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Gepflegte Konversation

Während sich inzwischen auch Naturwissenschaftler mit digitalen Viren auseinandersetzen und sie mit biologischen Erregern vergleichen, bleibt ein Unterschied zwischen krankem Menschen und infiziertem Rechner indes bestehen: Während wir eine Virusgrippe sehr früh spüren und dies einem Arzt mitteilen können, erträgt ein Rechner oder Betriebssystem eine Infektion mit beispielsweise "Code Red" mit stoischer Gelassenheit und fügt sich wehrlos in sein Schicksal. Doch auch dies könnte sich zukünftig ändern, denn seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler, Computern zu einer natürlichen Kommunikation mit ihren Schöpfern zu verhelfen, bei der auch Gefühle eine Rolle spielen.

Andrea Vogel |
    "Herzlich willkommen beim SmartKom Informationssystem. Ich bin Smartacus. Wie kann ich Ihnen helfen?", meldet sich der zukünftig möglicherweise als Berater in allen Lebenslagen fungierende Computer. Entwickelt wurde dieses Exemplar von Informatikern am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern. "Smartacus" präsentiert sich als ein kleines blaues Figürchen, das wie ein "i" mit Armen und Beinen aussieht und mit milder Blech-Stimme spricht. Sein Zuhause ist "SmartKom Public", ein neues öffentliches Informationssystem, das die herkömmliche Telefonzelle in ein Kommunikationszentrum mit Erlebnischarakter wandelt. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine soll dabei auf eine völlig neue Art funktionieren, wie Anselm Blocher vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Koblenz erklärt: "In SmartKom befassen wir uns mit einem multimodalen Dialog, bei dem Spracherkennung und -verarbeitung um die Erfassung gestischer Eingaben und Mimikerkennung erweitert wird."

    So soll SmartKom mit seiner Fähigkeit zur Mimikerkennung den Gemütszustand seiner Benutzer erkennen und darauf reagieren: Ist der Benutzer erfreut, schließt das System daraus, dass der Anwender mit dem System gut zurecht kommt. Erkennt der Computer dagegen einen unzufriedenen "Nutzerzustand", versucht er mit zusätzlichen Hilfen trotzdem die Wünsche des Kunden zu befriedigen. Bislang ist "Smartacus" allerdings noch etwas begriffsstutzig, denn er reagiert nur auf einfachste Gesten und Sprache. Überdies versteht sich der digitale Flaschengeist derzeit nur auf eine einzige Dienstleistung – das Anpreisen des Heidelberger Kinoprogramms. An einem Stehpult mit glatter, robuster Oberfläche, ausgerüstet mit einem digitalen Projektor sowie einer Kamera, zeigt das System Informationen zu Filmen, Lageplänen oder Kino-Sitzplänen an, auf die der potentielle Kinogänger in diesem virtuellen Touchscreen deuten kann, um sie auszuwählen. Gleichzeitig nimmt ein Richtmikrophon die Benutzerstimme auf und ermittelt aus Gesten und Sprache die Wünsche des Anwenders. Die Reservierung von Kinobesuchen kann so bereits realisiert werden.

    Smartacus vermittelt umgekehrt auch seinen Gemütszustand, etwa mit einem deutlichen Stirnrunzeln, wenn er eine Anfrage nicht begreift. Seine Spracherkennung arbeitet mit bestimmten Vorlagen, quasi Kommunikationsschablonen, die ihm helfen sollen, auch umgangssprachliche Wendungen zu erfassen. Mit Dialekt tut sich das System allerdings schwer – Stirnrunzeln ist die zwangsläufige Folge. Spätestens im Herbst soll "SmartKom Public" fertig gestellt sein und der Mimik-Erkenner fortan auf fragende oder ungeduldige Gesichter seiner Benutzer eingehen. Ob die Entwickler bereits an einen digitalen Psychiater für gestresste Smartacusse denken, war indes nicht zu erfahren.