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George W. Bush ist neuer Präsident der USA

"Zählt mehr Stimmen! Zählt mehr Stimmen!" "Wer hat gewonnen? Bush hat gewonnen!"

Friedbert Meurer |
    Wochenlang demonstrierten die Anhänger beider Seiten in den Straßen von Tallahassee oder Palm Beach in Florida und begleiteten damit eine turbulente Nachwahlzeit ohnegleichen in der Geschichte der USA. Fünf gegen vier Richter des höchsten US-Gerichts haben der Klage von George Bush entsprochen und weitere Auszählungen in Florida für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht präsentiert sich damit gespalten. Unter den zahlreichen Minderheitsvoten erklärt Richter John Paul Stevens, der Verlierer stehe schon jetzt fest: das Vertrauen der Nation in den Richter als unabhängigen Wächter des Gesetzes.

    Richter Stevens: "Vergebens war die Hoffnung, die neun Richter auf Lebenszeit - sieben davon von republikanischen Präsidenten ernannt - würden eine Lösung finden, die den Anschein der Parteilichkeit vermeiden könnte. Auch der Oberste Gerichtshof von Florida sieht sich diesem Vorwurf ausgesetzt. Die Richter in Florida gelten als demokratisch orientiert, sie stimmten mit 4:3 zugunsten Al Gores. Rechnet man die Voten in beiden Gerichtshöfen zusammen, lautet das Votum der US-Richter - acht zu acht. Beide Kandidaten, Gore wie Bush, taten in der vergangenen Nacht das, was das amerikanische Volk von ihnen erwartete. Sie demonstrierten nach dem bitter geführten Duell Einigkeit. Gore rief zum Patriotismus auf, vor dem parteiische Gefühle zurückweichen müssten."

    Al Gore: "Manche haben die Sorge geäußert, dass die ungewöhnliche Art dieser Wahl den nächsten Präsidenten bei der Amtsausübung behindern könnte. Ich glaube nicht, dass das so sein muss. Die Bürger werden den künftigen Präsidenten Bush in der Ausübung seiner Pflichten unterstützen. Auch ich stehe dafür bereit."

    Al Gore streifte damit auch das drohende Image des schlechten Verlierers ab. Immerhin kann er sich Hoffnungen darauf machen, in vier Jahren erneut von seiner Partei für das Weiße Haus nominiert zu werden. George Bush präsentierte sich bescheiden und nachgerade demütig - keine rauschende Siegesfeier vor jubelnden Anhängern, sondern eine Rede im Parlamentsgebäude von Texas.

    George Bush: "Ich glaube, dass Dinge nicht ohne Grund geschehen. Und ich hoffe, das lange Warten der letzten fünf Wochen wird die Sehnsucht verstärken, Bitterkeit und Parteienstreit der jüngsten Vergangenheit hinter uns zu lassen. Der Präsident ist Präsident jedes einzelnen Amerikaners, gleich welcher Rasse oder mit welchem Hintergrund."

    Das Drama hatte in den frühen Morgenstunden des 8. November begonnen, als klar wurde, dass es in Florida einen Recount, eine Nachzählung geben werde. Noch am gleichen Tag appellierte ein damals noch amüsiert wirkender US-Präsident Bill Clinton:

    Bill Clinton: "Das amerikanische Volk hat gesprochen, aber es dauert ein wenig, um genau herauszufinden, was es gesagt hat."

    Fünf Wochen sollte es dauern, den Willen des Volkes herauszufinden. Noch länger aber wird es währen, bis Amerika sich tatsächlich darüber einig wird, ob denn George Bush zurecht in das Weiße Haus einzieht. Zweifel in einem Teil der Bevölkerung bleiben. Hätte Bush auch dann gewonnen, wenn die Handauszählung in Florida fortgesetzt worden wäre? Und zum ersten Mal seit dem 19. Jahrhundert hat der neugewählte Präsident zwar die meisten Wahlmänner gewonnen, nicht aber die Mehrheit der Stimmen des Volkes. Gore hat landesweit etwa 330 000 Stimmen mehr geholt als Bush. Hillary Clinton, noch First Lady der USA und demnächst Senatorin für den Bundesstaat New York, war eine der ersten, die öffentlich das Wahlmännergremium als antiquiert und überholt bezeichnete.

