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Geothermie überall

Energie. - Zehn Prozent des US-Strombedarfs sollen einer Studie des US-Energieministeriums zufolge künftig mit Erdwärme gedeckt werden können. Im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie ist Erdwärme 24 Stunden am Tag für die Stromerzeugung verfügbar. Das macht sie zum Wunschkandidaten fürs Decken der Grundlast. Eine kalifornische Firma will die Geothermie auf breiter Front einsetzen.

Von Ralf Krauter | 09.01.2009
    Don O’Shei genießt eine beneidenswerte Aussicht. Vom Fenster seines Büros überblickt der Chef des Start-Up-Unternehmens Altarock Energy den Yachthafen des mondänen Örtchens Sausalito, das die berühmte Golden Gate Bridge mit San Francisco verbindet. Auch geschäftlich seien die Perspektiven rosig, erklärt der Experte fürs Anzapfen von Erdwärme, der an Geothermie-Kraftwerken der nächsten Generation tüftelt.

    "Gegenüber anderen erneuerbaren Energien haben Geothermie-Kraftwerke den Vorteil, dass sie sieben Tage die Woche 24 Stunden lang Strom liefern. Auch wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Das macht Elektrizität aus Erdwärme ideal zum Decken der Grundlast. Die Energieversorger können damit die Schwankungen von Wind- und Solarstrom abpuffern. Geothermie ist also eine prima Ergänzung."

    In den USA liefern Erdwärme-Kraftwerke derzeit rund 3000 Megawatt, was etwa der elektrischen Leistung von zwei Kernkraftwerken entspricht. Doch die nutzbaren Hot-Spots sind ungleich verteilt, in weiten Teile des Landes finden sich gar keine. Das liegt daran, dass für eine lohnende Erdwärme-Bohrung mehrere Bedingungen erfüllt sein müssen: Man braucht nicht nur heißes Gestein in der Tiefe. Dieses Gestein muss auch noch genügend Risse und Spalten haben, um eine Flüssigkeit hindurchpumpen zu können, die seine Wärme an die Oberfläche transportiert. O‘Shei:

    "In der Natur sind diese Kriterien selten erfüllt. Heißes Gestein gibt es häufig, meist ist es aber nicht porös genug, um seine Wärme mit einer Flüssigkeit abtransportieren zu können. Wir wollen deshalb an geeigneten Stellen künstliche Risse im Gestein erzeugen. Dazu pressen wir Wasser in ein Bohrloch. Wenn es sich erhitzt und ausdehnt, bilden sich Hohlräume im Gestein, die es uns ermöglichen, eine Art geschlossenen Durchlauferhitzer zu bauen. Wir pumpen kaltes Wasser in die Tiefe, es wandert durch das poröse Gestein, erwärmt sich und wird dann an einer anderen Stelle wieder nach oben gepumpt, um eine Dampfturbine anzutreiben, die Strom erzeugt."

    Klingt simpel, doch 3000 bis 4000 Meter unter der Erde gezielt feine Wasseradern zu erzeugen, ist technisches Neuland. Um es zu erobern, entwickelt Altarock mechanische und chemische Tricks, um genauer als je zuvor steuern zu können, wo der Fels springt. O‘Shei:

    "Die Frage ist nicht: Können wir die nötigen Risse im Gestein erzeugen und in der Tiefe Dampf erzeugen? Sie lautet: Was kostet das Ganze? Interessant ist es nur, wenn es sich wirtschaftlich rechnet. Und das war bislang oft das Problem bei Geothermie-Bohrungen. Die Kosten für die Tiefbohrungen zum Ein- und Ausleiten von kaltem Wasser und heißem Dampf sind fix. Deshalb wird die Kilowattstunde Strom umso billiger, je mehr Dampf man hinterher ernten kann. Wir wollen in einem mehrstufigen Prozess möglichst feine Risse im Gestein erzeugen und hoffen, so mindestens doppelt soviel Dampf je Bohrloch zu bekommen wie heute üblich."

    Eine im Februar beginnende Testbohrung in Nordkalifornien soll die Überlegenheit der Altarock-Technologie demonstrieren. Das US-Energieministerium fördert die Arbeiten mit sechs Millionen Dollar. Läuft alles nach Plan, könnte im Juli das erste Mal 300 Grad heißer Dampf aus 3500 Metern Tiefe nach oben strömen. Der Bau kommerzieller Geothermiekraftwerke der nächsten Generation wäre dann aber noch mindestens weitere vier Jahre entfernt, schätzt Don O’Shei. Risiken für die Anwohner sieht er keine.

    "Da wir Gestein in über 3000 Metern Tiefe knacken, werden die Menschen an der Oberfläche in der Regel überhaupt nichts davon spüren. Sollte es doch einmal leichte Erschütterungen geben, werden die so minimal sein, dass sie absolut kein Grund zur Sorge sind."

    Im südbadischen Staufen, würde man solchen Versicherungen skeptisch begegnen. Im November waren Teile der Stadt unverhofft einige Zentimeter abgesackt. Mutmaßliche Ursache: Erdwärmebohrungen unter dem Rathaus.