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Geplante Meldepflicht
Dem Borna-Virus auf der Spur

Das Borna-Virus befällt vor allem Pferde und Schafe. Doch auch Menschen haben sich in Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen schon angesteckt - und starben daran. Eine Meldepflicht soll nun helfen, die Wege des Borna-Virus aufzuklären.

Von Volkart Wildermuth | 27.02.2020
Die undatierte Aufnahme zeigt einen Antikörpernachweis zum Borna-Virus im Gewebe. Lange war die Borna-Krankheit nur von Nutztieren bekannt. Nun bestätigen neue Nachweise: Auch beim Menschen sorgt das Virus in Deutschland für Todesfälle.
Mit Antikörpern lässt sich das Borna-Virus im Gewebe nachweisen. Lange war die Borna-Krankheit nur von Nutztieren bekannt. Nun zeigt sich: Auch beim Menschen sorgt das Virus in Deutschland für Todesfälle. (Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin / dpa )
Borna ist eine Kreisstadt südlich von Leipzig. 1894 war hier ein Kavallerieregiment stationiert und es gab große Aufregung, als viele Pferde Bewegungsstörungen entwickelten und verstarben. "Hitzige Kopfkrankheit" lautete die zeitgenössische Diagnose, so Hendrik Wilking vom Robert Koch Institut.
"Pferde kriegen eine Gehirnentzündung, werden natürlich neurologisch auffällig. Das waren militärische Pferde und deswegen war man natürlich besonders besorgt zu dem Zeitpunkt, weil natürlich die Verteidigungsfähigkeit im Raum steht, wenn die Pferde erkranken. Und dort hat man dann das Virus charakterisieren können und hat es dann nach dieser Stadt in Sachsen benannt."
Borna-Viren vermehren sich in Spitzmäusen
Konkret fielen den Tierärzten damals die typischen Einschlusskörperchen im Gehirn der Pferde auf. Die Borna-Krankheit befällt Pferde und Schafe, die das Virus aber nicht weitergeben können. Es vermehrt sich eigentlich in Spitzmäusen und zwar nur in einer sehr begrenzten Region, in Bayern, Thüringen und Sachsen Anhalt und angrenzenden Bezirken. Die Pferde oder Schafe kommen auf der Weide gelegentlich mit den Ausscheidungen der Spitzmäuse in Kontakt und können sich dabei mit dem Borna-Virus infizieren.
Lange Zeit dachte man, das sei ein Problem, das nur Tierärzte etwas anginge. Vor einigen Jahren stellte sich aber heraus, dass das Borna-Virus sehr wohl gefährlich für den Menschen ist. Das Friedrich-Loeffler-Institut hatte Proben von Menschen untersucht, die an Gehirnentzündungen unklarer Ursache verstorben waren. Mit genetischen Methoden wurde dabei auf alle möglichen Erreger getestet und überraschenderweise fanden sich Hinweise auf das Borna-Virus. Der Krankheitsverlauf bei bislang bekannten 14 Betroffenen war dabei dramatisch.
"Also es waren Kopfschmerzen, Fieber, allgemeine Krankheitssymptome. Dann zu einem späteren Zeitpunkt war dann nochmals das Nervengewebe stärker betroffen. Das heißt, dann kam es zu Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen, Verhaltensauffälligkeiten - später zu Sprach- und Gangstörung. Die Personen sind dann nach einer gewissen Zeit ins Koma gefallen und mit Ausnahme von einer Person leider alle verstorben."
Screening nach Hirnhautentzündung enthüllt Todesursache
Drei der Personen hatten sich über eine Organtransplantation angesteckt. Das war aber wohl ein sehr unglücklicher Zufall. Die meisten Infizierten hatten wahrscheinlich direkten Kontakt zu Spitzmäusen oder ihren Ausscheidungen. Um abzuschätzen, wie groß das Problem Borna für den Menschen ist, wurden weitere historische Proben von Gehirnentzündungen analysiert. Parallel dazu suchten Hendrik Wilking und seine Kollegen in Blutproben aus Bayern nach Antikörpern gegen das Borna-Virus – insbesondere auch bei Tierärzten, weil diese Gruppe vermutlich am ehesten mit dem Virus in Kontakt kommt.
"Wir haben über 1000 Blutproben untersucht und konnten nur eine Person detektieren, wo wir Hinweise darauf haben, dass sie mit Borna-Virus in Kontakt gekommen ist. Wir schließen daraus, dass diese Infektionen wirklich sehr selten sind und die bekannten Erkrankungsfälle wirklich sehr seltene Infektionen darstellen. Aber wenn es zur Infektion kommt, dann sind diese Krankheitsverläufe sehr fulminant und in den allermeisten Fällen leider tödlich."
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Krankheitsverlauf "fulminant und in den allermeisten Fällen tödlich"
Jedes Jahr treten hierzulande zwischen einem und vier Fälle der Borna-Krankheit auf, bislang ausschließlich in Bayern. Es handelt sich um Personen aus dem ländlichen Raum, viele von ihnen hatten auch eine Katze. Sollte eine Katze eine tote Spitzmaus nach Hause bringen, rät das Robert-Koch-Institut, Handschuhe und einen Mundschutz anzuziehen und das Tier in einer Plastiktüte zu entsorgen. Ansonsten gilt generell: Spitzmäuse sind keine Haustieren und man sollte auch kein Hunde- oder Katzenfutter herumliegen lassen, weil das Spitzmäuse anlocken könnte.
"Ab dem 1. März haben Bund und Länder eine Meldepflicht für diese Erkrankungsfälle beschlossen. Wir hoffen damit das gesamte Bild zu dieser Häufigkeit dieser Erkrankung zu kriegen. Und die Übertragungswege noch besser zu verstehen."
Die Meldepflicht, so hofft Hendrik Wilking, wird aber auch für mehr Aufmerksamkeit bei den Neurologen und Kliniken sorgen: Es sei wichtig auch Borna im Blick zu haben, auch wenn es noch keine spezifische Therapie gebe.
"Es gibt aber insgesamt für die Behandlung von Virusinfektionen antivirale Medikamente, die natürlich auch bei dieser Virusinfektion im Raum stehen, dass sie helfen können. Deswegen denken wir auch, dass es eine frühzeitige Diagnostik geben sollte und dass die Ärzte in den Gebieten sich dieser Erkrankung bewusst sind."
Und im Zweifelsfall rasch auch eine experimentelle Therapie einleiten, denn das ist die einzige, wenn auch geringe Chance für Patienten mit einer Borna Infektion.