    Hillary Clinton: "Ich glaube sehr, dass wir in einer Demokratie den Willen des Volkes respektieren sollten. Es ist Zeit, das Wahlmännergremium abzuschaffen und eine Volkswahl unserer Präsidenten einzuführen."

    Im Kongress ist dafür aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, außerdem müssen drei Viertel der 50 Einzelstaaten zustimmen. Da aber das Wahlmännersystem gerade die kleineren Staaten bevorzugt, werden diese Mehrheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zustande kommen. Das Wahlmännersystem ist Ausdruck der föderalen Struktur der USA und eine Tradition, an der nur schwer zu rütteln sein wird. Mary Matalin, politische Beraterin des neuen Präsidenten Bush, verwirft den Vorschlag Hillary Clintons in Bausch und Bogen.

    Mary Matalin: "Wir sollten sie nach Mount Rushmore schicken, zu den Skulpturen unserer weisen Gründerväter. Der Grund, warum wir 50 getrennte Wahlen in den Staaten haben - von denen nebenbei Bush 29 gewann, Gore nur 18 - ist es , genau das zu vermeiden, was geschehen ist. Sie schufen eine Phase der Besinnung, damit nicht die Emotionen entscheiden. Ich glaube, Hillary hat nicht wirklich die Geschichte dieses Landes studiert."

    Nach dem amtlichen Endergebnis hat Bush jetzt 30 Einzelstaaten für sich erobert, Gore nur 20 - darunter aber die bevölkerungsreichen Staaten wie Kalifornien oder New York. Dass Bush nicht die sogenannte "popular vote", die Mehrheit der Stimmen des Volkes gewonnen hat, ist rechtlich gesehen irrelevant. Das Wahlrecht erklärt denjenigen zum Sieger, der eben im Wahlmännergremium die meisten Stimmen hat. Doch im Zusammenspiel mit der Auseinandersetzung um die Stimmenauszählung in Florida wird sich der künftige US-Präsident George Bush Zweifeln an seiner Legitimität ausgesetzt sehen. Eine seiner ersten Aufgaben wird daher sein, um Vertrauen zu werben. Als fast sicher gilt, dass Bush zumindest einen Demokraten in sein Kabinett holen wird, um ein versöhnliches Signal über die Parteigrenzen hinweg zu geben. Außerdem muss er auf die Demokraten im Kongress zugehen. Im 100-köpfigen Senat gibt es eine gleichfalls fast historische 50:50-Pattsituation. Tom Daschle, Führer der Demokraten im Senat:

    Tom Daschle: "Parteiübergreifend zu handeln ist möglich und es ist wichtig. Wir dürfen uns den totalen Stau und den erbitterten Parteienstreit nicht mehr leisten, die seit einigen Jahren existieren. Wir brauchen eine Vereinbarung, wie wir zwischen Republikanern und Demokraten die Macht verteilen. Wir brauchen nicht bis zum nächsten Kongress zu warten, wir können es jetzt machen, in dieser Endphase des "lame duck"."

    Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress sind kompliziert. Der Vorsprung der Republikaner im Repräsentantenhaus beläuft sich auf zehn Sitze. Im Senat hat zwar der künftige Vize-Präsident Dick Cheney bei strittigen Abstimmungen die entscheidende 51. Stimme. Doch Bush muss die Kooperation mit den Demokraten im Kongress suchen, die schon jetzt von einem Sieg bei den Kongresswahlen in zwei Jahren träumen. Und Bush stehen konservative Republikaner im Kongress gegenüber, die ihren Einfluss verteidigen wollen.

    George W. Bushs Aufgabe gerade in der Anfangszeit seiner Präsidentschaft könnte kaum schwerer sein. Die Fronten haben sich noch einmal dramatisch verhärtet. Insider berichten von regelrechten Hassgefühlen zwischen Demokraten und Republikanern im Kongress. Wechselseitig würde man gemeinsame Treffen wieder verlassen, nicht zusammen an einem Tisch sitzen wollen. Der Hass aus den Impeachment-Tagen kehrt wieder, als Präsident Bill Clinton wegen der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky aus dem Amt gejagt werden sollte. Unter diesen Umständen fürchten viele einen politischen Stillstand in Washington, Bush wird nur mit größter Mühe politische Reformprojekte durchsetzen können.

