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Geologische Spezialitäten

Das kleinste deutsche Mittelgebirge ist das Kyffhäusergebirge südlich des Harzes. Am besten man entdeckt seine Höhenzüge entlang des Kyffhäuser-Wanderweges. Der ist ausgezeichnet als "Qualitätsweg wanderbares Deutschland".

Von Eva Firzlaff |
    Der Kyffhäuserweg ist ein Rundweg, so ist es egal, wo man einsteigt.
    Wir starten am Nordrand, in Tilleda, weit unter dem riesigen Kyffhäuserdenkmal, und besuchen mit Michael Dapper die Königspfalz.

    "Die Pfalz Tilleda ist die einzige komplett ausgegrabene und erforschte Pfalz, die alle Elemente, die dazugehören, zeigt: Befestigungen, Wirtschaftseinrichtungen und die Repräsentationsbauten. Und das für die Zeit des Früh- und Hochmittelalters. Die Pfalz war von etwa 700 bis ins 13. Jahrhundert ständig in Betrieb."

    Die ständig umherreisenden deutschen Könige und Kaiser nutzen ihre über das Reich verteilten Pfalzen als zeitweilige Residenzen. Sie kamen mit Familie und Hofstaat – einige Hundert Leute - und blieben etwa zwei Wochen. Dann war wohl die Gegend leer gefressen. Das Tor zur inneren Burg ist rekonstruiert, genauso einige Hütten, Ställe und Werkstätten, in denen man damalige Technik ausprobieren kann. Die mittelalterliche Drechselbank wird angetrieben wie Großmutters Nähmaschine.

    "Hier muss man einfach treten und dann hält man das so dran. Das ist also eines der Stücke, die hier auch ausprobiert werden."

    Von der Pfalz zum Wald gehen wir durch ausgedehnte Obstplantagen. Im Herbst kann man sich den Bauch voller Äpfel schlagen und Anfang Juli Unmengen reifer Kirschen gleich vom Baum naschen. Schon vor 800 Jahren wurden hier Obstbäume gepflanzt, weil es im Regenschatten des Harzes wärmer ist und eben selten regnet, günstig für die Baumblüte.

    "Das sind insgesamt 450 Hektar, damit eines der größten geschlossenen Streuobstgebiete in Mitteldeutschland mit 50.000 hochstämmigen Bäumen. Vorwiegend Kirschen, etwa die Hälfte – 25.000, 35 verschiedene Sorten, alles Süßkirschen. Der Rest teilt ich dann in Äpfel, Birnen, Pflaumen, Nüssen."

    Der Streuobstverein versucht, die alten Plantagen zu erhalten. Besonders freut sich Frank Meyer über den Sortengarten.

    "Das ist ein Stückchen Erde mit 3,4 Hektar, die wir gefunden haben hinter der Königspfalz. Und das schöne ist: an dieser Stelle stehen die unterschiedlichsten Sorten an Birnen, Äpfeln, Kirschen und Pflaumen. Und im Sortengarten ist auch noch ein Muttergarten. Dort werden die alten Sorten wieder nachgezüchtet."

    Am Sortengarten vorbei führt der Kyffhäuserweg. Nun geht es straff bergauf – mit Ziel Bad Frankenhausen. Immer mal bietet sich ein Postkartenblick auf das Kyffhäuserdenkmal auf dem Nachbarberg. Wenn der erste große Anstieg geschafft ist, läuft man eine Weile oben auf der Höhe. Es ist ein zusammenhängendes Waldgebiet und gilt zwar als das kleinste deutsche, aber immerhin Mittelgebirge. Die höchsten Gipfel messen um die 450 Meter.

    Nach zehn Kilometern erreichen wir einen riesigen Rundbau mit plattem Dach, am Südrand des Kyffhäusers oberhalb von Bad Frankenhausen. Drinnen das Panoramamuseum. Ein gigantisches Rundgemälde ohne Anfang und Ende. Die DDR-Führung wünschte ein Schlachtenpanorama aus dem Bauernkrieg. Doch dargestellt ist nicht der tatsächliche Ablauf. Werner Tübke hat mit dem Monumentalgemälde eine ganze Epoche interpretiert in Allegorien und Metaphern. Alleine sieht man längst nicht alle und versteht sie erst recht nicht. Deshalb beginnt immer zur vollen Stunde eine kostenlose Führung. Wilfried Neumärkel:

    "Das Wichtige ist eben auch, dass in diesem Bild diese Grunddinge des Lebens wie Geburt und Tod, Moral und Gerechtigkeit, gut und böse - die sind ja für die Menschen von Anfang an da gewesen und spielen heute noch genauso die Rolle. Dadurch hat er diese Symbole, diese Gleichnisse. Und die kann man ja heute noch genauso nutzen. Ob das die Dunkelmänner sind oder viele andere Dinge."

