Man nennt sie die Unsterblichen, aber was der Académie Française genannte Altherrenverein eigentlich die ganze Zeit über treibt, ist niemandem so recht klar. Seit über dreihundertfünfzig Jahren, seit der Gründung der Académie durch Kardinal Richelieu im Jahre 1634, sind ihre Mitglieder gehalten, über die Reinheit der französischen Sprache zu wachen und ein amtliches Wörterbuch derselben zu erstellen. Keine kleine Aufgabe, aber eine Aufgabe, die sich bei einem so großzügig bemessenen Zeitrahmen wie dem der Unsterblichkeit hätte bewältigen lassen müssen. Allein, der Fortgang der Arbeit am Wörterbuch schleppt sich immer noch dahin, und von sich reden macht die Académie eigentlich immer nur bei zwei Anlässen: Wenn sie dem Volk der Franzosen aufs Maul schaut und dessen angeblich widerlichen Umgang mit der schönsten Sprache der Welt geißelt oder wenn einer der vierzig Unsterblichen sich aus seiner irdischen Existenz verabschiedet und damit den Sessel für einen Nachfolger freimacht.
Da sich die Herren, die seit kurzem, aber nur ganz selten, auch schon einmal eine Dame in ihren illustren Kreis aufnehmen, im ersten Fall, der Sprachpflege, im Laufe der Jahre einen solid konservativen Ruf erworben haben, sind die Kandidaten für die Unsterblichkeit in der Regel von ähnlich konservativem Schrot und Korn. Meist handelt es sich, wie zuletzt bei Altpräsident Giscard d'Estaing, um verdiente und betagtere Herrschaften, die sich in vielerlei Hinsicht auszeichnen, aber nicht unbedingt durch ihren jugendlich frischen Wagemut. Und gerade Letzteres macht die Académie in den Augen jener, die sich in literarischen Dingen für modern, innovativ, revolutionär gar halten, zur Lachnummer.
Aber, aber, so weiß der skeptische Beobachter, auch die Avantgarden kommen irgendwann in die Jahre. Wer zählt die ehemaligen Revoluzzer auf Ministersesseln, wer die preisgekrönten Provokateure? Und so sagt er sich, der skeptische Beobachter, in Abwandlung eines alten Sponti-Spruchs: Die größten Kritiker der Elche werden später selber welche. Ein solcher Kritiker der Elche oder, kehren wie an die Seine zurück, der Académie Française, war früher auch einmal Alain Robbe-Grillet, der jetzt an die Pforte der alten Institution klopft. In den späten fünfziger, frühen sechziger Jahren mischte der gelernte Agrar-Ingenieur mit seinen Schriften für einen Neuen Roman, für den "nouveau roman", gehörig den Literaturbetrieb auf. Er proklamierte und praktizierte das Ende eines klassisch-gemütlichen Erzählens à la Balzac, zerschnitt chronologische Handlungsabläufe in serielle Sequenzen, setzte an die Stelle von Psychologie, Gefühl und Weltanschauung die eisige Objektivität eines Kamera-Auges. Damit, und mit seinen offen zur Schau getragenen sexuellen Vorlieben, seinen sado-erotischen Szenarien für Film und Literatur, provozierte er Publikum und Kritik, Konservative, wie die Mitglieder der Académie Française, und Linke, die von der Literatur gesellschaftliches Engagement erwarteten, gleichermaßen. Und doch wurde Alain Robbe-Grillet, der als Lektor des kleinen Verlagshauses "les Editions de Minuit" Autoren wie die späteren Nobelpreisträger Claude Simon und Samuel Beckett betreute, zur Instanz, zum vielfach umworbenen Gastprofessor, der vor allem an amerikanischen Universitäten zum Botschafter einer neuen Literatur und, nicht zuletzt, seiner selbst wurde. Und es besteht kein Zweifel: Der heute über Achtzigjährige, dem inzwischen ganze Regale an Doktorarbeiten und Studien gewidmet sind, hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Literatur, nicht nur die französische, ausgeübt. Sie sähe heute, ohne das reinigende Gewitter, das er seinerzeit ausgelöst hat, anders aus.