    Der texanische Gouverneur George Bush im Wahlkampf in einer Nachmittags-Talkshow. Gegen George Bush gab es lange Zeit Vorbehalte, die auch noch jetzt, nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, nachhallen werden. Besitzt er ausreichende intellektuelle Fähigkeiten? Seine Gegner spotten über Bushs manchmal unbeholfen wirkende Formulierungen. Verfügt er wirklich über die Reife zum Ersten Mann des wichtigsten Landes der Erde? Unmittelbar vor dem Wahltag waren diese Zweifel noch neu gesät worden, als Bush einen Bericht bestätigen musste, wonach er 1976 wegen Trunkenheit am Steuer seinen Führerschein abgeben musste.

    Bush: "Vor 24 Jahren wurde ich wegen Trunkenheit am Steuer bestraft. Darauf bin ich nicht stolz. Ich habe oft gesagt, dass ich früher Fehler gemacht habe. Damals habe ich gelegentlich getrunken, auch an diesem Abend. Ich wurde von der Polizei angehalten, habe es zugegeben, mein Bußgeld bezahlt. Ich bedauere, dass es passiert ist. Aber ich daraus gelernt und mit dem Trinken aufgehört."

    George Bush war bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr das , was man einen Lebemann und Sunnyboy nennt. Als Sohn reicher texanischer Eltern genoss er das Leben im Jet Set. Bis zu seinem 40. Geburtstag, da wurde aus dem Saulus ein Paulus.

    Bush: "Wenn du Krisen akzeptierst, ändert das dein Herz und dein Leben - und das ist mir passiert. "

    Das war 1986, mit diesem Tag schwor Bush dem Alkohol ab, änderte, wie er beteuert, sein Leben. Am 6. Juli 1946 wurde George Walker Bush in New Haven/Connecticut als ältestes von sechs Kindern geboren, eine Schwester sollte später an Leukämie sterben. Zur Schule ging er in Texas, besuchte dann die renommierte Yale Universität. Bush vermied einen Einsatz im Vietnamkrieg, indem er ein Pilotentraining bei der National Guard absolvierte. Mitte der siebziger Jahre gründete George Bush eine eigene Ölgesellschaft, versuchte vergeblich, Kongressabgeordneter zu werden, wurde Mitbesitzer des Baseball-Teams der Texas Rangers - alles nicht unbedingt Hinweise auf eine spätere steile Politikkarriere.

    Bis 1994 - zwei Jahre nach der Wahlniederlage seines Vaters gegen Bill Clinton kandidierte George W. Bush für das Amt des Gouverneurs von Texas.

    Bush gelang die Revanche für die politische Niederlage seines Vaters. Als texanischer Gouverneur hinterlässt er allerdings eine zwiespältige Bilanz. Wirtschaftlich war er erfolgreich. Neue Betriebe haben sich niedergelassen, es entstand ein Silicon Hill in Texas mit Unternehmen aus der Computerbranche. Die Wirtschaft wuchs dort zuletzt noch rapider als andernorts, auch die Kriminalitätsrate ging nach unten, v.a. bei Jugendlichen. Vehement umstritten ist allerdings die Rekordzahl an Hinrichtungen, die in Bushs Amtszeit vollgestreckt wurden - in einigen Fällen trotz Hinweisen auf mögliche Fehlurteile. Besonders spektakulär war die Exekution von Karla Faye Tucker, die für weltweites Aufsehen sorgte. George Bush verteidigte jedoch die Hinrichtungspraxis während seiner Amtszeit als Gouverneur:

    Bush: "Ich bin sicher, dass jeder, der hingerichtet wurde, auch erstens schuldig war und zweitens alle seine Rechte vor Gericht in Anspruch nehmen konnte."

    George Bush betritt am 20.Januar das Weiße Haus auch mit dem Versprechen, dem Amt Würde und Ehre zu geben - eine wiederholt vorgetragene Formel, mit der Bush stets die Wähler an Bill Clintons Sexaffäre im Weißen Haus zu erinnern versuchte.

    Bush: "Wenn ich Präsident werde, dann lege ich auch einen Eid auf die Ehre und Würde eines Amtes ab, für das ich gewählt wurde, so wahr mir Gott helfe."

    Innenpolitisch wird in Washington - neben Bushs Werben um Akzeptanz - u.a. eine Frage dominieren: Was tun mit dem gewaltigen Haushaltsüberschuss des Landes? Und was wird aus dem Wirtschaftsboom der USA?

