Christoph Schmitz: Die ganze Jahrhunderte alte Geschichte des Berliner Stadtschlosses ist nur der Bruchteil einer Sekunde gemessen an den Zeitdimensionen anderer Überbleibsel früherer Epochen der Welt. Die Versteinerungen des Urvogels Archaeopterix sind 150 Millionen Jahre alt. Diese seltsamen Tiere waren nicht mehr so richtige Dinosaurier, aber auch noch keine richtigen Vögel. Weltweit sind in den vergangenen gut 100 Jahren gerade einmal zehn Versteinerungen gefunden worden. In Bayern scheinen sie besonders gerne gelebt zu haben. Vor 20 Jahren tauchte ein junges Exemplar auf, das aber nur als Abguss gesehen wurde – es ist das achte Exemplar. Die Paläontologie konnte am Original nicht forschen. Vor wenigen Monaten erwarb es der Geologe und Präsident der Firma Dinosaurier International Raimund Albersdörfer, ab heute Abend können Wissenschaftler aus der ganzen Welt in München zum ersten Mal das Original wenige Tage lang durchleuchten und mit fünf weiteren Versteinerungen des Urvogels vergleichen. Was ist möglicherweise das Besondere am Exemplar Nummer acht?, habe ich Raimund Albersdörfer in München gefragt.
Raimund Albersdörfer: Das Besondere an dem Stück ist insbesondere, dass es sich um das jüngste Archaeopterix-Exemplar handelt. Es wurde nicht in der bisher eigentlichen Gegend rund um Solnhofen/Eichstätt gefunden, sondern etwas südlich bei der kleinen Ortschaft Daiting. Und die dort aufgeschlossenen Schichten sind eben etwa 500.000 Jahre jünger als die Sedimente bei Solnhofen. Und damit ist dann auch der Fund dieses achten Urvogels eben deutlich jünger als die anderen bekannten Stücke. Was bedeutet, dass es sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht mehr um die altbekannte Art Archaeopterix lithographica, sondern möglicherweise schon um eine weiter in der Evolution sich herausgearbeitet habende Form von Archaeopterix und vielleicht sogar einer neuen Gattung handelt.
Schmitz: Das heißt, es ist möglicherweise das fehlende Puzzleteil, um die evolutionäre Entwicklung vom Saurier zum Vogel zu schließen?
Albersdörfer: Sagen wir mal, es ist ein weiteres Puzzleteil, es ist sicherlich nicht das entscheidende Puzzleteil, weil das entscheidende Puzzleteil ist eigentlich der Archaeopterix an sich, der diesen Spalt geschlossen hat zwischen den kleinen Raubdinosauriern und den Vögeln.
Schmitz: Es ist, als wäre ein verschollenes Kunstwerk von Leonardo da Vinci aufgetaucht, so hat das der bayerische Paläontologe Oliver Rauhut gesagt. Können Sie sich dem anschließen?
Albersdörfer: Sicherlich kann man sich anschließen. Wenn man bedenkt, dass in 150 Jahren gerade mal zehn Exemplare bekannt geworden sind, gefunden worden sind, dann ist das sicherlich eine ganz, ganz herausragende Entdeckung.
Schmitz: Heute Abend werden Wissenschaftler in München aus aller Welt die Versteinerung, die Sie gerade geschildert haben, untersuchen können, wenige Tage, bevor am Samstag dann das Publikum allgemein Zugang haben wird auf der Messe in München. Welche Erkenntnisse erwarten Sie sich von den Untersuchungen der Wissenschaftler?
Albersdörfer: Also ich habe gerade den Herrn Mark Norell aus New York begrüßen dürfen, das ist einer der weltweit besten Spezialisten für solche fossilen Vögel. Und dann haben wir auch hier in München den Herrn Dr. Oli Rauhut sitzen, der sich ebenfalls sehr, sehr gut damit auskennt. Und die beiden haben sich schon ganz intensiv Gedanken gemacht über das Stück. Ist vielleicht ein bisschen früh jetzt, da schon Schlüsse preisgeben zu wollen. Aber es ist sicherlich zu erwarten, dass sich von der Skelettmorphologie her schon deutliche Fortschritte im Vergleich zu den bisherigen Archaeopterix-Exemplaren ergeben werden.
