach, dass die Produkte, die gentechnisch verändertes Material enthalten, gekennzeichnet sind. Wenn ich sage, Produkte, die gentechnisch verändertes Material enthalten, müssen gekennzeichnet sein, heißt das, dass auch Produkte, bei denen man möglicherweise gentechnisch verändertes Protein oder DNA nicht mehr nachweisen kann, auch diese Produkte müssen gekennzeichnet werden. Denken Sie an ein Öl, wo man unter Umständen kein Protein oder DNA mehr feststellen kann, aber es kann von 100 Prozent gentechnisch verändertem Soja hergestellt werden. Hier wollen wir eine Kennzeichnung.

    Diese so genannte 'prozess-orientierte’ Kennzeichnung soll in zwei, drei Jahren kommen, wenn die europäische 'Richtlinie zur Kennzeichnung von Futter- und Lebensmitteln’ in Kraft tritt. Das heißt, dann müssen auch Glukosesirup aus Maisstärke und raffiniertes Speiseöl etikettiert werden, wenn denn Stärke oder Öl von gentechnisch verändertem Raps, Mais oder Soja stammen. Und das wird neu sein: Bislang müssen – gemäß der europäischen 'Novel-Food-Verordnung’ – nur jene Produkte gelabelt werden, in denen veränderte Erbsubstanz oder veränderte Eiweißmoleküle analytisch nachweisbar sind. Doch auch diese 'prozess-orientierte’ Etikettierung wird und soll auch nicht alle Lebensmittel erfassen, die Bestandteile gentechnisch veränderter Pflanzen enthalten. Beate Kettlitz:

    Wir sind realistisch. Es ist leider so, dass, obwohl bestimmte Hersteller alles versucht haben, um eine Kontamination von gentechnischem Material zu dem sogenannten sauberen Material zu vermeiden. Obwohl sie alles getan haben, kann es passieren, dass doch etwas hinein gerutscht ist...

    ... sei es bei der Ernte, beim Transport oder bei der Verarbeitung. Solche zufälligen und unbeabsichtigten Verunreinigungen in Lebensmitteln sollen erst ab einem Schwellenwert etikettiert werden. Die Höhe dieses Wertes ist strittig: Die Europäische Kommission und die Industrie bevorzugen einen Wert von einem Prozent, das Europäische Parlament sowie Verbraucher- und Umweltschützer verlangen 0,5 Prozent.

    Doch unabhängig von der genauen Höhe des Schwellenwertes haben die USA bereits angekündigt, die geplanten Kennzeichnungsvorschriften von der Welthandelsorganisation prüfen zu lassen. Christoph Then:

    Das ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass die USA sich hier gegen demokratische Instrumente stark machen, gegen Instrumente der Verbraucherinformation, des Verbraucherschutzes, die sie für sich ja immer in Anspruch genommen haben. Auch vor diesem Hintergrund wäre es wohl der amerikanischen Bevölkerung auch nicht gut zu verkaufen, warum die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen gegen die Interessen der Verbraucher sein soll.

    Einige Bürger wollen denn auch in den USA Bescheid wissen und bereiten Volksabstimmungen zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel in Colorado, Kalifornien, Oregon, Vermont und Washington vor. Die erste davon findet am fünften November in Oregon statt. Die Initiatoren haben dort für ihre Kampagne insgesamt rund 10.000 US-Dollar gesammelt – die Industrie, die Wettbewerbsnachteile für markierte Produkte befürchtet, hat rund 4,6 Millionen Dollar in eine Gegenkampagne investiert. Der Ausgang der Abstimmung scheint dennoch offen zu sein. Das heißt für Christoph Then:

    Die Situation, die als wirtschaftlich sicher angesehen wird von Unternehmen wie Monsanto, ist de facto sehr unsicher derzeit. Es gibt auch bereits erste Supermärkte in den USA, die Gentechnik aus ihren Regalen ausgelistet haben. Die Situation ist in den USA längst nicht so vorteilhaft für die Akzeptanz der gentechnisch veränderten Lebensmittel, wie die Industrie das gerne darstellt.

