Archiv


"Gentechnikfreie Regionen“

Ob auf Bauernversammlungen oder an Stammtischen: Die deutschen Landwirte beschäftigt im Moment ein Thema. Die Gentechnik. Vor allem die, die sie nicht haben wollen. Und das sind rund 70 Prozent aller deutschen Bauern - nach neuesten Umfragen.

von Maren Schibilsky |
    Seit der Entwurf des neuen Gentechnikgesetzes in den Bundesgremien verhandelt wird, verbreiten sich "gentechnikfreie Regionen" fast so schnell wie ein Lauffeuer über das gesamte Bundesgebiet. Gab es zum Jahreswechsel nur eine einzige in Mecklenburg, so sind es bis heute fast zwanzig. Die größten gentechnikfreien Zonen gibt es in Ostdeutschland. Wie die in der brandenburgischen Uckermark mit über 50 000 Hektar.

    In ihr wollen 30 Bio- und konventionelle Landwirte gemeinsam gentechnikfrei wirtschaften. Stefan Palme vom Gut Wilmersdorf ist einer von ihnen:

    Damit wir verhindern können, dass von Nachbarn Gentechnik auf die Flächen des Betriebes über Pollen, über Insektenbestäubung, über Windbestäubung kommt. Und je größer so eine Zone ist, umso geringer ist das Risiko, dass von außen eine Verunreinigung zustandekommt.


    Welch´ nachbarschaftlichen Streit Verunreinigungen auslösen können, zeigen Beispiele aus Kanada und den USA. Dort klagen etliche Bauern vor Gericht gegen ihre Nachbarn. Als Mitte der 90-er Jahre die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen dort angebaut wurden, hat keiner geahnt, wie schnell und unkontrolliert Verunreinigungen entstehen können. Sie gelangen über Saatguttransporte, Futtermittelimporte und natürlich über den Pollenflug unbeabsichtigt in die bäuerlichen Betriebe. Mit irreversiblen Schäden. Ein Grund für deutsche Bauern, jetzt vorzusorgen – wie in der Uckermark:

    Wir haben eine Art zehn-Punkte-Plan gemacht. Grundsätzlich, dass wir keine gentechnisch veränderten Organismen einsetzen sowohl im Saatgut als auch im Futter. Wir haben bestimmte Sorgfaltspflichten einzuhalten. Wenn zum Beispiel ein Lohnunternehmer auf unsere Felder kommt, dass er den Mähdrescher vorher reinigen muss, dass keine Reste von gentechnisch verändertem Material dort liegen. Die LKW, die auf den Hof kommen und unser Getreide laden, müssen sauber sein. Es müssen Rückstellproben gezogen werden.

    So sehen fast alle Verpflichtungserklärungen der Bauern-Initiativen aus. Doch das Experiment "gentechnikfreie Zone" steht auf wackligen Füßen, warum? Als rein privatrechtlicher Vertrag. Begrenzt auf ein oder zwei Jahre. Die Bauern hätten gern politische Rückendeckung von Bund und Ländern. Doch das lehnt die EU ab. Auch das Festsetzen solcher Reinheitsgebiete per Landtagsbeschluss. Wie das im Nachbarland Österreich versucht wurde. Jetzt testet man dort einen anderen Weg. Markus Schörpf von der Initiative "Waldviertel" in Niederösterreich:

    Wir versuchen, mit einer möglichst breit angelegten Partnerschaft die gentechnikfreie Region umzusetzen, d.h. die Partner in dieser Initiative sind sowohl die niederösterreichische Landesregierung als auch ein großes Handelshaus in Österreich als auch regionale Organisationen wie Verarbeitungsbetriebe, Zuchtverbände, die Bezirksbauernkammer und die Landeslandwirtschaftskammer. Wir versuchen, so das Umfeld aufzubereiten.

    Hier ist das noch Zukunftsmusik. Doch erste Unterstützung bahnt sich an: Das Bundesamt für Naturschutz wird gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung Hannover am Beispiel der Uckermark ihr Know-How für gentechnikfreie Regionen in Deutschland zur Verfügung stellen. Guido Nischwitz vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung leitet das Projekt:

    Welche Voraussetzungen sind eigentlich notwendig, dass sich solche Regionen bilden. Wir müssen schauen, was ist auf die Bundesebene übertragbar, und am Ende soll eben ein Handlungsempfehlungsset stehen für den Bund, was er machen kann, um solche Gründungen von Regionen, aber auch die Verstetigung solcher Regionen, dass sie nicht nach ein oder zwei Jahren wieder zusammenbrechen, welche Möglichkeiten er dort hat, hilfreich einzuschreiten und sie zu begleiten.

    Denn für die Mehrheit der Landwirte sind "gentechnikfreie Zonen" bislang das einzige Instrument, um ein friedliches Nebeneinander zwischen Gentechnik und Nichtgentechnik auf Deutschlands Feldern realisieren zu können. Gentechnikgesetz?