Schmitz: Insgesamt sechs Urvögel-Versteinerungen werden zu sehen sein. Warum soll das etwas Besonderes sein?
Albersdörfer: Ja, weil diese bisher bekannten zehn Exemplare eben auf Museen über ganz Europa verstreut verteilt sind und jetzt zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt mehr als drei dieser Skelette sich an einem Ort befinden und dann eben auch von den Wissenschaftlern in direktem Vergleich studiert werden können. Und eben ist es für die Öffentlichkeit eine ganz tolle Sache, dass sich diese Ikone der Paläontologie, dieses wichtigste Fossil eigentlich für die Darwinsche Evolutionstheorie, jetzt in so vielen Belegen auf einem Ort versammelt haben.
Schmitz: Herr Albersdörfer, ist dieses jüngste Exemplar, über das wir anfangs sprachen, eine Art Mona Lisa?
Albersdörfer: Das ist für die Paläontologie die Mona Lisa schlechthin, ja.
Schmitz: Warum wird es dann vom Denkmalschutz nicht als Kulturgut deklariert, sodass jeder damit handeln kann, private, aber dadurch möglicherweise die Wissenschaft, wie das in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war, nicht den rechten Zugriff darauf hatte?
Albersdörfer: Es ist sicherlich das Hauptproblem, dass diese Stücke erst mal gefunden werden müssen. Und da leisten Sammler und Händler einen ganz enormen Beitrag dazu. Und es ist wichtig, dass diese Sammler und Händler motiviert bleiben, diese umfangreichen Grabungen, die von wissenschaftlicher Seite nie würden durchgeführt werden können, weiterhin aufrechterhalten zu können. Und wenn dann ein Sammler mal so ein Stück gefunden hat, ist er in aller Regel sicherlich gerne bereit, das dann auch einem Museum zur Verfügung zu stellen oder auch letzten Endes dann zu verkaufen.
Schmitz: Werden Sie das auch tun?
Albersdörfer: Ich würde anbieten, mich zu verpflichten, das Stück niemals an eine nicht staatliche Stelle zu verkaufen und es auf Dauer der Wissenschaft zugänglich zu halten. Im konkreten Fall wird das Stück jetzt erst mal als Dauerleihgabe einem, ich denke mal, süddeutschen Museum zur Verfügung gestellt werden und über meinen Tod hinaus sicherlich nicht in private Hände zurückkehren.
Schmitz: Der Geologe Raimund Albersdörfer über die Archaeopterix-Sammlung in München.
Raimund Albersdörfer: Das Besondere an dem Stück ist insbesondere, dass es sich um das jüngste Archaeopterix-Exemplar handelt. Es wurde nicht in der bisher eigentlichen Gegend rund um Solnhofen/Eichstätt gefunden, sondern etwas südlich bei der kleinen Ortschaft Daiting. Und die dort aufgeschlossenen Schichten sind eben etwa 500.000 Jahre jünger als die Sedimente bei Solnhofen. Und damit ist dann auch der Fund dieses achten Urvogels eben deutlich jünger als die anderen bekannten Stücke. Was bedeutet, dass es sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht mehr um die altbekannte Art Archaeopterix lithographica, sondern möglicherweise schon um eine weiter in der Evolution sich herausgearbeitet habende Form von Archaeopterix und vielleicht sogar einer neuen Gattung handelt.
Schmitz: Das heißt, es ist möglicherweise das fehlende Puzzleteil, um die evolutionäre Entwicklung vom Saurier zum Vogel zu schließen?
Albersdörfer: Sagen wir mal, es ist ein weiteres Puzzleteil, es ist sicherlich nicht das entscheidende Puzzleteil, weil das entscheidende Puzzleteil ist eigentlich der Archaeopterix an sich, der diesen Spalt geschlossen hat zwischen den kleinen Raubdinosauriern und den Vögeln.
