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Geplante Kürzungen bei EU-Fördermitteln stoßen auf Ablehnung

Heute legt die britische Ratspräsidentschaft ihren Vorschlag zu den EU-Finanzen vor. Tony Blair plant darin tiefe Einschnitte in die Töpfe der Fördermittel für die neuen Mitgliedstaaten. Gegen seinen Budgetvorschlag formiert sich jedoch immer mehr Widerstand - insbesondere bei den EU-Mitgliedern in Mittelosteuropa, die am meisten von den Kürzungen betroffen wären.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Heute legt die britische Ratspräsidentschaft ihren Vorschlag zu den EU-Finanzen vor. Es geht um die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2007 bis 2013, die eigentlich längst von den EU-Staats- und Regierungschefs hätte verabschiedet werden müssen. Aber im Juni war der Kompromiss, den die Luxemburger Präsidentschaft vorgeschlagen hatte, am Einspruch der Briten gescheitert. Jetzt könnte Tony Blair ähnliches drohen, denn auch gegen seinen Budgetvorschlag formiert sich immer mehr Widerstand, vor allem gegen die Kürzungen, die die Briten ins Auge gefasst haben. Peter Kapern ist unser EU-Korrespondent in Brüssel. Herr Kapern, wer steht denn wo im Streit um die EU-Finanzierung?

    Peter Kapern: Frau Simon, so ganz klar ist das eigentlich noch gar nicht, wer wo steht, denn noch ist dieser neue britische Vorschlag für die Finanzperiode 2007 bis 2013 ja nicht bekannt. Und erst wenn man wirklich weiß, welche Zahlen da drin stehen, wie viel Geld die EU für welche Programme haben wird, erst dann wird man genau die Liste der EU-Mitgliedstaaten durchgehen können und sagen können, dieses Land ist da eher skeptisch, dieses Land ist ablehnend, dieses Land ist zustimmend. Aber fest steht, Tony Blair will diesen Beschluss über den Haushalt beim kommenden Gipfel Mitte Dezember. Es steht allerdings auch fest, dass er nicht das will, was er eigentlich im Sommer schon gefordert hat, nämlich gravierende strukturelle Änderungen bei den Agrarmitteln. Stattdessen, so sieht es aus, plant Tony Blair durchaus tiefe Einschnitte in die Töpfe der Fördermittel für die neuen Mitgliedstaaten, insbesondere die neuen Mitgliedsstaaten in Mittelosteuropa. Und da hat er sich ja am Freitag vergangener Woche bereits mit diversen Regierungschefs getroffen. Und deren Reaktion war ablehnend aber nicht so ablehnend, dass es völlig aussichtslos scheint, tatsächlich eine Haushaltsvereinbarung zu bekommen. Denn den Kürzungen gegenüber steht angeblich bei Blairs Finanzplanungen die Möglichkeit, das Geld nun sagen wir mal etwas lässiger, etwas leichter aus der freien Hand auszugeben für die neuen Mitgliedstaaten. Die Ko-Finanzierung, die so genannte, wird etwas zurückgefahren werden. Das macht es den Ländern dann trotzdem attraktiv, auf die EU-Töpfe zurückzugreifen, auch wenn die Töpfe etwas weniger voll sein werden, als sie das eigentlich angenommen haben.

    Simon: Herr Kapern, was - hört man denn so in Brüssel - ist denn mit dem so genannten Britenrabatt? Das ist eine jährliche Ermäßigung in Milliardenhöhe, die Margret Thatcher noch durchgesetzt hatte. Wird Tony Blair denn daran auch etwas streichen?

    Kapern: Also, da gehen die Gerüchte mal in die eine, mal in die andere Richtung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tony Blair davon kommt, ohne auch nur ein kleines bisschen von diesem Britenrabatt, der ja im Moment bei etwa fünfeinhalb Milliarden Euro pro Jahr liegt, ohne dort auch nur ein kleines bisschen nachzugeben. Man darf nicht vergessen, dieser Britenrabatt würde mit wachsendem EU-Haushalt auch noch anwachsen, das heißt am Ende der nächsten Legislaturperiode oder Finanzperiode läge dieser Britenrabatt bei rund neun Milliarden Euro. Tony Blair wird also abspecken müssen. Aber er ist da wirklich im Schwitzkasten. Einerseits zerren und ziehen die europäischen Partner an ihm, endlich bei diesem Britenrabatt nachzugeben. Andererseits wird er zu Hause von der Opposition, auch von einigen Leuten aus der eigenen Partei schon als Vaterlandsverräter gebrandmarkt, wenn er auch nur einen Cent von diesem Britenrabatt lassen würde. Ich glaube, dass Tony Blair einen Teil dieses Britenrabatts opfern wird, eine Haushaltsvereinbarung, und zwar mit Verweis darauf, dass Großbritannien ja immer ein Befürworter der EU-Erweiterung war und dass Großbritannien nun auch dazu stehen muss, diese EU-Erweiterung zu finanzieren.

    Simon: Herr Kapern, die Deutschen haben angekündigt, unter anderen Außenminister Steinmeier und Finanzminister Steinbrück, dass sie dieses Mal nun eine Senkung ihrer Nettobeiträge erreichen wollen. Das ist ja schon oft in der Vergangenheit angekündigt worden. Wie stehen denn die Chancen?

    Kapern: Ich glaube, dass die Chancen gut stehen, weil es ja eine ganze Reihe von Staaten gibt, die geringere Nettobeiträge zahlen wollen, beispielsweise Schweden, beispielsweise die Niederlande. Und bereits im Juni, als die Luxemburger ja gescheitert sind beim Versuch, eine neue Finanzplanung vorzulegen, bereits damals war ja den Deutschen zugesichert worden, dass ihre Belastungen prozentual jedenfalls geringer ausfallen werden, als das bislang der Fall ist. Real in Euro und Cent werden die Belastungen Deutschlands natürlich steigen, weil die Beiträge zu den europäischen Finanzkassen sich immer in%en an der Wirtschaftsleistung bemessen. Das heißt real in Euro und Cent werden die Beiträge steigen aber prozentual werden sie niedriger liegen in der nächsten Finanzperiode, als in dieser. Insgesamt glaube ich, dass die Bundesregierung durchaus das Ziel erreichen kann, die Netto-Beiträge jedenfalls prozentual zu senken. Real werden sie natürlich steigen in Euro und Cent. Aber prozentual werden sie in der kommenden Finanzperiode unter den Beiträgen liegen, die Deutschland in der jetzt zu Ende gehenden Finanzperiode zahlen muss.

    Simon: Was passiert, wenn der Gipfel in Brüssel scheitert, so wie der im Juni gescheitert ist, und keine mittelfristige Finanzplanung verabschiedet wird?

    Kapern: Also, es ist da noch nicht vollständig Land unter. Ich würde sagen, dass bis zum Frühjahr die EU durchaus noch Zeit hat, diese Finanzvereinbarung zustande zu bekommen. Bis dann allerdings spätestens muss die Vereinbarung da sein, denn das große Rahmenwerk, um das es ja geht, muss übersetzt werden in einzelne Ausgabenprogramme. Das dauert viele Monate. Und diese Ausgabenprogramme müssen bis zum 1. Januar 2007 fertig sein, damit das Geld überhaupt fließen kann in die einzelnen Mitgliedstaaten. Aber die Frage ist, ob das Zerwürfnis nicht nach einem zweiten Scheitern so groß sein wird, die Positionen so verfestigt sein werden, dass es möglicherweise bis zum März, April dann doch nicht mehr zu einer Vereinbarung kommt.

    Simon: Vielen Dank, Peter Kapern!