Bemerkenswerter als solche Namenskapriolen ist aber der Eifer, mit dem sich dieses Städtische Orchester neben seinen vielfältigen Aufgaben in Oper und Konzert auch noch der Produktion von Schallplatten widmet. Begonnen hatten die verstärkten CD-Aktivitäten des Gürzenich-Orchesters Köln vor etwas mehr als 10 Jahren: Mit seinem langjährigen Chefdirigenten James Conlon widmete es sich vor allem den Werken Alexander Zemlinskys und machte damit eine sinfonische Musik zugänglich, die in den Konzertsälen lange ein Schattendasein gefristet hatte. Aber auch Orchesterwerke von Karl Goldmark, Viktor Ullmann oder die Aufnahmen von Violinkonzerten des 20. Jahrhunderts mit dem Geiger Vladimir Spivakov sind in guter Erinnerung.
Zusammen mit der in der Nähe von Köln ansässigen Firma Capriccio hat man jetzt ein großes, sehr ehrgeiziges Projekt beendet: Es geht um nichts Geringeres als die Herausgabe aller 15 Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch. Überpünktlich zum 100. Geburtstag des 1975 verstorbenen großen russischen Komponisten, den wir im Jahre 2006 feiern können, liegen sie jetzt komplett vor.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 4. Satz (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 12
Abgesehen davon, dass solche Großprojekte in der heutigen Zeit sehr selten geworden sind und schon deshalb ein großes Lob für Mut und Unternehmerfreude auszusprechen ist, liegt hier eine Edition wie aus einem Guss vor, denn alle Sinfonien wurden vom selben Orchester unter demselben Dirigenten in einem dafür sehr kurzen Zeitabschnitt von 26 Monaten eingespielt. Hinzu kommt, dass alle Aufnahmen von demselben technischen Team und demselben Tonmeister betreut wurden, wobei die Konzertmitschnitte mit Korrekturen in der Kölner Philharmonie und die Produktionen in einem großen Kölner Studio aufgezeichnet wurden. Außerdem ist dies weltweit die erste Aufnahme aller Schostakowitsch-Sinfonien in SACD-Technik, jenem noch relativ jungen Verfahren, bei dem auf ein und derselben CD drei Aufnahmestandards quasi übereinander gespeichert sind: Normale zweikanalige CD-Qualität, CD-Qualität mit verbesserter Auflösung und dann das Highlight der Mehrkanalaufnahme, die bei Verwendung von 5 Lautsprechern (3 vorne und zwei hinten) einmal mehr den immer erfolgreicheren Versuch unternimmt, den Konzertsaal wirklich ins Wohnzimmer zu holen.
Als Dirigent für dieses Großprojekt konnte Dmitri Kitajenko gewonnen werden, der seit seiner frühen Jugend mit Schostakowitschs Musik vertraut ist. Geboren in Leningrad, einer der Wirkungsstätten von Schostakowitsch, konnte er schon als Kind den Komponisten erleben, war 1949 als Mitglied im Knabenchor an der Uraufführung des Oratoriums "Das Lied von den Wäldern" beteiligt und durfte als 13-Jähriger mit seinen Eltern zur Uraufführung von Schostakowitschs 10. Sinfonie. Das war für ihn ein prägendes Erlebnis, vor allem deshalb, weil sein Vater, ein Ingenieur, der 10 Jahre in einem Lager hatte verbringen müssen, von dieser tragischen Musik so aufgewühlt war, dass er auch lange Zeit nach dem Konzert noch schweigsam und in sich versunken war...
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 2. Satz (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 10
Soweit ein Ausschnitt aus jener 10. Sinfonie, die Kitajenkos Vater bei der Uraufführung so bewegt hatte. Persönlich kennengelernt hat Kitajenko den Komponisten 1971 als Chefdirigent der Stanislawski Oper in Moskau, wo er "Katerina Ismailowa" einstudierte. Damals beantwortete der längst weit über die Sowjetunion hinaus bekannte Komponist in aller Kollegialität die Fragen des noch jungen Kitajenko und gab ihm entscheidende Anregungen. Noch heute - so Kitajenko ein wenig pathetisch - habe er Schostakowitschs leise Stimme im Ohr, wenn er seine Werke studiere. Ohne Zweifel ist hier ein Dirigent, der das sehr vielfältige sinfonische Werk seines Landsmannes wie kaum ein anderer kennt und es mit Kopf und Seele zu neuem Leben erweckt. Er hat die Vorstellung, dass man Schostakowitschs Sinfonien nicht nur als abstrakte Musikwerke hören, sondern in ihnen russische Geschichte förmlich lesen kann. Seine Interpretationen sind von Ernst und tiefem Verständnis geprägt, betreiben keine Effekthascherei, hüten sich vor Vergröberungen und Einseitigkeiten. Kitajenko geht es um die Balance, er zeigt das Tragische ebenso wie das Optimistische, die ironisch-grotesken Momente ebenso wie die beseelten oder mitfühlenden.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - Adagio (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 7 "Leningrad"