    Auf diesem Berg hatte sich 1525 ein großes Bauernheer zusammengezogen um den Priester Thomas Münzer. Der Berg heißt heute Schlachtberg, denn hier wurde gemetzelt. Das Fürstenheer hatte die Bauern umzingelt, Thomas Müntzer predigte und man erzählt: Plötzlich erscheint über ihm ein großer Regenbogen. Die Bauern deuten das als Zeichen Gottes, dass sie nicht kämpfen brauchen. Sie strecken die Waffen und die Landsknechte schlagen zu. Innerhalb einer halben Stunde sollen sie 6000 Bauern getötet haben. Fred Böhme:

    "Das Frankenhäuser Ereignis war keine Schlacht, das war ein Massaker. Ich weiß nicht, ob das in einer halben Stunde war. Ich weiß nur: Es hat noch am Folgetag Massenexekutionen unten in der Stadt gegeben. Die sind in heilloser Flucht runter gelaufen. Wahrscheinlich sind sie davon ausgegangen, sie sehen diese Himmelserscheinung, dass sie nicht kämpfen müssen, dass Gottvater das mit seinen himmlischen Heerscharen für sie erledigen wird. Und dann brach für sie einfach die Welt um, anstatt das Strafgericht über die Obrigkeit kommt, kommt ein Strafgericht über sie selber."

    Das Panoramagemälde gilt als kultureller Gedächtnisort von besonderer Bedeutung.

    Es geht bergab nach Bad Frankenhausen. Schon von oben sehen wir Deutschlands schiefsten Turm. Der Turm der Oberkirche steht mindestens genauso schief, wie der berühmte in Pisa. Und den Fachwerkhäusern von 1500 etwa sieht man einstigen Reichtum an. Hier wurde weißes Gold gewonnen - Salz. Herbert Knischka:

    "Die Stadt Frankenhausen war im Mittelalter eine der größten Salinen in Deutschland. Und man war auch bis ins 17. Jahrhundert führend in der Technologie. Es gibt die allerersten überlieferten schriftlichen Abhandlungen über das Salinewesen von Pfännern, so hießen die, die das Salz gesiedet haben, von Pfännern aus Frankenhausen."

    Als später anderswo Salz billiger gewonnen wurde, entdeckte man bald die Heilwirkung der Sole. Und Frankenhausen wurde zum Kurort. Durch den Ort plätschert die Kleine Wipper. Schon im 16. Jahrhundert zweigten Mönche von der in einiger Ferne fließenden großen Wipper einen Kanal ab. Das Wasser sollte die Förderpumpen antreiben.

    "Die haben einen Kanal gebaut und stießen unterwegs auf einen großen Berg. Dann haben sie es doch geschafft, einen Tunnel zu bauen, damals im 16. Jahrhundert. Und zwar von zwei Seiten kommend. Und sie haben sich in der Mitte getroffen."

    Wir steigen mit Claudia Wicht von Bad Frankenhausen wieder hoch in den Kyffhäuser – jetzt auf dem Geopfad Südkyffhäuser. Unterwegs nimmt sie zwei kleine dunkelgraue Steine und reibt diese aneinander.

    "Hier habe ich also zwei Steine, Stinkschiefer. Und hier ... riechen Sie mal. Es riecht nach Schwefelwasserstoff, also Faulschlamm. Als das Zechsteinmeer zurückging und Schlamm und Schlick übrig blieb, versanken da drin die Pflanzen und Tiere. Und sind also verrottete Pflanzen und Tiere, wie wir jetzt hier sozusagen wieder frei rubbeln."

    Der Kyffhäuser ist Teil des gleichnamigen, aber noch größeren Geoparks. Das besondere hier:

    "Im Südkyffhäuser haben wir hauptsächlich den Karst, also diese ganzen Karst-Erscheinungen. Der Gips nimmt Wasser auf, ist also ein sehr bröseliges Gestein, und wölbt sich nach oben, das sind Quellkuppen, quillt also nach oben. Und unterirdisch entstehen dann Hohlräume. Der größte bekannte Hohlraum ist ja die Barbarossahöhle. Und wenn Sie dort hin kommen, dann werden Sie sehen: über der Barbarossahöhle ist eine riesige Quellkuppe."

    Zwischen den Hügeln, Quellkuppen genannt, sehen wir immer wieder Einsturztrichter, Dolinen. Ab und zu leuchtet weißer Stein zwischen Erde und Laub, daneben bröselt es schmutzig-grau.

    "Das ist verwitterter Gips, der wird dann wie Gipsmehl. Und der ist dann durch den Regen ausgewaschen. Wenn ich jetzt hier anfasse, das ist also ganz bröselig. Verwitterter Gips. Daneben – der Kontrast ist natürlich genial – daneben haben wir Gips noch als Gestein. Wir nennen so was Alabasteraugen. Das ist also schneeweißer Gips in seiner allerreinsten Form und ist einfach wunderschön."