    Sogar um den gentechnisch veränderten Weizen, den die Firma Monsanto zurzeit entwickelt, wird bereits heftig gerungen: Andreas Thierfelder, Pressesprecher der amerikanische Firma:

    Wir haben verschiedene Ansätze, Weizen gentechnisch zu verändern, zu verbessern. Unser Augenmerk gilt natürlich zunächst mal den agronomischen Eigenschaften, sprich also – was in Richtung höherer Erträge, niedriger Kulturkosten et cetera angeht. Das Produkt, was sozusagen am weitesten entwickelt ist in der Monsanto-Pipeline, ist der herbizidtolerante Weizen, der ebenso funktioniert wie die herbizidtoleranten Sojabohnen, herbizidtoleranten Mais, et cetera.

    In den USA und in Kanada wächst dieser gentechnisch veränderte Weizen bereits auf Versuchsfeldern und die Vermarktung sollte in drei Jahren beginnen:

    2005 wäre natürlich ein super Termin, ja.

    Doch nicht um jeden Preis, beteuert Andreas Thierfelder:

    Es gibt keinen fixen Termin, wo wir sagen, dann soll es, egal wie die Vorbehalte sind, und ohne dass Regelungen getroffen sind innerhalb dieses Weizenboards in USA oder Kanada, soll es frei verfügbar sein. Es soll zunächst einmal Konsens bestehen mit den dortigen Anbauverbänden.

    Ein solcher Konsens besteht jedoch nicht. Der Grund: Die kanadischen und amerikanischen Weizenfarmer sorgen sich um den Absatz ihres Getreides in Europa. Und zurzeit ist es eher fraglich, ob europäische Verbraucher Brot, Brötchen und Croissants aus gentechnisch verändertem Weizen akzeptieren würden. Die Europäische Kommission in Brüssel weiß um diese Macht der Verbraucher und will deren Stimme mit der künftigen 'Richtlinie zur Kennzeichnung von Futter- und Lebensmitteln’ stärker in ihre Entscheidungen einbinden: Die Risikobewertung neuer Pflanzen und Lebensmittel soll transparenter, Bedenken sollen früher als bisher gehört werden. Beate Kettlitz von BEUC:

    Das ist wirklich neu. Und ich denke, dass ist auch die Sache, dass man wirklich der Verbraucherstimme einfach mehr Gehör schenkt. Und das ist wichtig, das ist absolut wichtig. Und wenn sie dann solche Bedenken hat, dann müssen sie sich mit den Bedenken auseinandersetzen. Wenn sie das nicht schaffen, dann ist die Frage, sollte man diese Produkte überhaupt einführen. Ja, das wäre dann eine Frage.

    Auch Saatgutzüchter würden von einer klaren Antwort profitieren: Sollten Verbraucher etwa die neuen Produkte nicht akzeptieren, dann könnten sie sich aufwendige und kostspielige Freilandversuche in Zukunft sparen.

    Die Europäische Kommission will aber nicht nur Schwellenwerte für zufällige Verunreinigungen in Lebensmitteln einführen, sondern auch für Futtermittel und Saatgut. Für das Saatgut schlägt die Kommission vor, sollen die Schwellenwerte je nach Art zwischen 0,3 und 0,7 Prozent betragen. Das hält Andreas Troge vom Umweltbundesamt für zu lasch:

    Das Umweltbundesamt sagt klar, das muss an der Nachweisgrenze sein. Warum? Nicht um irgend jemanden zu knebeln. Doch wir haben dann noch eine Anbaustrecke vor uns. Wir haben eine Verarbeitungsstrecke vor uns, wo zusätzliche gentechnische Veränderungen hinzu kommen können, und aus diesem Grunde muss am Anfang der Produktion, in der Urproduktion beim Saatgut der gentechnische Eintrag so gering wie möglich sein.

    Sauberes Saatgut wird gerade dann wichtig werden, wenn das Moratorium aufgehoben wird und Landwirte mehr und mehr gentechnisch verändertes Saatgut anpflanzen dürfen. Denn saubere Saaten sind nicht nur Voraussetzung für möglichst gentechnikfreie Lebensmittel, sondern auch für die von der Bundesregierung angestrebte Agrarwende.

