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Gerecht erben und vererben

In den kommenden Jahren werden in Deutschland Vermögen im Wert von zwei Billionen Euro vererbt. Geld und Grundstücke, Immobilien und Aktenpakete, ganze Firmen bis hin zu Kunst und Schmuck. Immer wieder bringen Politiker eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ins Gespräch, was aber auf teilweise heftigen Widerstand stößt. Den Familienbesitz versteuern? Nein danke! Auf der anderen Seite scheint es nur gerecht, wenn die Erbengeneration etwas beisteuert zum Gemeinwohl. Das Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung hat nun in einer Studie untersucht, was gerecht ist und was ungerecht an der Erbschaftssteuer.

Von Mirko Smiljanic |
    Das große Erben hat begonnen! Zwei Billionen Euro - eine Zwei mit 12 Nullen! - verteilen sich in den kommenden Jahren auf rund 15 Millionen Haushalte. Erbschaften im Wert zwischen einigen Tausend bis vielen Millionen Euro. Zwar werden auch heute schon Erbschaften versteuert, im Vergleich zum europäischen Ausland aber zu einem sehr niedrigen Steuersatz.

    " Das meiste Vermögen wird in der ersten Klasse der Erbschaftssteuer fällig, das sind nahe Verwandte, der verstorbene Ehepartner, die Kinder, und falls die Kinder gestorben sind, auch die Enkelkinder. Die höchste Belastung in dieser Erbschaftssteuerklasse beträgt 30 Prozent des steuerlich relevanten Erbes, allerdings tritt diese Progressionsstufe von 30 Prozent erst bei einem zu verteuernden Vermögen von 25 Millionen Euro ein, das betriff also nur ganz wenige Erbschaften. Wenn man sich diese Regelung der deutschen Erbschaftssteuer im internationalen Vergleich anschaut, dann ist das eine sehr niedrige Progression der Erbschaftssteuer. "

    Gleiches- fährt Jens Beckert, Professor für Soziologie und Direktor am Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, fort - gilt auch für Immobilien. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Einheitswert: Der fällt aber niedriger aus als der tatsächliche Verkehrswert einer Immobilie. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht Anfang 2007 diese Ungleichbehandlung gerügt, sodass zukünftig das Erben von Häusern teurer wird. Das sei richtig, sagen die einen, und verweisen darauf, dass der Erbende ja nichts zum Wert des Erbes beigetragen hat. Ökonomisch ausgedrückt: Er bekommt Geld ohne Leistung.

    " Moderne Gesellschaften legitimieren, rechtfertigen soziale Ungleichheit mit den Leistungsbeiträgen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder. Erbschaften liegen insofern quer dazu, als hier ein Einkommen erzielt wird, das askriptiv, wie es in der Soziologie heißt, erlangt wird, einfach durch ein bestimmtes familiäres Verhältnis zu dem Erblasser. Und es ist diese Art von intergenerationaler Reproduktion von sozialer Ungleichheit, die meines Erachtens Erbschaften in modernen Gesellschaften problematisch machen. Wenn ich es noch einmal anders formuliere: Erbschaften widersprechen dem Prinzip der Chancengleichheit. "

    Die Chancengleichheit zählt zum normativen Kernprinzip westlicher Gesellschaften. Wobei man sich natürlich fragen kann, ob dieses Prinzip in jedem Fall in Schulen umgesetzt wird oder bei der Vergabe hoher Posten in Wirtschaft und Verwaltung. Oder ob Geld und Einfluss nicht weit stärker über Karrieren entscheiden als messbare Leistung. Dieses Argument spielt für die Gegner einer hohen Besteuerung von Erbschaften aber nur eine untergeordnete Rolle. Weit wichtiger ist für sie etwas anderes: Das Erbe ist kein individueller Besitz sondern ein Familienvermögen:

    " Sodass es nicht ein Einkommen ist, wie man ein Arbeitseinkommen erzielt, sondern dass im Grunde genommen mit dem Tod des Vaters, der Mutter, der Großeltern eigentlich nur ideelle Anteile am Familienvermögen an die nächste Generation übergehen. "

    Was ein schönes Bild ist, aber nur dann wirklich funktioniert, wenn der Erbende zweierlei im Sinn hat: erstens den Reichtum zu mehren und zweitens möglichst viel an die Generation weiter zu geben. Hin und wieder klappt das auch, häufig werden aber die "ideellen" Anteile des Erbes "real" verprasst. Juristisch gehört das Geld letztlich doch nur einem, im besten Fall einer Familie.

    " Es ist undenkbar, nicht nur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Legitimation, dass eine konfiskatorische Erbschaftsbesteuerung eingeführt würde. Aber es ist meines Erachtens sehr gut zu legitimieren, dass vor allem Erben sehr großer Vermögen eine substanzielle Erbschaftssteuer bezahlen und damit zur Finanzierung des Gemeinwesens und sie auch wegen der jetzt größeren Leistungstätigkeit stärker herangezogen werden, als das zurzeit ist. "

    Jens Beckert vom Max Planck Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, bringt es vereinfacht gesagt so auf den Punkt: Wer viel erbt, zahlt mehr, wer wenig erbt, weniger. Mit Blick auf Europa droht hier allerdings ein Wettbewerb der attraktivsten Erbschaftssteuerparadiese.

    " Also dass bestimmte Kantone in der Schweiz beispielsweise keine Erbschaftssteuer verlangen, kann dazu führen, dass sehr reiche Erblasser sich in der Schweiz niederlassen und damit Kapital aus der Bundesrepublik abziehen. Wenn man sich das aber genauer anschaut, sieht man, dass eine solche Steuervermeidungsstrategie sehr hohe Anforderungen hat. Es muss nicht nur der Erblasser in die Schweiz ziehen sondern auch die Erben, und wenn es um Betriebsvermögen geht, muss der Betrieb auch noch in die Schweiz verlegt werden."

    Was letztlich zu hohe Kosten verursacht - zumal Firmen auch heute schon kaum Erbschaftssteuer zahlen. Drei Milliarden Euro fließen jährlich in die Kassen des Staates, nur dreihundert Millionen davon stammen aus dem Nachlass von Firmenvermögen. Eine endgültige Ausgestaltung der Erbschaftssteuer steht noch aus, der Soziologe Jens Beckert hat aber konkrete Vorschläge. Er möchte die Erbschaftssteuer in die Einkommenssteuer integrieren.

    " Das hätte die Folge, dass im Unterschied zum jetzigen System Erbschaften nicht mehr deutlich weniger besteuert würden als Arbeitseinkommen, und meines Erachtens in einer modernen Gesellschaft, in der wir uns befinden, wäre genau das das Ziel, dass Arbeit eigentlich weniger steuerlich belastet wird als Vermögen, und erst recht Vermögen, das leistungsfrei erworben wurde, leistungsfrei erworben wurde, stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen wird. "