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Geologischen Methusalems auf der Spur

Geologie. - Wer die Vergangenheit erforscht, braucht dafür auch exakte "Uhren". So dient die berühmte C14-Methode etwa zur Datierung in der Frühgeschichte der Menschheit. Noch weiter zurück - sogar bis in die Kinderstube der Erde - reichen die Verfahren, die ganz ähnlich mit Uran und Blei arbeiten. Neben Forschern interessieren sich aber auch andere Zweige für möglichst exakte Altersbestimmungen, darunter auch Grubengesellschaften, die nach Gold suchen. Für solche Aufträge sind zwei australische Ionensonden prädestiniert: SHRIMP.

Von Dagmar Röhrlich |
    Mileura ist eine Schaffarm, 800 Kilometer nordöstlich der westaustralischen Hauptstadt Perth. Roter Lateritboden, so weit das Auge reicht, staubbedeckte Sträucher, struppige Bäume und Felsen. Hier, in den Jack Hills, werden in groben, weißlichen Sandsteinen die ältesten Zirkonkristalle der Welt gefunden:

    Das ist die Fundstelle der ältesten Zirkonkristalle der Welt. Die Steine, auf denen wir sitzen, sind ungefähr drei Milliarden Jahre alt, wenn wir vom jüngsten hier datierten Kristall ausgehen. Aber sie enthalten ein Spektrum von Zirkonen, die beträchtlich älter sind - und der bislang älteste bringt es auf 4,405 Milliarden Jahre.

    Als dieser Bruchteile von Millimetern winzige Kristallsplitter entstand, war die Erde 150 Millionen Jahre jung - das ergaben die Messungen der Sensitive High Resolution Ion MicroProbe - kurz SHRIMP - an der Curtin-University in Perth. Inzwischen hat die Universität zwei dieser gewaltigen Sonden zur Altersbestimmung, die sich nur mit einem Weitwinkelobjektiv aufs Photo bannen ließen. Bei einer konventionellen Datierung wird ein Zirkon chemisch aufgelöst und anschließend datiert, und das Ergebnis ist ein Durchschnittswert über den ganzen Kristall. Aber damit vergeudet man sehr viele Informationen, die im Zirkon stecken, erklärt der Leiter des SHRIMP-Labors Allen Kennedy:

    Der große Vorteil unseres Instruments ist, dass wir einzelne Wachstumszonen im Mineral untersuchen können. Ein Zirkon wächst in Schüben über Jahrmillionen hinweg, so dass wir in ihm verschieden alte Zonen finden: Damit überliefert er auch noch nach Jahrmilliarden die Erdgeschichte.

    Die Wachstumszonen eines Zirkons sind im Grunde Baumringe - nur, dass man sie nicht abzählt: Vielmehr verrät das Verhältnis zwischen Uran und Blei das Alter. Gerade wird eine Probe gewechselt, vollautomatisch. Drei Stück warten immer in der Vakuumkammer auf ihre absolute Datierung. Dazu wird zunächst Sauerstoff in einem Plasma ionisiert:

    Die Ionen, die dabei im Plasma entstehen, werden jetzt in diesem Teil beschleunigt und auf ihr Ziel, die Zirkonprobe also, fokussiert. Unsere Proben sind kleiner als ein Stecknadelkopf, und wir messen einen Bereich von 15 Tausendstel Millimetern. Die Sauerstoffionen prallen auf diesen winzigen Punkt und schlagen dabei Atome, Moleküle und auch die Ionen von Uran und Blei heraus, die dann - wie beim Billard - in alle Richtungen davonfliegen. Weil auch diese Ionen elektrisch geladen sind, könne wir sie durch das ganze Instrument weiterleiten.

    Über diverse Stationen werden in einem Strahlengang die Blei- und Uran-Ionen für die Altersbestimmung beschleunigt und erneut fokussiert. Jetzt fliegen sie durch einen Magneten:

    Der Magnet trennt die Ionen nach ihrer Masse auf. Die schweren fliegen weiter nach außen, die leichten nach innen. Dort hinten sitzt ein Kollektor, der jedes einzelne Ion zählt, das angeflogen kommt. Das Alter des Zirkons bekommen wir, weil anfangs, als er kristallisierte, kein Blei in ihm war, sondern nur Uran. Das radioaktive Uran zerfällt mit der Zeit zu Blei, und wenn wir dann messen, wie viel von diesem Blei da ist, können wir das Alter dieser Wachstumszone im Zirkon genau ausrechnen.

    Altersdatierungen mit der SHRIMP sind eine schnelle Sache. Innerhalb eines Tages haben die Geologen ihre Ergebnisse. Das ist wichtig, denn unzählige der gelblichen Kristalle aus den Jack Hills wurden gemessen, ehe eine Handvoll mit dem unglaublichen Alter von mehr als vier Milliarden Jahren gefunden worden waren. Sie alle erzählen, dass es vor 4,4 Milliarden Jahren eine Erdkruste gegeben hat - und flüssiges Wasser, das Seen oder vielleicht sogar Meere bildete. Und sie erzählen, dass vor 3,7 Milliarden Jahren das vielleicht erste Gebirge auf der Erde entstanden ist. Nur - ob es damals schon Leben gab - das ist und bleibt das große Rätsel.