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Geo-Archäologie
Wie der Untergang der Maya begann

Im guatemaltekischen Dschungel haben Forscher in zwei Maya-Städten ungewöhnliche Entdeckungen gemacht: Brandspuren und eine Kriegsinschrift. Die zwei Funde lassen sich miteinander verknüpfen und relativiert die weit verbreitete Vorstellung über den Untergang der Kultur des indigenen Volks.

Von Lucian Haas | 06.08.2019
Tempel bei Tikal, Guatemala
Ein glücklicher Zufall führte dazu, zwei geo-archäologische Funde miteinander verknüpfen zu können (picture alliance / blickwinkel / AGAMI/M. Guyt)
Die Geschichte der Maya zu rekonstruieren, ist nicht leicht. Zwar finden sich auf Ruinen steinerne Inschriften, die auf wichtige historische Ereignisse hinweisen. Doch die hieroglyphenartigen Maya-Schriftzeichen eindeutig zu interpretieren und die Schilderungen auch noch anhand weiterer Daten zu verifizieren, stellt Forscher seit Jahrzehnten vor große Probleme. Wohl dem, dem wie David Wahl ein – wie er selbst sagt – glücklicher Zufall zu Hilfe kommt:
"This study in large parts is the result of serendipity."
David Wahl ist Palaeo-Klimatologe an der University of California in Berkeley. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er daran, das Klima früherer Zeiten in Mittelamerika zu rekonstruieren. Dafür analysiert er unter anderem Bohrkerne mit Sedimentschichten eines Sees im Dschungel Guatemalas. Der See liegt in der Nähe der Ruinen einer früheren Maya-Stadt, die heute Witzna genannt wird. In den See-Sedimenten kann David Wahl zum Beispiel anhand der Vorkommen bestimmter Pflanzenpollen erkennen, wann dort einst in der Region intensivere Landwirtschaft betrieben wurde. Doch er machte auch noch eine andere Entdeckung:
"Wir haben eine einzigartige Schicht mit Holzkohle und Ascheablagerungen gefunden. Sie ist rund drei Zentimeter dick. So etwas habe ich in den 20 Jahren, in denen ich das schon mache, noch nicht gesehen. Wir können diese Kohleschicht auch sehr gut datieren. Sie muss zwischen 690 und 700 nach Christus abgelagert worden sein."
Zufall liefert passende Indizien
Wie es der Zufall so will, machten Archäologen in einer anderen Maya-Stätte namens Naranjo, 32 Kilometer südlich von Witzna gelegen, auch einen ungewöhnlichen Fund. Sie entdeckten eine Inschrift, die besagt, dass Naranjo im Jahr 697 unserer Zeitrechnung die Stadt Witzna angriff und niederbrannte. Normalerweise wären der Wahrheitsgehalt und die Bedeutung einer solchen Beschreibung für die Archäologen schwer zu überprüfen gewesen. Aber die Seesedimente aus genau dieser Zeit liefern ihnen passende Indizien:
"Das Überraschendste hieran ist, wie direkt wir die beiden Entdeckungen in einer Studie miteinander verknüpfen konnten. Ein solches Zusammentreffen verschiedener Datenreihen ist eine echte Seltenheit im Bereich der Geo-Archäologie."
Funde ändern bisherige Vorstellung über Maya-Untergang
David Wahl fand in den See-Sedimenten noch weitere Hinweise auf die massive Zerstörung Witznas und deren Folgen. In Ablagerungen aus der Zeit direkt nach den massiven Brandspuren sind viel weniger Pollen von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen enthalten. Das lässt die Forscher vermuten, dass nicht nur Gebäude abgebrannt wurden, sondern auch große Teile der Bevölkerung Witznas dem Städtekrieg zum Opfer fielen. Die Felder lagen deshalb brach. Interessant ist das mit Blick auf Vorstellungen über die Kriegskultur der Maya. Bisher waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass solche verheerenden Kämpfe zwischen den Stadtstaaten erst in der sogenannten terminalen klassischen Periode der Maya aufkamen. Das ist die Zeit zwischen 800 und 900 nach Christus. Die Feuersbrunst von Witzna ereignete sich aber mehr als 100 Jahre davor:
"Es zeigt sich also, dass solche umfassenden Kämpfe, die auch gegen die Bevölkerung gerichtet waren, schon früher in der klassischen Periode der Maya stattfanden. Das widerspricht der Theorie, dass diese Form der gewaltsamen Kriegsführung allein am Ende während der terminalen klassischen Periode auftrat."
Das bedeutet: Die Funde relativieren eine weit verbreitete Vorstellung über den Untergang der Maya-Kultur. Demnach sollen erst massive Umweltveränderungen dazu geführt haben, dass die Städte begannen, sich aus der Konkurrenz um limitierte Ressourcen heraus auf verheerende Weise zu bekämpfen. Doch offenbar waren heftige Kriegsformen auch schon während der Blütezeit der Maya präsent. Das rüttelt ein wenig am Fundament der Theorie, die Umweltzerstörung sei der Hauptkriegsgrund für die Maya gewesen.