    Wenn wir gleichzeitig sehen, dass wir bis zum Jahr 2010 zwanzig Prozent unserer Anbauflächen dem ökologischen Landbau widmen wollen, dann ist das ja schon ein großer Schluck aus der Flasche. Da gehen ja zunächst werden Flächen über das Land verstreut, die gentechnikfrei sein müssen. Dann kommt hinzu, dass wir aller Voraussicht nach Schutzräume brauchen, Schutzränder, die je nach angebauter gentechnischer Pflanze und Nachbarschaft Auskreuzungsrisiko, groß oder klein sein müssen. Ich rechne wegen der Unsicherheit mit relativ großen Schutzsäumen. Und dies frisst natürlich Fläche.

    Schutzräume und Abstandsregeln, wie sie das Umweltbundesamt fordert, hält Jens Katzek von der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie allerdings für überflüssig:

    Es gibt mittlerweile vielfältige Untersuchungen zur Frage, wie weit fliegt eigentlich ein Pollen. Jeder von uns, der Heuschnupfen hat, weiß, Pollen fliegt. Und das kann zum Teil über Kilometer gehen. Das heißt, Abstandsregelungen von wenigen Metern – also 100 oder 150 Meter – bringen vermutlich nicht viel. Aber selbst, wenn sie einen oder zwei Kilometer haben, würden sie eine Vermischung immer noch nicht verhindern können.

    Wenn sich aber gentechnisch veränderte Pflanzen mit jenen vermischen, deren Erbgut nicht mit Hilfe der Gentechnik verändert wurde, kann das wirtschaftliche Folgen haben. Andreas Troge:

    Wenn ein Landwirt seine Produkte gentechnikfrei erzeugen will - aus welchen Gründen auch immer -, dann stellt sich doch die Frage, was passiert eigentlich, wenn es Einkreuzungen gibt durch ein benachbartes Feld, auf dem gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Das ist die Frage dann des wirtschaftlichen Schadenausgleich – übrigens eine Frage, die im Augenblick überhaupt nicht gelöst ist...

    ...und wenn es ums Geld geht, dann kann das leicht zu sozialen Spannungen führen.

    Ich sage ganz freimütig, wir können uns ein Kampf aller gegen alle auf den Dörfern nicht leisten. Wenn also Gentechnik gegen non-Gentechnik-Bauer, konventionelle Landwirtschaft und Öko-Landwirtschaft dann arbeiten, dann können sie sich vorstellen, dass der Rechtsfrieden damit nicht gerade gefördert wird, und wir dafür Regelungen brauchen, auch was den reinen ökonomischen Schadensausgleich geht. Ich glaube, dieses Thema wird im Augenblick noch völlig übersehen.

    Einen Vorgeschmack auf solche Konflikte hat Imker Ralf Müller aus Neuhaus an der Oste in der Nähe von Cuxhaven bekommen:

    Ja, ’97 ging der Ärger eigentlich damit los, dass mein Vater, der in unserem Ort im Gemeinderat sitzt, mir erzählte, dass wir in Neuhaus einen Gentechversuch hätten. Und der in meiner nächsten Nachbarschaft wäre. Für ihn nicht weiter schlimm, für mich katastrophal, weil ich meine Bienen hier stehen habe und ich damit rechnen musste, dass diese Bienen hier auch dieses Feld mit gentechnisch verändertem Raps befliegen. Und da ich eigentlich ein bisschen darauf achte, was meine Bienen befliegen, wollte ich natürlich nicht, dass sie in diese Gentechnikpflanzen fliegen, weil ich dieses ablehne – strikt ablehne, weil das ist für mich ein Eingriff in die Evolution und in die Pflanze selber, das für mich nicht tragbar ist. Und ich meinen Kunden eben auch dieses nicht anbieten möchte, weil ich es selber auch nicht haben will.

    Und die gute Nachbarschaft mit dem Nachbarn, der die Rapspflanzen der Firma Monsanto ausgesät hat, ist vorbei:

    Was mich auf der einen Seite schon traurig macht, das es so ist - weil wir hatten vorher, meine ich, ein gutes Verhältnis, in dem wir uns auch gegenseitig unterstützt haben. Aber in diesem Fall kann ich das natürlich nicht tolerieren, dass so etwas klammheimlich in meiner Nachbarschaft gemacht worden ist.

    Vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn das Moratorium zur Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen noch bestehen bleibt. Denn dann bekommen alle noch ein wenig Zeit zu überlegen, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen sie bereit sind, mit gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Äckern der Landwirte zu leben genauso wie mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln in den Regalen der Supermärkte.