    220 Milliarden Dollar Überschuss fallen allein in diesem Jahr an, für die kommenden zehn Jahre gehen die Steuerschätzer von einem gigantischen Plus von 2,2 Billionen Dollar aus. Für den künftigen Präsidenten, George Bush, ist die Sache klar: das Geld gehört nicht der Regierung, sondern dem Steuerzahler.

    Bush: "Der Überschuss wurde nicht von der Regierung erwirtschaftet, sondern von den hart arbeitenden Amerikanern, und die sollten auch einen Teil davon zurückbekommen, um zu sparen, um sich Träume zu erfüllen."

    Um die Steuern zu kürzen, ist Bush bereit, einen nicht ungefährlichen Preis zu bezahlen. Nach seinen Plänen soll die Staatsschuld langsamer abgebaut werden, als Al Gore dies vorgesehen hatte.

    Wirtschafts- und finanzpolitisch muss der moderate Bush damit rechnen, auf Widerstand in den eigenen Reihen im Kongress zu stoßen. Auch Bush, der sich selbst als "mitfühlenden Konservativen" bezeichnet, will Programme für Bildung und Gesundheit auflegen, die Geld kosten. Zu seinen Steuerplänen gehört, dass er mehr Niedrigverdiener von der Steuer befreien will. Ziele, die von konservativen Republikanern im Kongress nicht geteilt werden. Und Bush wird sich mit Alan Greenspan, dem mächtigen Präsidenten der amerikanischen Notenbank und wie der Präsident ein Republikaner, arrangieren müssen. Bill Clinton hatte Greenspans Amtszeit noch einmal bis 2004 verlängert. Greenspan dürfte Druck auf Bush ausüben, den Abbau der Staatsschulden nicht aus dem Auge zu verlieren.

    Wirtschaftspolitisch wird George Bush in den kommenden vier Jahren an den Erfolgen der Ära Clinton gemessen werden. Unter dem noch amtierenden Clinton weisen die USA so glänzende Wirtschaftsdaten auf wie nie zuvor in der Geschichte des Landes. Die Boomzeiten scheinen nun zuende zu gehen - mit künftig niedrigeren Wachstumsraten oder gar einer bevorstehenden Rezession.

    Außenpolitisch gilt der künftige Präsident als unerfahren. Nicht nur seine Anhänger verweisen jedoch auf seine erfahrenen Berater, auf die künftige nationale Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice z.B., den Ex-General Colin Powell als künftigem Außenminister und den ehemaligen Verteidigungsminister Dick Cheney, den künftigen Vize-Präsidenten der USA. Lee Hamilton, ehemaliger Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses und Demokrat, meint jedoch mit Blick z.B. auf die US-Vermittlung im Nahen Osten:

    Hamilton: "Die fehlende Erfahrung spielt schon in gewisser Hinsicht eine Rolle. Mit Erfahrung können Sie besser in die Verhandlungen einsteigen und ein Ergebnis erzielen. Ein Präsident ohne Erfahrung wird sich schwer tun, um sich in die Details einzuarbeiten und Wirkung zu entfalten."

    Richard Burt, Republikaner und ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, widerspricht jedoch vehement. Auch andere ehemalige Präsidenten seien zunächst neu auf dem internationalen Parkett gewesen. Außenpolitisch, betont Burt, werde sich unter einer Bush-Administration zumindest eines verändern. Die USA würden künftig zurückhaltender bei Auslandseinsätzen agieren.

    Burt: "Der öffentliche Konsens in den USA darüber, dass Amerikaner ihr Leben verlieren, ist sehr zerbrechlich. Wir tragen Verantwortung in der Welt, aber wir müssen den Konsens aufrechterhalten. Wenn ihr ihn belasten wie in Haiti oder Somalia, dann bekommen wir mit unserer Schlüsselposition riesige Probleme. Wir werden oft aufgefordert, militärisch einzugreifen - aber wir müssen auch nein sagen können, oder aber uns um einen Konsens für ein Ja bemühen." George Bush hatte im Wahlkampf angekündigt, er werde die US-Truppen vom Balkan zurückholen - allerdings ohne einen Termin zu nennen. Europäische Verteidigungspolitiker hatten dies mit dem Hinweis abgetan, es handele sich um die übliche Rhetorik eines Republikaners im Wahlkampf. Der Demokrat Lee Hamilton sieht das anders:

    Hamilton: "Ich denke, Gouverneur Bush würde die US-Truppen vom Balkan so schnell wie möglich abziehen. Gore würde das nicht tun. Der Kongress hat übrigens nie den Einsatz auf dem Balkan gebilligt, sie mögen den Balkan nicht und wollen da raus. Auch die meisten Amerikaner unterstützen diese Mission nicht. Der Druck, unsere Soldaten, abzuziehen, nimmt zu, und Bush wird das schneller und früher tun als Gore."

