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Genua 2004

Am schönsten ist es sicherlich mit einem Passagierschiff vom ligurischen Meer aus in das Bacino Porto Vecchio zu fahren, in den alten Hafen. Das Schiff legt am Ponte Spinola an. Von diesem Kai aus ist es nur ein Katzensprung in die Altstadt von Genova - eine der an historischen Monumenten reichsten Altstädte ganz Europas. Nicht weit vom Kai aus entfernt und vom Meer aus gut sichtbar erhebt sich der weiße Palazzo Doria Pamphily - eine der prächtigsten Adelsresidenzen Genuas. Ein Architekturjuwel des 16. Jahrhunderts, dessen Säle und Decken mit Fresken und Stuckaturen verziert sind. Für das Jahr als europäische Kulturhauptstadt haben die Stadtväter nicht nur diese Fürstenresidenz, sondern alle wichtigen Palazzi restaurieren lassen, erläutert Germano Celant - dem, wie er in Genua genannt wird, "Supervisor” für das Jahr 2004:

Von Thomas Migge |
    Dieser Palast wie auch die meisten anderen historischen Bauwerke Genuas sind Protagonisten, Meisterwerke der italienischen Architekturgeschichte. Alte und neue Architektur sollen zusammengebracht werden, damit der Besucher einen vielseitigen Eindruck von dieser bei Ausländern immer noch recht unbekannten Stadt erhält. Bisher wird Genua leider viel zu oft nur von bürgerlichen Kulturliebhabern besucht.

    Celant hat sich als Kulturmacher international einen Namen gemacht: berühmt sind seine Ausstellungen, mit denen der Konservator des Guggenheim Museum in New York Heerscharen von Besuchern anlockt - wie die über Giorgio Armani als Modekünstler. Ähnliches soll er auch in Genua vollbringen - jener italienischen Stadt der Künste, die im Vergleich zu Venedig, Florenz und Rom nur von wenigen Touristen besucht wird. Und das, obwohl sie ebenso wie Venedig zahllose vor Kunst strotzende Paläste sowie eines der flächenmäßig größten mittelalterlichen Stadtzentren ganz Europas zu bieten hat. Neben der Restaurierung der alten Bausubstanz konzentrierte Celant die Arbeiten für das Jahr 2004 vor allem auf moderne Kunst, zeitgenössischen Tanz und große öffentliche Bauten, die vor Jahren begonnen und jetzt eröffnet werden können:

    Mir geht es darum, ein vielseitiges Angebot zu bieten: es wird 118 Kunstausstellungen über das Jahr verteilt geben. Kunstschauen zum Schaffen von Peter Paul Rubens, der jahrelang in Genua lebte und arbeitete, zur Geschichte von Kreuzfahrtschiffen wie auch zu den Beziehungen zwischen Design und Architektur. Es werden Ausstellungen zur Geschichte des ligurischen Volkes und zur Geschichte Genuas eröffnet. Ich will damit zeigen, dass Genua ein wesentlicher Bestandteile der Geschichte Italiens ist.

    Neben dem für Kulturhauptstädte üblichen Angebot an Kunst und Tanz, an Theater und Musik werden während des gesamten kommenden Jahres einige bisher der Öffentlichkeit verschlossene Paläste geöffnet. Darunter die barocken Adelspaläste der Familie Rolli und der Palazzo Pamphily. Die Stadtväter nutzten die europäische Kulturinitiative auch, um längst überfällige museale Strukturen zu schaffen. So wird die Via Garibaldi - in der sich neben dem Palazzo Reale und dem Palazzo Rosso rund weitere zehn historische Meisterwerke der italienischen Architekturgeschichte befinden - endlich zu einem Museumsparcours zusammengefasst: der Besucher kann mit einem Ticket alle Gebäude an einem Tag besichtigen. Bisher scheiterte das an hanebüchenen Öffnungszeiten. Auch in der Kleinstadt Nervi, ebenfalls an der ligurischen Küste und Teil von Genua, wurden verschiedene historische Villen und ihre Parks zu einer einzigen Museumseinheit zusammengefasst. Im kommenden Jahr werden in Genua auch neue Museen eröffnet: darunter das Meeresmuseum, entworfen von dem spanischen Architekten Guillermo Vasquez Consuegra. Germano Celant hat sich im Fall Genuas von Bilbao beeinflussen lassen. Auch die nordspanische Kleinstadt nahm das Jahr als Kulturhauptstadt zum willkommenen Anlass, um längst Überfälliges in punkto Kulturpolitik und Restaurierungen zu realisieren:

    Genua ist ein gutes Beispiel dafür, dass man innerhalb eines historischen Stadtkerns verschiedenste architektonische Entwicklungsstadien nachvollziehen kann. Wie im Fall von Bilbao geht es uns deshalb auch in Genua darum, Bestehendes zu restaurieren, Neues hinzuzufügen und die Stadt über das Jahr 2004 hinaus für den Tourismus interessanter zu machen.