Ihr Haus liegt in einem der Außenbezirk von Guatemala-Stadt. Mutter Miriam trocknet gerade Geschirr ab. Sie ist eine disziplinierte Frau, streng in der Kontrolle ihrer Gefühle. Viele Jahre hat sie im Exil verbracht, mit ihren drei Kindern und ihrem Mann, Amílcar, der sich in Mittelamerika als unerschrockener Menschenrechtsaktivist einen Namen gemacht hat. In Guatemala erhielt die Familie Jahre lang immer wieder Morddrohungen. Der Schatten der Gewalt hat ihr Leben verdunkelt. Trotzdem sagte Miriam oft, sie halte sich für eine privilegierte Frau, eine glückliche Mutter. Ihre Kinder waren fröhliche, hilfsbereite Menschen. Ihr Sohn José, genannt Pepe, liebte sie, wie es sich eine Mutter nur wünschen kann. Bis zu dem Tag, an dem er ermordet wurde. José Méndez starb am 17. August 2007 im Alter von 28 Jahren. Mindestens acht Kugeln hatten seinen Körper durchbohrt. Die Trauer der Mutter ist grenzenlos.
"Der Schmerz ist unbeschreiblich. Doch ich muss ihn herunterschlucken, weil die Kinder hier sind. Wenn sie mich weinen hören, erschrecken sie sich. Die Zwillinge sind erst sieben Jahre alt, aber schon Halbwaisen. Doch wenn sie einmal nicht im Haus sind, stoße ich Schreie aus, als ob ich verrückt wäre."
Plötzlich bricht Miriam in Tränen aus. Die Tat wurde in der Nähe des Flughafens verübt. Alvaro Matús, Direktor der nationalen Mordkommission, ist sich sicher, dass der Anschlag genau geplant war.
"Die Art und Weise, wie sie ihn getötet haben, zeigt, dass es keine spontane Tat war. Sie haben einen Plan ausgeführt, mit dem Ziel, ihn zu töten."
Pepes Vater, Amílcar Méndez, sitzt in seinem Arbeitszimmer. Die Möbel rings um ihn sind voll bepackt mit Büchern, Akten und Papieren. Amílcar ist an der Aufklärung mehrerer Verbrechen beteiligt, an Hilfsprojekten für verarmte Gemeinden auf dem Land, an Gesetzesinitiativen und Solidaritätskampagnen für unterdrückte Minderheiten. Er spricht gerne über Details und zieht dabei allerlei Dokumente aus Schubladen oder öffnet Archive auf seinem Computer. Unter anderem beteiligt er sich auch an der Untersuchung, die den Mord an seinem Sohn aufklären will:
"Der Mord an meinem Sohn ist einer von vielen Tausend in Guatemala. Wir sehen die Tat nicht als Einzelfall, sondern in dem Kontext des Terrors und Blutvergießens, das wir in unserem Land erleben. Die Gewalt, die Korruption, die großen Geschäfte der Privatwirtschaft, die von einigen wenigen, sehr reichen Familien kontrolliert werden. Der Bürgerkrieg ist vor elf Jahren zu Ende gegangen. Seither sind die perversen Strukturen der Militärs durch andere kriminelle Strukturen ersetzt worden. Heute regiert das organisierte Verbrechen. Es geht um Drogen, Schmuggel, illegale Migranten. All das ist bekannt, aber ich muss eingestehen, dass ich zu vertrauensselig war. Mein Sohn hat im Kontrollturm des internationalen Flughafens gearbeitet. Alle Welt weiß, dass das ein Operationszentrum der Mafia ist. Pepe ist bestimmten Leuten in die Quere gekommen, weil er die legalen Vorschriften befolgt hat. Deshalb haben sie seine Eliminierung beschlossen."
Amílcar zieht wieder Dokumente hervor und diskutiert Hypothesen. Aber etwas ist verloren gegangen in der Seele dieses traurigen Vaters. Sein Haar scheint grauer geworden zu sein, sein Gesicht düsterer. Er versucht, die Trauer mit Aktivität und Resignation zu überspielen. Aber manchmal kann er nicht verhindern, dass seine Stimme zittert. Seine jüngste Tochter Ana Maria sagt, sie müsse jetzt stark sein, um ihre Eltern zu unterstützen, ihre Schwägerin und die Kinder.
"Die Arbeit meines Bruders auf dem Flughafen war eine risikoreiche Sache. Seine Entscheidungen waren oft sehr delikat. Das organisierte Verbrechen hier in Guatemala ist sehr stark. Auf dem Flughafen gibt es nahezu keine Kontrollen. Wer will, kann mit seinem Auto einfach rein fahren und illegale Produkte verfrachten, ohne dass irgendjemand davon erfährt. Pepe war sehr korrekt in seiner Arbeit. Er hat sich immer an die Vorgaben gehalten. Wenn er darüber zu entscheiden hatte, ob ein Flugzeug starten oder landen dürfte, dann tat er dies den Vorschriften entsprechend. Damit hat er die Transporte der Drogenhändler gestört. Ich hätte mir das nicht vorstellen können, aber manchmal war die gesamte Kontrolle abhängig von Pepes Entscheidung."