    Der abwechslungsreiche Wanderweg führt durch Buchen- und Eichenwald, windet sich auf der Höhe um enge Täler. Neben uns geht es steil in die Tiefe. Weil es hier trocken und warm ist – dazu der Karstboden, in dem das wenige Wasser versickert - wachsen an den sonnigen Südhängen Pflanzen, die ansonsten am Mittelmeer zu Hause sind.
    Um 1860 suchen Bergleute aus dem Mannsfeld hier nach Kupfer, fanden sogar welches, doch es lohnte sich nicht – und sie fanden eine riesige Höhle.

    "Da hatten sie natürlich ein Problem. Mit Kupferschiefer wollten sie Geld verdienen, das hat ja nun nicht geklappt. Da haben sie sich gesagt: Wir machen aus dieser Höhle eine Schauhöhle und lassen die Touristen bezahlen. Und das seit Januar 1866."

    Hans Georg Ebert. Schaulustige kamen in Scharen. Wir laufen durch weit gestreckte Hohlräume, von den Decken hängen sogenannte Gipslappen, sieht ein bisschen aus wie graue Wäschefetzen auf einem engen Trockenboden. Es gibt weltweit nur zwei solcher Höhlen, die andere ist im Ural.

    "Die Höhle ist 200.000 Jahre alt. Anhydrit heißt es ja, schwefelsaurer Kalkstein oder Kalziumsulfat. Besitzt die Fähigkeit, kann aus Luftfeuchtigkeit Wasser aufnehmen und sein Volumen vergrößern. Und wächst dann zu diesen Gipslappen aus der Decke heraus bis die so lang sind, dass sie runterfallen. Fallen sie auf den Boden, bleiben sie liegen. Fallen sie in einen der Seen, dann lösen sie sich auf. Die Höhle entsteht also weiter, sie wird sich verbrauchen. Und irgendwann bricht sie mal zusammen. Da vergehen aber noch ein paar Hunderttausend Jahre."

    Schon im Mittelalter, als von dieser Barbarossahöhle noch keiner wusste, erzählte man sich: Kaiser Barbarossa würde in einer Höhle im Südkyffhäuser schlafen.

    Der Kyffhäuserweg geht jetzt eine Weile übers Feld – mit Blick auf die bewaldeten Berge. Dann wandern wir weiter oben auf der Höhe, nun am Nordrand des Kyffhäusers. Das berühmte Denkmal taucht erst spät auf zwischen den Bäumen. Einst stand hier die Reichsburg Kyffhausen. Gebaut für Barbarossa, doch der soll nie in der Burg gewesen sein. Heiko Kolbe gibt den Verwalter Gerwig von Kyffhausen.

    "Der tiefste Burgbrunnen dieser Erdenscheibe wurde zwischen 1140 und 1170 in den Fels getrieben. Etwa 30, vielleicht auch 40 Jahre, so glaubt man aus heutiger Sicht, hat man sich daran schinden müssen. Der Wünschelrutengänger hatte versprochen, man findet Wasser. Er hatte recht, wenn es auch sehr lange dauerte. In 176 Metern Tiefe wurde endlich eine Quelle entdeckt durch diese mutigen Brunnenbauer. Denen war so mulmig zumute, in dieser gewaltigen Tiefe auf den Grund und Boden unter sich zu schlagen, dass denen die Knie schlotterten, das konntest Du bis oben an den Brunnenrand hören. Denn wer klopft schon auf einer Erdenscheibe herum in der Angst, man fällt dort unten raus?"

    Es war eine gewaltige Burg, wie jetzt noch die Reste von Ober-, Mittel- und Unterburg zeigen. Hier - weithin sichtbar – entstand vor über 100 Jahren Deutschlands zweitgrößtes Denkmal.

    "Ein Denkmal für Wilhelm I. Er, der neue Kaiser des Reiches war 1888 verstorben. Ihm zu Ehren baute man dieses riesige Denkmal auf die Gemäuer der alten Reichsburg vom Kaiser Rotbart. Wilhelm reitet fortan voller Stolz aus dem Denkmal heraus. Das Reiterstandbild hat eine stattliche Höhe von zehn Metern. Dieses Denkmal ist insgesamt 81 Meter hoch vom Grundstein gemessen."

    Weit unter dem riesigen Reiterstandbild sitzt der in Stein gehauene Barbarossa.

    Wir steigen 247 Stufen hoch bis ganz oben auf den Denkmalsturm, genießen die Aussicht auf den dichten Kyffhäuserwald, weite Felder, den Harz. Dann geht es durch die Unterburg und in einem steilen Hohlweg bergab. Durch die Obstbaumwiesen zurück nach Tilleda.

    Infos:
    www.kyffhäuser-tourismus.de
    Informationen zu allen deutschen Geoparks: www.geo-union.de