Und jetzt will dieser lebenslange Provokateur in die Académie Française? Das treibt so manchem ein spöttisch schadenfrohes Grinsen auf die Lippen. Aber warum eigentlich nicht? Er repräsentiert schon seit langem einen Standard im künstlerischen Umgang mit der französischen Sprache. Und Standards, das beginnt auch die Académie zu begreifen, ändern sich. Die Elche von heute sind nicht die von 1950, und es muss Platz gemacht werden für neue Kritiker neuer Elche. das ist der Lauf der Zeit, und das ist eine Chance für die Académie Française - und für Alain Robbe-Grillet. Glaubt man den Pariser Auguren, so stehen seine Chancen nicht schlecht. Am 25. März wissen wir mehr....
Da sich die Herren, die seit kurzem, aber nur ganz selten, auch schon einmal eine Dame in ihren illustren Kreis aufnehmen, im ersten Fall, der Sprachpflege, im Laufe der Jahre einen solid konservativen Ruf erworben haben, sind die Kandidaten für die Unsterblichkeit in der Regel von ähnlich konservativem Schrot und Korn. Meist handelt es sich, wie zuletzt bei Altpräsident Giscard d'Estaing, um verdiente und betagtere Herrschaften, die sich in vielerlei Hinsicht auszeichnen, aber nicht unbedingt durch ihren jugendlich frischen Wagemut. Und gerade Letzteres macht die Académie in den Augen jener, die sich in literarischen Dingen für modern, innovativ, revolutionär gar halten, zur Lachnummer.
Aber, aber, so weiß der skeptische Beobachter, auch die Avantgarden kommen irgendwann in die Jahre. Wer zählt die ehemaligen Revoluzzer auf Ministersesseln, wer die preisgekrönten Provokateure? Und so sagt er sich, der skeptische Beobachter, in Abwandlung eines alten Sponti-Spruchs: Die größten Kritiker der Elche werden später selber welche. Ein solcher Kritiker der Elche oder, kehren wie an die Seine zurück, der Académie Française, war früher auch einmal Alain Robbe-Grillet, der jetzt an die Pforte der alten Institution klopft. In den späten fünfziger, frühen sechziger Jahren mischte der gelernte Agrar-Ingenieur mit seinen Schriften für einen Neuen Roman, für den "nouveau roman", gehörig den Literaturbetrieb auf. Er proklamierte und praktizierte das Ende eines klassisch-gemütlichen Erzählens à la Balzac, zerschnitt chronologische Handlungsabläufe in serielle Sequenzen, setzte an die Stelle von Psychologie, Gefühl und Weltanschauung die eisige Objektivität eines Kamera-Auges. Damit, und mit seinen offen zur Schau getragenen sexuellen Vorlieben, seinen sado-erotischen Szenarien für Film und Literatur, provozierte er Publikum und Kritik, Konservative, wie die Mitglieder der Académie Française, und Linke, die von der Literatur gesellschaftliches Engagement erwarteten, gleichermaßen. Und doch wurde Alain Robbe-Grillet, der als Lektor des kleinen Verlagshauses "les Editions de Minuit" Autoren wie die späteren Nobelpreisträger Claude Simon und Samuel Beckett betreute, zur Instanz, zum vielfach umworbenen Gastprofessor, der vor allem an amerikanischen Universitäten zum Botschafter einer neuen Literatur und, nicht zuletzt, seiner selbst wurde. Und es besteht kein Zweifel: Der heute über Achtzigjährige, dem inzwischen ganze Regale an Doktorarbeiten und Studien gewidmet sind, hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Literatur, nicht nur die französische, ausgeübt. Sie sähe heute, ohne das reinigende Gewitter, das er seinerzeit ausgelöst hat, anders aus.
Und jetzt will dieser lebenslange Provokateur in die Académie Française? Das treibt so manchem ein spöttisch schadenfrohes Grinsen auf die Lippen. Aber warum eigentlich nicht? Er repräsentiert schon seit langem einen Standard im künstlerischen Umgang mit der französischen Sprache. Und Standards, das beginnt auch die Académie zu begreifen, ändern sich. Die Elche von heute sind nicht die von 1950, und es muss Platz gemacht werden für neue Kritiker neuer Elche. das ist der Lauf der Zeit, und das ist eine Chance für die Académie Française - und für Alain Robbe-Grillet. Glaubt man den Pariser Auguren, so stehen seine Chancen nicht schlecht. Am 25. März wissen wir mehr....