Arbeitskollegen erzählen, der Generaldirektor des Flughafens habe Pepe kurz vor seinem Tod persönlich aufgefordert, seinen Platz zu räumen. Der mächtige Mann wollte ihn entlassen, nachdem Pepe eine nächtliche Starterlaubnis für ein Flugzeug verweigert hatte, dessen Besitzer der Direktor selbst war. Entgegen der Vorschriften ist der Funktionär trotzdem gestartet, ohne dass die Fracht ordnungsgemäß kontrolliert worden wäre. Pepe konnte sich gegen die Entlassung wehren, weil er gemäß der technischen Vorgaben entschieden hatte. Wenig später war er tot. Viel mehr möchten die Arbeitskollegen nicht sagen.
"Solche Angelegenheiten werden nicht öffentlich behandelt. Davon wissen nur wenige Personen. Es ist aber eine Tatsache, dass hier auf dem Flughafen schon einige Piloten ermordet wurden, ohne dass die Staatsanwaltschaft ernsthafte Nachforschungen angestellt hätte. Wir vermuten, dass es Druck von oben gibt. Wenn die Leute an der Macht nicht wollen, dass ein Fall aufgeklärt wird, dann gibt es auch keine ordentliche Untersuchung."
Der für den Mord an Pepe zuständige Ermittler der Staatsanwaltschaft, Héctor Canastuj, bestätigt die Vermutungen über den Einfluss des organisierten Verbrechens auf dem Flughafen.
"Bisher gibt es nur Hinweise, dass dort Drogen umgeschlagen werden. Beweise gibt es nicht. Aber eins ist sicher: Das organisierte Verbrechen und vor allem die Drogenhändler erlauben keine Zeugen. Sie eliminieren Personen, von denen sie sich gestört fühlen."
Am Tag von Pepes Begräbnis sind in der guatemaltekischen Hauptstadt acht Menschen ermordet worden. Das entspricht etwa dem statistischen Durchschnitt. Wahrscheinlich wird nicht ein einziges dieser Verbrechen aufgeklärt. Nur zwei von hundert Mordfällen kommen überhaupt vor Gericht. Es gibt so viele Tote, dass die Ermittler nicht einmal Zeit genug haben, um die einfachsten Untersuchungen durchzuführen. In dem Fall von Pepe hat sich das FBI eingeschaltet, weil sein Vater Amílcar gute Beziehungen zu Menschenrechtsorganisationen in den USA hat. Eine internationale Kampagne mit dem Titel "Gerechtigkeit für Pepe" ist angelaufen. Vielleicht wird die Wahrheit eines Tages aufgeklärt. Aber eins ist sicher: Pepe wird nie wieder zu seiner Familie zurückkommen.
"Der Schmerz ist unbeschreiblich. Doch ich muss ihn herunterschlucken, weil die Kinder hier sind. Wenn sie mich weinen hören, erschrecken sie sich. Die Zwillinge sind erst sieben Jahre alt, aber schon Halbwaisen. Doch wenn sie einmal nicht im Haus sind, stoße ich Schreie aus, als ob ich verrückt wäre."
Plötzlich bricht Miriam in Tränen aus. Die Tat wurde in der Nähe des Flughafens verübt. Alvaro Matús, Direktor der nationalen Mordkommission, ist sich sicher, dass der Anschlag genau geplant war.
"Die Art und Weise, wie sie ihn getötet haben, zeigt, dass es keine spontane Tat war. Sie haben einen Plan ausgeführt, mit dem Ziel, ihn zu töten."
Pepes Vater, Amílcar Méndez, sitzt in seinem Arbeitszimmer. Die Möbel rings um ihn sind voll bepackt mit Büchern, Akten und Papieren. Amílcar ist an der Aufklärung mehrerer Verbrechen beteiligt, an Hilfsprojekten für verarmte Gemeinden auf dem Land, an Gesetzesinitiativen und Solidaritätskampagnen für unterdrückte Minderheiten. Er spricht gerne über Details und zieht dabei allerlei Dokumente aus Schubladen oder öffnet Archive auf seinem Computer. Unter anderem beteiligt er sich auch an der Untersuchung, die den Mord an seinem Sohn aufklären will:
"Der Mord an meinem Sohn ist einer von vielen Tausend in Guatemala. Wir sehen die Tat nicht als Einzelfall, sondern in dem Kontext des Terrors und Blutvergießens, das wir in unserem Land erleben. Die Gewalt, die Korruption, die großen Geschäfte der Privatwirtschaft, die von einigen wenigen, sehr reichen Familien kontrolliert werden. Der Bürgerkrieg ist vor elf Jahren zu Ende gegangen. Seither sind die perversen Strukturen der Militärs durch andere kriminelle Strukturen ersetzt worden. Heute regiert das organisierte Verbrechen. Es geht um Drogen, Schmuggel, illegale Migranten. All das ist bekannt, aber ich muss eingestehen, dass ich zu vertrauensselig war. Mein Sohn hat im Kontrollturm des internationalen Flughafens gearbeitet. Alle Welt weiß, dass das ein Operationszentrum der Mafia ist. Pepe ist bestimmten Leuten in die Quere gekommen, weil er die legalen Vorschriften befolgt hat. Deshalb haben sie seine Eliminierung beschlossen."
