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Geraubte Geschätze
Die Rolle der Auktionshäuser beim Umgang mit Raubkunst

Mit Raubkunst lässt sich Geld verdienen. Mit restituierter Raubkunst noch viel mehr. Das gilt besonders für Auktionshäuser. Hier landen häufig Werke, die ihren meistens jüdischen Eigentümern unter dem Regime der Nationalsozialisten entwendet und deren Nachkommen später zurückerstattet wurden.

Von Sacha Verna |
    Ein Auktionshammer schwebt am 13.11.2005 im Hotel Mercure Tempelhof Airport in Berlin über dem Pult. Zum ersten Mal fand im Haus eine Kunstauktion statt, deren Erlös der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" zugute kommen soll. Foto: Soeren Stache +++(c) dpa - Report+++
    Es existieren keine Gesetze für Auktionshäuser, was den Umgang mit Beutekunst betrifft. (picture-alliance/ ZB)
    "Lauder bezahlt 135 Millionen Dollar, ein Rekord, für Klimt-Porträt" titelte die "New York Times", als der New Yorker Multimilliardär Ronald Lauder im Juni 2006 das damals teuerste Gemälde der Welt erwarbt. Arrangiert hatte das Geschäft das Auktionshaus Christie’s. Ihm vorausgegangen war ein langwieriger Rechtsstreit zwischen der letzten überlebenden Erbin des ursprünglichen Besitzers und Österreich, wo Gustav Klimts goldenes Porträt von Adele Bloch-Bauer bis dahin eine Wand in der österreichischen Galerie des Schloss Belvedere geziert hatte.
    Mit Raubkunst, denn darum handelte es sich bei dem Bild, lässt sich Geld verdienen. Mit restituierter Raubkunst noch viel mehr. Das gilt besonders für Auktionshäuser, wo Werke häufig landen, die ihren meistens jüdischen Eigentümern unter dem Regime der Nationalsozialisten entwendet und deren Nachkommen später zurückerstattet wurden.
    Die führenden Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s verfügen seit Mitte der 90er-Jahre über Abteilungen, die sich ausschließlich mit der Herkunft eingelieferter Werke befassen. Es macht sich nämlich gut, einen Solomon van Ruisdael aus der Sammlung des Amsterdamer Kunsthändlers Jacques Goudstikker anzubieten, den seine Schwiegertochter Marei von Saher nach diversen Gerichtsverfahren wiedererlangt hat. Ganz schlechte Werbung ist es hingegen, wenn sich bei einem im Auktionskatalog angepriesenen Kunstwerk zeigt, dass es aus noch ungeklärten Besitzverhältnissen stammt.
    Sie verlangten vom Einlieferer eines Werkes so viel Information wie möglich, sagt Lucien Simmons, der Leiter der Provenienz- und Restitutionsabteilung von Sotheby’s.
    "Aber dann gehen wir weiter und recherchieren selber in Literatur, Archiven und in Verzeichnissen von gestohlener Kunst. So stellen wir sicher, dass alles korrekt ist."
    In den vergangenen drei Jahren hat Sotheby’s restituierte Raubkunst für über 70 Millionen Dollar versteigert. Darunter so berühmte Werke wie Lyonel Feiningers "Raddampfer am Landungssteg" aus dem Nachlass des Bankiers Hugo Simon für zwei Millionen Dollar und Gustav Klimts "Kirche in Cassone" aus der bedeutenden Sammlung der Zuckerkandls für 40 Millionen Dollar. Bei einer Kommission zwischen zwölf und 25 Prozent waren das einträgliche Transaktionen.
    Kommen Zweifel an der Herkunft eines Werkes auf, so Lucien Simmons, übernähmen Auktionshäuser oft die Rolle von Vermittlern:
    "Wir bemühen uns mit dem Einlieferer, unserem Kunden um eine Lösung. Es kann sein, dass unser Kunde das Werk an den rechtmäßigen Besitzer zurückgibt, sei es an eine Person oder an eine Institution. Es kann sein, dass das Werk versteigert und der Erlös geteilt wird. Oder man einigt sich darauf, das Werk im Namen des ursprünglichen Eigentümers einer Institution zu stiften. Manchmal wechselt Geld die Hände und die eine Partei findet die andere ab. Sotheby’s sucht nach einem Mittelweg, der beide Seiten zufriedenstellt."
    Dieser Mittelweg stellt meistens auch die Auktionshäuser zufrieden, wo man sehr daran interessiert ist, derartige Dispute gütlich zu beizulegen. Das gelingt auch: Neun von zehn Fälle werden außergerichtlich geregelt. Schließlich ist keinem der Beteiligten mit endlosen und teuren Prozessen gedient. In zehn bis 20 Restitutionsfälle sind die großen Häuser pro Jahr involviert.
    Es existieren keine Gesetze für Auktionshäuser, was den Umgang mit Beutekunst betrifft. Was sie tun, tun sie freiwillig, und zwar gerne im Licht der Öffentlichkeit, um ihre lauteren Absichten zu demonstrieren. Sowohl Christie’s als auch Sotheby’s verfügen über interne Richtlinien und veranstalten regelmäßig internationale Symposien zum Thema Raubkunst. Jemand, der zu solchen und ähnlichen Konferenzen immer wieder eingeladen wird, ist Howard Spiegler.
    Howard Spiegler ist Leiter der Kunstabteilung der renommierten Kanzlei Herrick Feinstein und Vorsitzender der Internationalen Anwaltsunion UIA. Er hat die Kläger in einigen der aufsehenerregendsten Restitutionsfälle vertreten. So die Erben von Lea Bondi Jaray, deren Kampf um das Porträt von Valerie "Wally" Neuzil von Egon Schiele in die Rechts- und Kunstgeschichte eingegangen ist. Der amerikanische Staat beschlagnahmte das Bild im Namen der Bondi-Erben, als es als Leihgabe des Wiener Leopold Museums im Museum of Modern Art hing. Das war 1997 und mit ein Grund für das Umdenken, das damals in der kommerziellen und in der institutionellen Kunstwelt begann.
    "Zur selben Zeit erschienen mehrere Bücher und Studien, die erstmals das ganze Ausmaß der Plünderungen unter den Nazis darstellten. Hinzu kam das Ende des Kalten Krieges, das zur Öffnung vieler bis dahin unzugänglicher Archive führte. Und das Internet: Plötzlich konnten Bilder von vermissten Werken online gestellt und von Millionen von Menschen gesehen werden. Das hat sich als wahrer Segen für die Beutekunstrecherche erwiesen. Alle diese Faktoren zusammen sensibilisierten eine breite Öffentlichkeit für das Thema."
    Dass Auktionshäuser bis zu diesem Zeitpunkt nach dem Prinzip "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" operierten, hält Howard Spiegler freilich für übertrieben. Es habe schlicht an den Gesetzen, an den nötigen Mitteln und dem Wissen für das Verfahren mit Beutekunst gefehlt.
    Ja: Auktionshäuser profitieren vom Verkauf von Raubkunst. Aber nur, solange die Rechtslage zweifelsfrei und die Provenienz eines Werkes lupenrein sind. Um dies zu garantieren, scheuen sie keinen Aufwand. Das ist gesunder Geschäftssinn mit dem Bonus des Wiedergutmachertums.