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Georg Friedrich Händel: “Aci, Galatea e Polifemo”

* Musikbeispiel: G.F.Händel - ‘Sorge il dì’ aus "Aci, Galatea e Polifemo”, HWV 721 Mit diesem Duett Aci/Galatea " Sorge il dì" beginnt die Cantata a tre "Aci, Galatea e Polifemo", der Emmanuelle Haïm dieser Aufnahme als Ouvertüre eine Satzfolge aus Händels Concerto grosso op. 3 Nr. 4 in F-dur vorangestellt hat. Gleich zu Beginn wird hörbar, dass es sich hier um eine exquisite, sehr ausnuancierte Interpretation handelt, bei der die hohe Gesangskunst dominiert. Nach historischen Gesichtspunkten mag diese Interpretation vielleicht nicht authentisch sein, dennoch überzeugt sie in ihrer Intensität mehr als zum Beispiel die Referenz-Aufnahme von Charles Medlam und dem London Baroque mit Emma Kirkby, Carolyn Wattkinson und David Thomas aus dem Jahre 1986.

Christiane Lehnigk |
    Nun haben sich ja in der Zwischenzeit auch wieder die großen Opernstimmen in der vokalen Barockmusik durchgesetzt und Sandrine Piau, Sara Mingardo und Laurent Naouri sind virtuose Spezialisten auf dem Gebiet der barocken Oper. Und mit Emmanuelle Haïm hat sich in den letzten beiden Jahren eine junge Dirigentin etabliert, die sich zwar nicht nur, aber gerade im Besonderen den Opern und anderen Vokalwerken Händels mit großem Erfolg widmet. Nach ihrem aufsehenerregenden Debüt mit Händels "Rodelinda" 2001 in Glyndebourne hat sich die Cembalistin und Dirigentin Emmanuelle Haïm schnell einen Namen in der Internationalen Alten Musikszene gemacht. Früher spielte sie bei William Christie und "Les Arts Florissants", seit 3 Jahren hat sie mit "Le Concert d'Astrée" ein eigenes hochkarätiges Ensemble, mit dem sie ihre Vorstellungen von lebendiger, undogmatischer Barockmusik durchsetzen kann. Dass sie in ihrer Arbeit auch von Christophe Rousset und Marc Minkowski beeinflusst wurde, ist dabei unverkennbar.

    Nach den "Arkadischen Duetten" von Händel hat Haïm mit der Kantate "Aci, Galatea e Polifemo" ihre zweite CD-Einspielung auf den Markt gebracht. Diese "Cantata a tre" ist ein Jugendwerk Händels aus seiner italienischen Zeit, weist ihn aber schon als versierten Operndramatiker aus. Den Stoff aus Ovids Metamorphosen hat Händel insgesamt dreimal bearbeitet, einmal in dieser Kantate für eine Adelshochzeit in Neapel aus dem Jahre 1708 und dann 10 Jahre später als englischsprachige Masque für den Herzog von Chandos in Cannons sowie 1732 einen zweisprachigen Verschnitt aus beiden Werken.

    Mit der Masque hat Händels frühe Kantate wenig gemein, doch hat der Komponist später einige Arien zum Beispiel in seinen Opern "Agrippina" , "Il Pastor Fido" , "Rinaldo", und "Sosarme" übernommen.

    Die Handlung von "Aci" hält sich an die ursprüngliche Sage, die sizilianischen Ursprungs sein soll: Der Riese Polyphem ist der personifizierte Ätna und der kleine Fluss Aci fließt nach wie vor von dessen Höhen ins Mittelmeer. Da Galatea Aci liebt und Polifemo abweist, stürzt sie sich, nachdem ihr Geliebter vom einäugigen Monster tödlich getroffen wird, in den Fluss, zu dem Aci mutiert ist und bleibt so mit ihm vereint.

    Bei diesem bukolischen Stück findet sich zwar weniger unmittelbare Dramatik als in der englischen Masque, aber dennoch ist Händels Musik hier voller inniger Gefühle und beeindruckt einmal mehr durch ihren Einfallsreichtum und ihre ausgefallene Instrumentierung. Der italienische Polyphem ist weniger bedrohlich angelegt als in der Masque, wird aber dennoch mit Anflügen von Humor und Pathos dargestellt. Laurent Naouri gerät dabei in den Arien, die schon einmal den Umfang von zweieinhalb Oktaven umfassen können, zwar an seine Grenzen, stürzt aber glücklicherweise nie wirklich ab. * Musikbeispiel: G.F.Händel - ‘Fra l'ombre e gl'orrori’ aus "Aci, Galatea e Polifemo”, HWV 721 In dem folgenden bewegenden Duett müssen sich die beiden Liebenden Aci und Galatea immer wieder durch die Empörungsrufe des enttäuschten Riesen Polifemo unterbrechen lassen "Dolce amico complesso": "Mit dir will ich leben und sterben; hoffe du Schöne, und fürchte dich nicht". * Musikbeispiel: G.F.Händel - ‘Dolce amico complesso’ aus "Aci, Galatea e Polifemo”, HWV 721 Die Protagonisten in Händels Kantate "Aci, Galatea e Polifemo" haben alle jeweils ihre großen solistischen Arien, in denen die Sänger in den Da Capo-Teilen virtuos auf das Vortrefflichste zu verzieren wissen, wie hier z.B. Sandrine Piau in der Arie des Aci "Qui l'augel da pianta in pianta", " Glücklich flattert hier der Vogel/ von Pflanze zu Pflanze, und aus dem Herzen,/ das betören will, tönt ein süßer Gesang./ Und nur für mich allein bedeutet er Schmerz.." * Musikbeispiel: G.F.Händel - ‘Qui l'augel da pianta in pianta’ (Ausschnitt) aus "Aci, Galatea e Polifemo”, HWV 721 Auch den Typus der sogenannten "Rache-Arie" hat der 23-jährige Händel in seiner Kantate "Aci, Galatea e Polifemo" angelegt, wie bei "Del mar fra l'onde" der Galatea, gesungen von Sara Mingardo. "In die Wellen des Meeres/ treibt mich der Schmerz / um dich nicht zu sehen / stolzer Tyrann". * Musikbeispiel: G.F.Händel - ‘Del mar fra l'onde’ aus "Aci, Galatea e Polifemo”, HWV 721