Amílcar zieht wieder Dokumente hervor und diskutiert Hypothesen. Aber etwas ist verloren gegangen in der Seele dieses traurigen Vaters. Sein Haar scheint grauer geworden zu sein, sein Gesicht düsterer. Er versucht, die Trauer mit Aktivität und Resignation zu überspielen. Aber manchmal kann er nicht verhindern, dass seine Stimme zittert. Seine jüngste Tochter Ana Maria sagt, sie müsse jetzt stark sein, um ihre Eltern zu unterstützen, ihre Schwägerin und die Kinder.
"Die Arbeit meines Bruders auf dem Flughafen war eine risikoreiche Sache. Seine Entscheidungen waren oft sehr delikat. Das organisierte Verbrechen hier in Guatemala ist sehr stark. Auf dem Flughafen gibt es nahezu keine Kontrollen. Wer will, kann mit seinem Auto einfach rein fahren und illegale Produkte verfrachten, ohne dass irgendjemand davon erfährt. Pepe war sehr korrekt in seiner Arbeit. Er hat sich immer an die Vorgaben gehalten. Wenn er darüber zu entscheiden hatte, ob ein Flugzeug starten oder landen dürfte, dann tat er dies den Vorschriften entsprechend. Damit hat er die Transporte der Drogenhändler gestört. Ich hätte mir das nicht vorstellen können, aber manchmal war die gesamte Kontrolle abhängig von Pepes Entscheidung."
Arbeitskollegen erzählen, der Generaldirektor des Flughafens habe Pepe kurz vor seinem Tod persönlich aufgefordert, seinen Platz zu räumen. Der mächtige Mann wollte ihn entlassen, nachdem Pepe eine nächtliche Starterlaubnis für ein Flugzeug verweigert hatte, dessen Besitzer der Direktor selbst war. Entgegen der Vorschriften ist der Funktionär trotzdem gestartet, ohne dass die Fracht ordnungsgemäß kontrolliert worden wäre. Pepe konnte sich gegen die Entlassung wehren, weil er gemäß der technischen Vorgaben entschieden hatte. Wenig später war er tot. Viel mehr möchten die Arbeitskollegen nicht sagen.
"Solche Angelegenheiten werden nicht öffentlich behandelt. Davon wissen nur wenige Personen. Es ist aber eine Tatsache, dass hier auf dem Flughafen schon einige Piloten ermordet wurden, ohne dass die Staatsanwaltschaft ernsthafte Nachforschungen angestellt hätte. Wir vermuten, dass es Druck von oben gibt. Wenn die Leute an der Macht nicht wollen, dass ein Fall aufgeklärt wird, dann gibt es auch keine ordentliche Untersuchung."
Der für den Mord an Pepe zuständige Ermittler der Staatsanwaltschaft, Héctor Canastuj, bestätigt die Vermutungen über den Einfluss des organisierten Verbrechens auf dem Flughafen.
"Bisher gibt es nur Hinweise, dass dort Drogen umgeschlagen werden. Beweise gibt es nicht. Aber eins ist sicher: Das organisierte Verbrechen und vor allem die Drogenhändler erlauben keine Zeugen. Sie eliminieren Personen, von denen sie sich gestört fühlen."
Am Tag von Pepes Begräbnis sind in der guatemaltekischen Hauptstadt acht Menschen ermordet worden. Das entspricht etwa dem statistischen Durchschnitt. Wahrscheinlich wird nicht ein einziges dieser Verbrechen aufgeklärt. Nur zwei von hundert Mordfällen kommen überhaupt vor Gericht. Es gibt so viele Tote, dass die Ermittler nicht einmal Zeit genug haben, um die einfachsten Untersuchungen durchzuführen. In dem Fall von Pepe hat sich das FBI eingeschaltet, weil sein Vater Amílcar gute Beziehungen zu Menschenrechtsorganisationen in den USA hat. Eine internationale Kampagne mit dem Titel "Gerechtigkeit für Pepe" ist angelaufen. Vielleicht wird die Wahrheit eines Tages aufgeklärt. Aber eins ist sicher: Pepe wird nie wieder zu seiner Familie zurückkommen.