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Gentest entlarvt Viren

Medizin. - Infektionen der Atemwege können von sowohl von Viren wie von Bakterien hervorgerufen werden. In der klinischen Praxis ist es aber nicht immer einfach bei einem Patienten zu erkennen, welcher Erregertyp die Krankheit tatsächlich verursacht. US-Forscher haben ein neues Diagnoseverfahren entwickelt, das hier schneller weiterhilft. Ihr Test fahndet nicht mehr nach einzelnen Krankheitserregern im Körper, sondern analysiert, wie das Immunsystem auf sie reagiert.

Von Lucian Haas | 19.09.2013
    Wenn ein Mensch mit einer fiebrigen Erkältung ins Krankenhaus kommt, steht der Arzt vor einer schwierigen Frage: Beruht dieser Infekt auf einem Virus oder sind Bakterien die Auslöser? Davon hängt die Entscheidung ab, ob der Mediziner besser antivirale Medikamente oder eher Antibiotika verabreichen sollte. Diagnostische Tests können hier weiterhelfen. Sie zielen darauf, die spezifischen Erreger direkt nachzuweisen. Doch es geht auch anders.

    "Bei herkömmlichen Tests kümmern wir uns darum, den Erreger zu erkennen. Das ist sehr effektiv um Infektionen nachzuweisen. Solche Verfahren brauchen aber viel Zeit und sind begrenzt auf Krankheitserreger, die schon bekannt sind. Unser Diagnoseansatz schaut gar nicht auf die spezifischen Krankheitskeime, sondern darauf, wie unser Körper auf die Erreger reagiert."

    Chris Woods ist Epidemiologe an der Duke University School of Medicine im US-Bundesstaat North Carolina. Gemeinsam mit Kollegen erforscht er neue Möglichkeiten der Infektionsdiagnostik. Viren lösen im Körper eine andere Reaktion des Immunsystems aus als Bakterien. Die Forscher haben ein Verfahren entwickelt, das Viren- oder Bakterieninfektionen anhand der Aktivität bestimmter Gene in den weißen Blutkörperchen unterscheiden kann.

    "Wir nehmen eine Blutprobe und isolieren im Labor daraus die RNA. Daran können wir die Genaktivität messen. Bei unserem Test achten wir auf einige ganz spezifische Gene, die auf vorhandene virale Krankheitserreger ansprechen."

    In Versuchen hatten die Forscher freiwillige Probanden gezielt mit Grippeviren infiziert, um die Immunreaktion zu untersuchen. In den Experimenten konnten sie rund 25 bis 30 Gene identifizieren, die bei einer Virusinfektion besonders aktiv sind. Wird eine Infektion hingegen von Bakterien ausgelöst, zeigen die gleichen Gene kein auffälliges Aktivitätsmuster. Die Trefferquote des Tests liegt bei rund 90 Prozent. Mit einer solchen Unterscheidungshilfe wäre es möglich, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Woods:

    "In den USA gibt es pro Jahr rund 23.000 Todesfälle im Zusammenhang mit antibiotikaresistenten Bakterien. Gefördert wird das durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika. Wir hoffen, dass der neue Test Ärzten dabei helfen kann, antibakterielle Therapien nur dann einzusetzen, wenn sie auch nötig sind. Das würde den Druck auf die Bakterien reduzieren, neue Resistenzen zu entwickeln."

    Der Test bringt noch andere Vorteile. Er reagiert nicht spezifisch auf einzelne Virustypen, sondern erkennt die Immunreaktion auf alle Arten von Grippeviren. Selbst wenn neue Varianten der Erreger auftauchen würden, sollte der Nachweis möglich sein, so Chris Woods. Das Verfahren könnte zudem helfen, auf Grippepandemien besser reagieren zu können. Denn die Immunreaktion des Körpers auf einen Virus lässt sich schon nachweisen, bevor typische Krankheitssymptome auftreten.

    "Dann kann man erkennen, welcher Patient wohl eher erkrankt, wenn er sich mit einem neuen Pandemie-Virus ansteckt. So wird es leichter zu entscheiden, welcher Patient am dringendsten eine antivirale oder andere Therapie erhalten sollte."

    Noch ist das neue Verfahren nicht reif für die klinische Praxis. Eine Analyse dauert derzeit rund zwölf Stunden und damit zu lang für akute Fälle. Chris Woods rechnet aber damit, die Analysen in den nächsten Jahren soweit vereinfachen zu können, dass diese Diagnostik auch in Notfallambulanzen einsetzbar wäre.