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Geoengineering
Weltrettungsmaßnahme mit Nebenwirkungen

Mit Geoengineering in das Klima eingreifen - bislang simulieren das Wissenschaftler nur am Computer. Viele der Methoden, um die Erde abzukühlen, haben Nebenwirkungen. Und so könnten Kleinbauern im Nordwesten Indiens zu doppelten Verlieren gehören, denn sie leiden bereits jetzt unter dem Klimawandel.

Von Anne Demmer | 11.02.2015
    Der aufgerissene und ausgetrocknete Boden eines abgelassenen Fischteiches in Jänschwalde (Brandenburg) am 02.03.2014.
    Bislang kühlen die Wissenschaftler die Erde nur virtuell ab. (picture alliance / ZB / Patrick Pleul)
    "Vor rund 20 Jahren war das Wetter noch gut, jetzt verändert es sich nach und nach. Wir wissen nicht, wann der Regen kommt. Manchmal ist es so heiß, und es regnet wenig. Aber wir wissen nicht, woran das liegt."
    Während Wissenschaftler an einem Plan B für den Klimawandel forschen, passt sich der indische Kleinbauer Kalulal Dangi der Erderwärmung an. Von Geoengineering hat der indische Kleinbauer noch nie etwas gehört.
    Kalula Dangi bereitet das Feld für den Winterweizen vor, lockert die Erde mit einem Rechen. Er trägt ein traditionelles Beinkleid aus weißem Leinen und einen Turban. Sein Bruder gräbt mit einem Ochsen-Pflug tiefe Furchen in die rotbraune Ackererde. Mit dem Klimawandel wird das Leben in dem kleinen Dorf Sulawas im Nordwesten Indiens immer härter. Die Erntezeit hat sich verschoben. Auch im letzten Sommer kam der Regen zu spät. Tag für Tag schaute der 57-jährige Bauer in den Himmel, suchte vergeblich nach Regenwolken - bis der Wind endlich den ersehnten Sommermonsun brachte.
    "Die einzige Bitte, die wir an Gott haben: zur richtigen Zeit ausreichend Regen. Dann ist alles gut."
    Kalulal Dangi betet für den Regen. Indra, der Gott des Himmels soll ihn bringen. Oder - eine andere Option: Selbst ein bisschen Gott spielen. Gezielt in das Klima eingreifen. So wie es einigen Klimaforschern vorschwebt, die auf Geoengineering setzen.
    Computersimulationen zum Geoengineering
    Bislang kühlen die Wissenschaftler die Erde nur virtuell ab. In den Simulationen zeigt sich, dass sich die globale Durchschnittstemperatur grundsätzlich senken ließe, etwa mithilfe von Schwefelpartikeln, die in die Stratosphäre eingebracht werden, um die Sonnenstrahlen zu reflektieren. Je nach Dosierung klappt das mal mehr, mal weniger gut. Der Klimaforscher Alan Robock von der Rutgers Universität in New Jersey hat unterschiedliche Szenarien am Computer durchgespielt. In einer seiner Studien stellte er allerdings erhebliche Nebeneffekte fest. Es besteht die Gefahr, dass der Sommermonsun beeinträchtigt wird.
    "Der ja eigentlich für Regen in Ländern wie Indien und China sorgt, die im hohen Maße von ihrer Landwirtschaft abhängen. Wir haben herausgefunden, dass die Niederschlagsmenge während des Sommermonsuns reduziert würde."
    Experimente mit dem Klima
    Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Klimaforscher der Universität Leeds in Großbritannien. In ihren Simulationen trocknet die afrikanische Sahelzone komplett aus, und auch der indische Monsun wird beeinträchtigt, er könnte sogar unterbrochen werden. Sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, würden Milliarden Menschen darunter leiden. Kalulal Dangi und seine Familie müssten mit noch größerer Dürre rechnen. Vielleicht bliebe durch Geoengineering - durch die Experimente mit dem Klima - der Regen in Indien sogar ganz aus.
    Ohne ausreichend Regen wächst auf den Feldern von Kalulal Dangi kein Mais, kein Sesam, kein Weizen mehr. Fehlt seinen Ochsen und den Ziegen das Trinkwasser.
    "Wenn es längere Zeit keinen Regen gibt, wird uns die Lebensgrundlage entzogen. Ohne Wasser können wir nicht existieren. Das ist eine echte Bedrohung. Wir wissen gar nicht, was wir dann tun sollen."
    Zwei Drittel der 1,2 Milliarden Inder hängen von der Landwirtschaft ab, die etwa 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert. Die meisten sind Kleinbauern wie Kalulal Dangi. Der Direktor der indischen Denkfabrik Council on Energy, Environment and Water in Delhi Arunabha Ghosh macht sich Sorgen.
    "Wenn die Niederschlagsmuster verändert werden, verursacht das eine ganze Reihe von Problemen. Das Grundwasser wird nicht mehr aufgefüllt. Dieses Wasser brauchen wir aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Industrie, für das Leben in den Städten. Am Ende wird die ganze indische Wirtschaft davon betroffen sein."
    Kontroll-Gremium für Geoengineering-Forschung
    Wie würde die indische Regierung reagieren, wenn Millionen Menschen hungern müssten, weil ein Land X das Klima manipuliert hat, in der Hoffnung die Erderwärmung zu bremsen? Internationale Konflikte wären vorprogrammiert. Deswegen sollte unbedingt ein Kontroll-Gremium für Geoengineering-Forschung gegründet werden, fordert der Wissenschaftler.
    "Bevor irgendein Feldexperiment gemacht wird, muss es eine internationale Diskussion darüber geben. Geoengineering ist sehr gefährlich. Die geplanten Versuche könnten größer und größer werden. Solange es keine Regeln gibt, ist das schwer zu akzeptieren."
    Bislang gibt es kein Gesetz und kein internationales Gremium, das sich darum kümmert. Die Debatte über Chancen und Risiken des Geoengineering führen bislang vor allen Dingen Wissenschaftler in den USA, Deutschland und Großbritannien. Kalulal Dangi bekommt davon nichts mit.
    Der indische Bauer blickt über sein frisch bestelltes Feld, die Sonne geht bereits unter. Während seine Frau das Vieh zurück auf den Hof bringt, treibt er seine Brüder zur Eile an. Das Feld muss bald bewässert werden, wenn der Weizen gedeihen soll. Seit Generationen bewirtschaftet seine Familie das Land. Das Dorf zu verlassen, ist für Kalulal Dangi eigentlich undenkbar. Er hält kurz inne.
    "Wenn es tatsächlich anhaltend trocken bleibt, dann bliebe uns keine andere Möglichkeit, als in die Stadt zu ziehen."
    So wie Millionen andere Inder auch. Eine mögliche Folge, wenn in Zukunft im großen Stil mit dem Klima experimentiert werden sollte.