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Gentests im Vergleich

Wer einen Gentest machen lassen will, muss nicht zum Spezialisten gehen. Die Tests werden sogar im Internet angepriesen und verkauft. Dabei geht es nicht nur um Vaterschaftstests, sondern auch um Tests, die die gesundheitliche Zukunft des Auftraggebers vorhersagen sollen, so genannte Prädiktive Tests zu Allergiegefährdung, Suchtgefahr, Krebs- und Alzheimer-Risiko. Was unterscheidet Scharlatane und seriöse Anbieter? Wie aussagekräftig sind Gentests? Und: wann werden sie sinnvoll eingesetzt? Themen auf der derzeit in München stattfindenden Tagung der europäischen Humangenetiker.

Von Michael Lange |
    Jean kommt aus Frankreich, ist sechzehn Jahre alt. Und wenn die Franzosen in vier Jahren wieder um die Fußballeuropameisterschaft mitspielen sollten, dann wäre Jean gern als Spieler der Equipe Tricolor dabei gewesen. Denn er ist ein begeisterter und talentierter Fußballer. Aber da wird nun nichts draus. Schuld ist ein Gentest. Philippe Charron vom Krankenhaus Pité-Salpetriere in Paris stellte den Test auf der Europäischen Humangenetikertagung in München vor.

    Wir machten einen Gentest und fanden eine Genveränderung, die auch sein Vater aufweist. Sie erhöht das Risiko für Hypertrophe Kardiomyopathie. Eine Schädigung des Herzmuskels, die bei starker Belastung zum plötzlichen Herztod führen kann. Nur wenn er keinen Leistungssport treibt, kann er das Risiko des plötzlichen Herztods senken.

    Noch ist Jeans Herz gesund. Das EKG normal. Aber das wird nicht so bleiben. In seinen Genen steht geschrieben, dass die Gefahr wachsen wird. Das Risiko beim Sport ist zu hoch – und das bedeutet für den Sechzehnjährigen: nie mehr Fußball.

    Bislang wurden elf Gene entdeckt, die das Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, erhöhen. Fünf davon treten häufiger auf. Für sie stehen seit Kurzem spezifische Gentests zur Verfügung. Einige der Genveränderungen erhöhen das Risiko sehr stark, so dass die Experten eine Art Herzschrittmacher empfehlen. Bei manchen leichteren Fällen helfen Medikamente.

    Solche vorausschauenden Tests werden immer wichtiger. In den seriösen Beratungsstellen machen 100 zugelassene "prädiktive" Tests schon 20 Prozent aller Gentests aus. Die anderen dienen der Krankheits-Diagnostik und der Pränatal-Diagnostik. Risikofaktoren für bestimmte Formen von Darmkrebs, Brustkrebs, einzelne Herzerkrankungen und Nervenerkrankungen wie Chorea Huntington gehören zu diesen seriösen prädiktiven Tests. Aber auch das Angebot der unseriösen Anbieter – vor allem im Internet – wächst und wächst. Claus Bartram, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik, nennt einige der Schwarzen Schafe unter den Gentests.

    Ein Beispiel wäre Anlage für Suchterkrankung, oder Tumordisposition ganz allgemein, oder Osteoporose, oder Paradontitis, also Zahnfleischentzündung. Dieses sind Teste, die mit vielen anderen auf den Markt gebracht werden, am System vorbei, und es wird damit Werbung gemacht. Und auch die Blutabnahme, die ja einen Arzt irgendwie einschalten würde, wird umgangen, dadurch, dass man Speichelproben einschickt.... und dann bekommt man einen Salat von Antworten, mit denen weder ein Fachmann noch ein Laie etwas anfangen kann.

    Erforscht werden auch Gene, die das Risiko für Allergien, Diabetes, Alzheimer oder auch bestimmte Infektionskrankheiten beeinflussen. Dabei geht es den Wissenschaftlern zunächst darum, diese Krankheiten besser zu verstehen – vor allem das Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt. Das alles lässt sich im Prinzip testen. Aber die Testergebisse sagen wenig aus. Wer sie richtig einordnen will, braucht auf jeden Fall eine gute Beratung. Meist führt sie übrigens dazu, dass die Ratsuchenden nach der Beratung auf den Test verzichten.

    Deshalb ist unser Wunsch, dass diese unübersichtliche Situation, die jetzt auch in Deutschland entstanden ist, über das Internet, aber nicht nur über das Internet, das die durch ein Gendiagnostikgesetz geordnet wird.

    Alle im Bundestag vertretenen Parteinen haben diesem Anliegen zugestimmt – schon vor Jahren. Auch Anhörungen haben stattgefunden. Doch das Gesetz lässt auf sich warten. Möglicherweise sind Beamte und Politiker zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.