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Gerangel um neue EU-Direktive zur Energieeffizienz

Bis 2020 sollen Treibhausgasemissionen in der EU um 20 Prozent reduziert werden, der Anteil an erneuerbaren Energien soll auf 20 Prozent steigen, die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden. Davon sind viele EU-Staaten weit entfernt. Gegen einen neuen Richtlinien-Entwurf, der helfen soll, die 20-Prozent-Marke doch noch zu erreichen, regt sich Widerstand.

Von Monika Hoegen | 04.04.2012
    Für Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter ist es eine einfache Rechnung: 143 Atomkraftwerke gibt es in Europa, die zusammen 13,4 Prozent des Strombedarfs in der Union abdecken. Würde dieser Verbrauch um 20 Prozent gesenkt, so könne man auf die Leistung der Kernkraft also ganz verzichten. Doch ausgerechnet die eigene Regierung in Berlin, die sich sonst so gern als Vorreiter der Energiewende präsentiert, mache bei den Verhandlungen um die neue EU-Direktive für mehr Energieeffizienz keine gute Figur, so Liese.

    "Ich finde es bedauerlich, dass über viele Monate Deutschland keine klare Position hatte. Und wenn ich es richtig sehe, ist die deutsche Position auch trotz einer Einigung zwischen Minister Rösler und Herrn Röttgen noch nicht endgültig durchformuliert."

    Den Widerstand im Wirtschaftsministerium erklärt Liese unter anderem mit der Sorge, dass die neuen Vorgaben für die energieintensive Industrie – also die Chemie- oder Stahlbranche – zu Produktionsbeschränkungen führen könnte. Laut Liese lässt sich aber mehr Energieeffizienz ohne solche Beschränkungen erreichen.

    "Deutschland muss sich an der Stelle konstruktiv einbringen. Und auch die deutsche Industrie muss sich konstruktiv einbringen. Immer nur zu sagen, wir haben Angst, dass das und das passiert und dann gegen Energieeffizienz, gegen eine verbindliche Umsetzung zu argumentieren, das bringt niemanden weiter."

    Ohnehin liegt das größte Einsparpotenzial nicht in der Industrie, sondern bei öffentlichen und privaten Gebäuden. Und so sieht der Richtlinienentwurf vor, dass ab 2014 drei Prozent der öffentlichen Gebäude in jedem Mitgliedsstaat energieeffizient renoviert werden müssen. Doch auch das ist nicht unproblematisch. So macht Italien geltend, dass sich viele öffentliche Einrichtungen in antiken Bauten befinden, die nur sehr schwer und kostenaufwendig zu sanieren seien. Und auch in anderen Ländern regt sich Widerstand gegen eine europaweite Effizienz-Richtlinie. Frankreich zum Beispiel möchte den Industriesektor komplett aus der Direktive herausnehmen. Österreich will bei den neuen Zielen nicht mitmachen, sondern kurzerhand alte, bis zum Jahre 2005 erzielte Einsparungen anrechnen. Für all das macht Claude Turmes, Berichterstatter des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, den Lobbyismus der Energiekonzerne verantwortlich. Denn die müssten nach dem derzeitigen Entwurf 1,5 Prozent ihrer Energieverkäufe jährlich einsparen. Turmes:

    "Eon verkauft Gas, BP verkauft Öl. RWE und EON verkaufen Strom. Wenn wir diese Richtlinie durchsetzen, dann werden die weniger Geld verdienen in Zukunft. Das heißt, diese ganzen Unternehmen, die sind dieser Richtlinie sehr schlecht gesinnt. Wir haben ja nicht aus Zufall 2200 Änderungsanträge gehabt. Wer, denken Sie, hat die geschrieben?"

    Mehr Energieeffizienz komme also nicht den Strom-Konzernen, wohl aber dem Klima, der europäischen Wirtschaft und den Verbrauchern zugute, betont Turmes. Denn wo Energie eingespart wird, sinken die Kosten – etwa für teure Gasimporte aus Russland. Der Verbraucher würde niedrigere Strompreise in seinem Portemonnaie spüren und die lokale Industrie mit der Herstellung energieeffizienter Technologien neue Arbeitsplätze schaffen. Der luxemburgische Grünen-Abgeordnete Turmes:

    "Was wir hier machen, ist, weniger Geld für Herrn Putin – mehr Geld für die deutschen Handwerker."

    Dass gerade die Wirtschaft europaweite Effizienzvorgaben braucht und nationale Richtlinien allein nicht ausreichend sind, findet auch EU-Parlamentarier Liese:

    "Wenn ich als Heizungshersteller beispielsweise eine neue effiziente Technologie auf den Markt bringen will, dann kann ich ganz anders rechnen, wenn ich für 500 Millionen Menschen produziere, als wenn ich nur für 80 Millionen Menschen in Deutschland oder 60 Millionen in Frankreich produziere."

    Noch hat Liese Hoffnung, dass trotz allen Gerangels die Vernunft siegt und die Direktive verabschiedet wird. Denn:

    "Alles andere wäre auch überhaupt nicht zu vermitteln."