Schostakowitschs Lebensweg von 1906 bis 1975 verlief über große Strecken parallel zum real existierenden Sozialismus unterschiedlichster Prägung: von den zunächst auch von vielen Intellektuellen euphorisch begrüßten gesellschaftlichen Umwälzungen nach der Oktoberrevolution bis zu den Gängelungen durch Partei- und Kulturbürokratie, von blutig erkämpfter Freiheit bis zur ebenso blutigen Verfolgung Andersdenkender, von den Gräueln des 2. Weltkriegs bis zur lähmenden Starre des Kalten Krieges. Entsprechend schillernd sind auch Schostakowitschs Biografie und Werk: Hoffnung und Vertrauen, Übernahme von Aufträgen und Ämtern, viele Versuche, zwischen den Ansprüchen von Kunst und Politik zu vermitteln, Enttäuschung und Wut, Resignation und Trauer. Seine experimentierfreudigste Zeit liegt Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre, als viele Künstler sich aufgerufen fühlten, dem revolutionären Bewusstsein mit ihren Mitteln einen eigenständigen Ausdruck zu verleihen. Hier und da ertönten zwar bereits die später das Feld beherrschenden revisionistischen Forderungen nach Einfachheit, Verständlichkeit und Massenwirksamkeit, doch sie waren noch keine unumstößlichen Dogmen, und was damals im Westen von Leuten wie Schönberg und Berg, Schreker und Hindemith, Krenek, Milhaud oder Strawinsky erdacht und probiert wurde, galt noch nicht als formalistisch und dekadent. Im Gegenteil: Schostakowitsch war Mitglied einer Vereinigung für zeitgenössische Musik, zu deren Zielen es ausdrücklich gehörte, der Musik Russlands alle technischen und formalen Neuerungen der westlichen Musik zu erschließen, damit die sowjetische Tonkunst sich zur ganzen Höhe ihres Ausdrucks und zu größtmöglicher Meisterschaft entwickeln könne.
Schon mit seiner 1926 uraufgeführten 1. Sinfonie landete Schostakowitsch einen regelrechten Coup, der ihn auf einen Schlag international bekannt machte. Schon als Student zeigte er sich hier als gleichsam geborener Sinfoniker, der die Möglichkeiten des großen Orchesters mit verblüffender Sicherheit einsetzt. Hören Sie aus diesem Erstling das Scherzo mit seinem prägnanten galoppartigen Thema und dem fast schon solistisch eingesetzten Klavier, einen Satz, in dessen ruhigem Mittelteil offensichtlich die tragische Grundstimmung der großen russischen Romantik heraufbeschworen wird.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 2. Satz aus: Sinfonie Nr. 1
Dmitrij Schostakowitsch - The Symphonies
Gürzenich-Orchester Köln
Leitung: Dmitrij Kitajenko
Label: Capriccio
Labelcode: LC 08748
Bestellnr.: 71029
Zusammen mit der in der Nähe von Köln ansässigen Firma Capriccio hat man jetzt ein großes, sehr ehrgeiziges Projekt beendet: Es geht um nichts Geringeres als die Herausgabe aller 15 Sinfonien von Dmitri Schostakowitsch. Überpünktlich zum 100. Geburtstag des 1975 verstorbenen großen russischen Komponisten, den wir im Jahre 2006 feiern können, liegen sie jetzt komplett vor.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 4. Satz (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 12
Abgesehen davon, dass solche Großprojekte in der heutigen Zeit sehr selten geworden sind und schon deshalb ein großes Lob für Mut und Unternehmerfreude auszusprechen ist, liegt hier eine Edition wie aus einem Guss vor, denn alle Sinfonien wurden vom selben Orchester unter demselben Dirigenten in einem dafür sehr kurzen Zeitabschnitt von 26 Monaten eingespielt. Hinzu kommt, dass alle Aufnahmen von demselben technischen Team und demselben Tonmeister betreut wurden, wobei die Konzertmitschnitte mit Korrekturen in der Kölner Philharmonie und die Produktionen in einem großen Kölner Studio aufgezeichnet wurden. Außerdem ist dies weltweit die erste Aufnahme aller Schostakowitsch-Sinfonien in SACD-Technik, jenem noch relativ jungen Verfahren, bei dem auf ein und derselben CD drei Aufnahmestandards quasi übereinander gespeichert sind: Normale zweikanalige CD-Qualität, CD-Qualität mit verbesserter Auflösung und dann das Highlight der Mehrkanalaufnahme, die bei Verwendung von 5 Lautsprechern (3 vorne und zwei hinten) einmal mehr den immer erfolgreicheren Versuch unternimmt, den Konzertsaal wirklich ins Wohnzimmer zu holen.
