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Geräte zur Erforschung der menschlichen Sprache

In unserer Reihe "Schatzkammern der Wissenschaft" möchten wir Ihnen besondere Sammlungen an Exponaten vorstellen, die im alltäglichen Museumsbetrieb oft eher wenig beachtet werden, die aber bei näherer Betrachtung besonders spannend sind.

Von Michael Stang | 22.12.2008
    Die Technische Universität Dresden, drei Straßenbahnhaltestellen vom Hauptbahnhof entfernt. Im prächtigen, aber renovierungsbedürftigen Barkhausen-Bau befindet sich die Akustisch-phonetische Sammlung.

    "Ich kenne keine Sammlung, die die Entwicklung der historischen Experimentalphonetik so geschlossen zu belegen gestattet wie diese Sammlung hier."

    Sagt Rüdiger Hoffmann, Leiter des Instituts für Akustik und Sprachkommunikation. Über 500 Geräte, dazu unzählige Kleinteile, Schallplatten und Photographien dokumentieren die Geschichte der Phonetik - den Teil der Lautlehre, der die Faktoren und Komponenten sprachlicher Laute untersucht. Die Sammlung umfasst ein Jahrhundert Experimentalphonetik, von ihren Anfängen bis zum Einzug des Computers in dieses Fach.

    "Und dazu hat man dann also ingeniöse Apparaturen erfunden, die können sie also alle hier sehen."

    In antiken Holzschränken stapeln sich Instrumente, die die menschliche Sprache aufnehmen, wiedergeben oder analysieren können. Rüdiger Hoffmann zeigt einen Satz so genannter Helmholtzresonatoren – Kugeln, die unterschiedliche Vokale repräsentieren könne. Um sie zu erzeugen, müssen die Resonatoren erst mit einem breitbandigen Schall angeregt werden.

    "Der wird mit so einer Schnarre gemacht und man muss die Schnarre eben an die Öffnung der Resonatoren halten."

    Der Professor hält einen Schlauch, an dessen Ende eine Art Pfeife befestigt ist, an den Mund.

    "Das könnten wir mal versuchen, man darf nicht so kräftig pusten. Also ich halte das jetzt mal an die verschiedenen Resonatoren und da müssten also unterschiedliche Vokalklänge rauskommen."

    Das Vorhaben, Sprachsignale zu erzeugen, aufzuzeichnen und auszuwerten, war im 19. Jahrhundert allerdings nicht gerade leicht.

    "Hinter dieser einfachen Frage verbergen sich also eine ganze Menge komplizierter messtechnischer Fragestellungen, wenn sie noch keine Elektronik zur Verfügung haben, geschweige denn einen Computer, ist das also durchaus sehr kompliziert, Schall so aufzuzeichnen, dass er überhaupt vermessen werden kann."

    Der Forscher geht einen Schrank weiter, zieht ein Kästchen mit so genannten Klangstäben heraus. Damit können ähnlich wie mit Stimmgabeln einzelne Töne erzeugt werden.

    "Die sind also hochinteressant, einfach dadurch, dass die sehr, sehr lange – wenn sie einmal angeregt wurden – klingen. Das ist das fünfgestrichene C."

    Der Ton geht nicht nur durch Mark und Bein, sondern hält auch noch lange an. Als nächstes holt Rüdiger Hoffmann ein dickes Buch hervor. Auf dem kunstvoll verzierten Deckel steht "Das sprechende Bilderbuch". Es stammt aus den 70iger Jahren des 19. Jahrhundertes.

    "Also unschwer als das Krähen des Hahnes hier zu erkennen. Oder besonders beeindruckend ist also wohl die Kuh - doch nicht schlecht, nicht?"

    Im Rücken des Buches stecken so genannte Sprachsynthetisatoren. Zieht man am Faden, spannt sich ein Blasebalg. Dieser senkt sich beim Loslassen und die durchströmende Luft erzeugt Tierstimmen. Schwieriger als die Schallerzeugung war die Schallaufzeichnung, die es möglich machte, die menschliche Stimme zu analysieren. Das erste Gerät für eine solche Stimmanalyse war ein so genannter Kymograph. Auf einer Platte ist eine drehbare Trommel angebracht, auf die Papier eingespannt ist. Daran sind kleine Zeiger gelehnt. Zur Sprachaufnahme wurden an die Zeiger Schläuche mit einem Trichter am Ende angeschlossen. In diesen wurde hineingesprochen, während sich die Trommel drehte.

    "Dieses Papier wurde also berußt und in das rußige Papier wurde diese Kurve gekratzt mit kleinen Zeigern, die durch den Sprechschall beispielsweise angeregt wurden."

    Der Ruß auf den so genannten Kymogrammen wurde später fixiert. Die so aufgezeichnete Stimme konnte anschließend vermessen werden.

    "Also rein messtechnisch ist das heute nahezu nicht mehr nachvollziehbar, dass das funktioniert hat, aber mit solchen Geräten sind wirklich die Grundlagen unserer heutigen phonetischen Kenntnisse geschaffen worden."

    Daher will er die Sammlung auch nicht als Kuriositätenkabinett verstanden wissen, sondern als Ursprung einer Fachrichtung, die eine lange Entwicklung hinter sich hat, sagt Rüdiger Hoffmann am Ende des Rundgangs.

    "In nehme gerne mal was mit in die Vorlesung. Natürlich ist das jetzt hier nicht nostalgisch gedacht, sondern es gibt ab und zu mal ein Schlaglicht, was sich so eigentlich hinter irgendwelchen technischen Vorgängen verbirgt und es ist ja sicher gut, sich ab und zu mal auf seine Wurzeln zu besinnen."
    Professor Rüdiger Hoffmann in seiner Sammlung.
    Professor Rüdiger Hoffmann in seiner Sammlung. (Stang)
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Manche mechanische Wunderwerke dienten nicht nur ernsten Zwecken. (Stang)