Schmitz: Es ist, als wäre ein verschollenes Kunstwerk von Leonardo da Vinci aufgetaucht, so hat das der bayerische Paläontologe Oliver Rauhut gesagt. Können Sie sich dem anschließen?
Albersdörfer: Sicherlich kann man sich anschließen. Wenn man bedenkt, dass in 150 Jahren gerade mal zehn Exemplare bekannt geworden sind, gefunden worden sind, dann ist das sicherlich eine ganz, ganz herausragende Entdeckung.
Schmitz: Heute Abend werden Wissenschaftler in München aus aller Welt die Versteinerung, die Sie gerade geschildert haben, untersuchen können, wenige Tage, bevor am Samstag dann das Publikum allgemein Zugang haben wird auf der Messe in München. Welche Erkenntnisse erwarten Sie sich von den Untersuchungen der Wissenschaftler?
Albersdörfer: Also ich habe gerade den Herrn Mark Norell aus New York begrüßen dürfen, das ist einer der weltweit besten Spezialisten für solche fossilen Vögel. Und dann haben wir auch hier in München den Herrn Dr. Oli Rauhut sitzen, der sich ebenfalls sehr, sehr gut damit auskennt. Und die beiden haben sich schon ganz intensiv Gedanken gemacht über das Stück. Ist vielleicht ein bisschen früh jetzt, da schon Schlüsse preisgeben zu wollen. Aber es ist sicherlich zu erwarten, dass sich von der Skelettmorphologie her schon deutliche Fortschritte im Vergleich zu den bisherigen Archaeopterix-Exemplaren ergeben werden.
Schmitz: Insgesamt sechs Urvögel-Versteinerungen werden zu sehen sein. Warum soll das etwas Besonderes sein?
Albersdörfer: Ja, weil diese bisher bekannten zehn Exemplare eben auf Museen über ganz Europa verstreut verteilt sind und jetzt zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt mehr als drei dieser Skelette sich an einem Ort befinden und dann eben auch von den Wissenschaftlern in direktem Vergleich studiert werden können. Und eben ist es für die Öffentlichkeit eine ganz tolle Sache, dass sich diese Ikone der Paläontologie, dieses wichtigste Fossil eigentlich für die Darwinsche Evolutionstheorie, jetzt in so vielen Belegen auf einem Ort versammelt haben.
Schmitz: Herr Albersdörfer, ist dieses jüngste Exemplar, über das wir anfangs sprachen, eine Art Mona Lisa?
Albersdörfer: Das ist für die Paläontologie die Mona Lisa schlechthin, ja.
Schmitz: Warum wird es dann vom Denkmalschutz nicht als Kulturgut deklariert, sodass jeder damit handeln kann, private, aber dadurch möglicherweise die Wissenschaft, wie das in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war, nicht den rechten Zugriff darauf hatte?
Albersdörfer: Es ist sicherlich das Hauptproblem, dass diese Stücke erst mal gefunden werden müssen. Und da leisten Sammler und Händler einen ganz enormen Beitrag dazu. Und es ist wichtig, dass diese Sammler und Händler motiviert bleiben, diese umfangreichen Grabungen, die von wissenschaftlicher Seite nie würden durchgeführt werden können, weiterhin aufrechterhalten zu können. Und wenn dann ein Sammler mal so ein Stück gefunden hat, ist er in aller Regel sicherlich gerne bereit, das dann auch einem Museum zur Verfügung zu stellen oder auch letzten Endes dann zu verkaufen.
Schmitz: Werden Sie das auch tun?
Albersdörfer: Ich würde anbieten, mich zu verpflichten, das Stück niemals an eine nicht staatliche Stelle zu verkaufen und es auf Dauer der Wissenschaft zugänglich zu halten. Im konkreten Fall wird das Stück jetzt erst mal als Dauerleihgabe einem, ich denke mal, süddeutschen Museum zur Verfügung gestellt werden und über meinen Tod hinaus sicherlich nicht in private Hände zurückkehren.
Schmitz: Der Geologe Raimund Albersdörfer über die Archaeopterix-Sammlung in München.