Als Dirigent für dieses Großprojekt konnte Dmitri Kitajenko gewonnen werden, der seit seiner frühen Jugend mit Schostakowitschs Musik vertraut ist. Geboren in Leningrad, einer der Wirkungsstätten von Schostakowitsch, konnte er schon als Kind den Komponisten erleben, war 1949 als Mitglied im Knabenchor an der Uraufführung des Oratoriums "Das Lied von den Wäldern" beteiligt und durfte als 13-Jähriger mit seinen Eltern zur Uraufführung von Schostakowitschs 10. Sinfonie. Das war für ihn ein prägendes Erlebnis, vor allem deshalb, weil sein Vater, ein Ingenieur, der 10 Jahre in einem Lager hatte verbringen müssen, von dieser tragischen Musik so aufgewühlt war, dass er auch lange Zeit nach dem Konzert noch schweigsam und in sich versunken war...
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 2. Satz (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 10
Soweit ein Ausschnitt aus jener 10. Sinfonie, die Kitajenkos Vater bei der Uraufführung so bewegt hatte. Persönlich kennengelernt hat Kitajenko den Komponisten 1971 als Chefdirigent der Stanislawski Oper in Moskau, wo er "Katerina Ismailowa" einstudierte. Damals beantwortete der längst weit über die Sowjetunion hinaus bekannte Komponist in aller Kollegialität die Fragen des noch jungen Kitajenko und gab ihm entscheidende Anregungen. Noch heute - so Kitajenko ein wenig pathetisch - habe er Schostakowitschs leise Stimme im Ohr, wenn er seine Werke studiere. Ohne Zweifel ist hier ein Dirigent, der das sehr vielfältige sinfonische Werk seines Landsmannes wie kaum ein anderer kennt und es mit Kopf und Seele zu neuem Leben erweckt. Er hat die Vorstellung, dass man Schostakowitschs Sinfonien nicht nur als abstrakte Musikwerke hören, sondern in ihnen russische Geschichte förmlich lesen kann. Seine Interpretationen sind von Ernst und tiefem Verständnis geprägt, betreiben keine Effekthascherei, hüten sich vor Vergröberungen und Einseitigkeiten. Kitajenko geht es um die Balance, er zeigt das Tragische ebenso wie das Optimistische, die ironisch-grotesken Momente ebenso wie die beseelten oder mitfühlenden.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - Adagio (Ausschnitt) aus: Sinfonie Nr. 7 "Leningrad"
Schostakowitschs Lebensweg von 1906 bis 1975 verlief über große Strecken parallel zum real existierenden Sozialismus unterschiedlichster Prägung: von den zunächst auch von vielen Intellektuellen euphorisch begrüßten gesellschaftlichen Umwälzungen nach der Oktoberrevolution bis zu den Gängelungen durch Partei- und Kulturbürokratie, von blutig erkämpfter Freiheit bis zur ebenso blutigen Verfolgung Andersdenkender, von den Gräueln des 2. Weltkriegs bis zur lähmenden Starre des Kalten Krieges. Entsprechend schillernd sind auch Schostakowitschs Biografie und Werk: Hoffnung und Vertrauen, Übernahme von Aufträgen und Ämtern, viele Versuche, zwischen den Ansprüchen von Kunst und Politik zu vermitteln, Enttäuschung und Wut, Resignation und Trauer. Seine experimentierfreudigste Zeit liegt Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre, als viele Künstler sich aufgerufen fühlten, dem revolutionären Bewusstsein mit ihren Mitteln einen eigenständigen Ausdruck zu verleihen. Hier und da ertönten zwar bereits die später das Feld beherrschenden revisionistischen Forderungen nach Einfachheit, Verständlichkeit und Massenwirksamkeit, doch sie waren noch keine unumstößlichen Dogmen, und was damals im Westen von Leuten wie Schönberg und Berg, Schreker und Hindemith, Krenek, Milhaud oder Strawinsky erdacht und probiert wurde, galt noch nicht als formalistisch und dekadent. Im Gegenteil: Schostakowitsch war Mitglied einer Vereinigung für zeitgenössische Musik, zu deren Zielen es ausdrücklich gehörte, der Musik Russlands alle technischen und formalen Neuerungen der westlichen Musik zu erschließen, damit die sowjetische Tonkunst sich zur ganzen Höhe ihres Ausdrucks und zu größtmöglicher Meisterschaft entwickeln könne.
Schon mit seiner 1926 uraufgeführten 1. Sinfonie landete Schostakowitsch einen regelrechten Coup, der ihn auf einen Schlag international bekannt machte. Schon als Student zeigte er sich hier als gleichsam geborener Sinfoniker, der die Möglichkeiten des großen Orchesters mit verblüffender Sicherheit einsetzt. Hören Sie aus diesem Erstling das Scherzo mit seinem prägnanten galoppartigen Thema und dem fast schon solistisch eingesetzten Klavier, einen Satz, in dessen ruhigem Mittelteil offensichtlich die tragische Grundstimmung der großen russischen Romantik heraufbeschworen wird.
* Musikbeispiel: Dmitri Schostakowitsch - 2. Satz aus: Sinfonie Nr. 1
Dmitrij Schostakowitsch - The Symphonies
Gürzenich-Orchester Köln
Leitung: Dmitrij Kitajenko
Label: Capriccio
Labelcode: LC 08748
Bestellnr.: 71029