    Unter George Bush werden sich die USA weiter weigern, ihre Unterschrift unter wichtige internationale Fragen zu setzen, unter den Atomteststoppvertrag etwa oder die Landminenkonvention. Bush gilt dabei als Pragmatiker, nicht als Ideologe. Selbst wenn er unterzeichnen wollte, würde der Senat nicht mitspielen. Verteidigungspoltisch könnte vor allem ein Vorhaben schon bald sowohl die Beziehungen zu den europäischen Verbündeten als auch zu Russland dominieren und belasten: die Absicht Bushs, ein nationales Raketenabwehrsystem zu stationieren.

    Bush: "Ich will das Raketenabwehrsystem, um uns und unsere Verbündeten vor einer Schurkennation zu schützen, die uns oder einen Freund versucht zu erpressen."

    Den Aufbau eines nationalen Raketenabwehrprogramms werden die Republikaner mit wesentlich mehr Nachdruck betreiben, als dies Al Gore getan hätte. Allerdings: das ehrgeizige Rüstungsprogramm wird sehr viel Geld kosten, das zu Lasten des Gesamtmilitärhaushalts gehen könnte. Letztlich wird auch von der Kassenlage der USA abhängen, ob dieses umstrittene Projekt in dem von Bush gewünschten Umfang realisiert werden kann. Regelrecht zu verärgern droht George Bush die Europäer bei den internationalen Bemühungen um den Klimaschutz. Bush, der Mann aus dem Ölland Texas, weist Energiesparmaßnahmen brüsk von sich.

    Bush: "Ich denke, dass wir dieses Problem sehr ernst nehmen müssen. Aber ich glaube nicht, dass wir die Lösung für die Erderwärmung kennen. Wir kennen noch nicht alle Fakten, um eine Entscheidung zu treffen. Eines will ich Ihnen sagen: ich lasse nicht zu, dass die USA die Hauptlast für eine saubere Luft in der Welt tragen, wie das das Kyoto-Abkommen vorsah. China und Indien sind doch von diesem Vertrag ausgenommen worden. Man muss da unparteiischer sein. 99 US-Senatoren unterstützen doch auch diese Position."

    Tatsächlich sind gerade im Senat die Vorbehalte gegen effektive Maßnahmen, den Ausstoß an Kohlendioxid zu verringern, sehr groß. Auch Al Gore als Präsident wäre es mehr als schwer gefallen, dem Senat Zugeständnisse abzuringen. Dennoch empfinden Umweltschützer den Sieg Bushs bei der Präsidentschaftswahl als Niederlage.

    Eine historisch beispiellose Wahl ist in den USA mit Wochen Verspätung zu Ende gegangen. Dabei haben die eigentlich als politikverdrossen geltenden US-Amerikaner mit erstaunlicher Gelassenheit und Geduld das Spektakel verfolgt. Nicht aus Desinteresse, sondern aus einer Gewissheit heraus, dass die mehr als 200 Jahre alte Demokratie in den Vereinigten Staaten auch diese denkwürdige Episode überstehen werde. Niemand sprach von nationaler Krise, die Sorgen im Ausland waren ungleich größer als in den USA selbst. Bill Clinton, noch bis zum 20. Januar Präsident der USA, hatte noch am 8. November gemeint, ein so knappes Wahlergebnis wie in Florida zeige jedem US-Bürger, wie wichtig es sei, an die Wahlurnen zu gehen. Damals stimmten ihm alle zu. Mancher heute nicht mehr - und der neue Präsident George W. Bush wird gerade diese Hypothek abtragen müssen.

    Clinton: "Wenn immer es einen Zweifel daran gab, dass grundlegendste Recht der Demokratie auszuüben, das Wahlrecht, dann hat sich das erledigt. Kein Amerikaner wird jemals wieder ernsthaft behaupten können, meine Stimme zählt nicht."