Freitag, 19. April 2024

Archiv


Geringe Aussicht auf Verlängerung des Kyoto-Protokolls

Streitthema beim Weltklimagipfel im südafrikanischen Durban ist die Verlängerung des Kyoto-Protokolls. Vor allem die USA, China sowie einige Schwellenländer sind nicht bereit, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu verringern. Die EU ist bereit, ergreift aber selbst nicht die Initiative.

Georg Ehring im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 28.11.2011
    Susanne Kuhlmann: Rund 20.000 Delegierte aus mehr als 190 Staaten sind im südafrikanischen Durban zur Weltklimakonferenz zusammengekommen. Zwölf Tage dauert die Mammutveranstaltung. Aber ob am Ende ein Erfolg stehen wird, ist mehr als zweifelhaft. In den wohlhabenden Ländern rangiert das Thema Klimawandel wegen der Finanzkrise im Moment eher unter ferner liefen. Anderswo häufen sich währenddessen Unwetter, Dürren und Überschwemmungen. Vorboten grundlegender Veränderungen?
    Dabei endete die Vorgängerkonferenz in Cancun in Mexiko vor einem Jahr doch mit einem Hoffnungsgefühl. Damals gelobten alle Vertragsstaaten das ihre zu tun, damit die Erderwärmung nicht um mehr als zwei Grad ansteigt. Sie wollten außerdem den Ausstoß von Treibhausgasen senken und einen Klimafonds einrichten, der Staaten zugutekommen soll, die in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen sind. Jetzt wissen wir aber, noch nie war die Konzentration an Kohlendioxid in der Erdatmosphäre so hoch wie heute, trotz aller Versprechen. Und praktisch hat sich seit den Konferenztagen von Cancun so gut wie nichts getan. Eine der großen ungelösten Fragen ist das Kyoto-Protokoll.

    Georg Ehring in Durban, wie ist die Ausgangslage, angesichts eines in Sachen Klimaschutz mehr oder weniger verlorenen Jahres 2011?

    Georg Ehring: Ja, Frau Kuhlmann, ganz verloren ist das Jahr nicht gewesen. Aber in Bezug auf die Hauptsache ist die Welt eben nicht vorangekommen. Es gab bisher keinen sichtbaren Fortschritt bei der Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Vor allem einige Schwellenländer sorgen dafür, dass die Emissionen in einem nie für möglich gehaltenen Tempo wachsen, und die Industrieländer tun viel zu wenig, um sie zu verringern. Die Schwellenländer rechtfertigen dies mit Nachholbedarf bei der Entwicklung und die Industrieländer, die können ja darauf verweisen, dass sie das Kyoto-Protokoll einhalten.

    Das sieht bis 2012 eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen um gerade mal fünf Prozent vor. Alle Teilnehmer außer Kanada halten das ein, aber die großen Emittenten USA sowie China, Indien und andere Schwellenländer, die sind nicht dabei. Hier in Durban wird es vor allem um eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls gehen, wobei Kanada, Japan und Russland schon gar nicht mehr mitmachen wollen und die anderen Unterzeichner nur unter der Bedingung, dass die USA und die Schwellenländer sich zu vergleichbaren Anstrengungen verpflichten.

    Kuhlmann: Was könnte sich denn genau in den kommenden zwei Wochen tun?

    Ehring: Es gibt viele andere Fragen abseits der großen Emissionsfrage, wo es Fortschritte gibt, beim Green Climate Fund zum Beispiel. Der grüne Fonds für den Klimaschutz wurde letztes Jahr bei dem Klimagipfel in Cancun beschlossen, und er soll jetzt mit Strukturen versehen und arbeitsfähig werden. Bis zum Jahr 2020 sollen die Industriestaaten pro Jahr 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern zahlen. Wo das Geld herkommt, ist dabei allerdings nicht klar. Bei den Strukturen des Fonds ist man aber immerhin schon relativ weit, er könnte hier also beschlossen werden.

    Weitere Fragen sind Schutz der Urwälder und Transfer von Klimaschutztechnologien in Entwicklungsländer. Auch hier gibt es Fortschritte.

    Kuhlmann: Wie ist denn die Haltung der EU?

    Ehring: Die Haltung der EU? Die EU ist zwar bereit zu einer Verlängerung des Kyoto-Protokolls, immerhin, aber es sieht so aus, als ob von ihr keine eigenen Initiativen kommen. Dazu ist sie intern zu zerstritten. Seit Jahren wälzt Europa die Frage, ob das eigene Klimaschutzziel von 20 auf 30 Prozent Emissionsverringerung bis 2020 aufgestockt wird. Deutschland ist dafür, ebenso die meisten Mitgliedsstaaten der EU, aber Länder wie Polen blockieren und ausgerechnet Polen hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und führt auch hier die Verhandlungen für Europa.

    Kuhlmann: Welche großen Probleme müssen sonst noch angepackt werden?

    Ehring: Das Kyoto-Protokoll ist der Stolperstein. Wenn es hier zu einer Einigung kommt, dann könnten auch andere Fragen lösbar werden. Bereit zu einer Verlängerung wären wie gesagt die Europäische Union, auch Australien, Norwegen und einige weitere kleinere Länder. Aber insgesamt wären von der Verlängerung nur noch 15 Prozent der weltweiten Emissionen betroffen. Das ist viel zu wenig, um das Klima effektiv zu schützen.

    Bei den anderen Ländern hat China zwar eigene ehrgeizige Ziele formuliert. Es sperrt sich aber gegen internationale Kontrollen. Auch das ist ein Stolperstein. Und die USA, die spielen derzeit im Klimaschutz allenfalls noch eine Rolle als Sündenbock. Wer immer seine Untätigkeit begründen will, kann auf das schlechte Beispiel des weltweit zweitgrößten Emittenten von Treibhausgasen verweisen.

    Kuhlmann: Zum Schluss noch kurz ein Blick auf Afrika als Schauplatz dieser Weltklimakonferenz. Was heißt das für den Erdteil?

    Ehring: Afrika prägt diesen Klimagipfel nicht nur mit dem Beiprogramm, also etwa afrikanischen Tänzen zur Eröffnungszeremonie; Afrika leidet besonders unter dem Klimawandel - sei es, weil der Kontinent so arm ist, vor allem -, und Ausgleich für den menschengemachten Klimawandel, das steht hier höher auf der Tagesordnung. Die armen Entwicklungsländer können hier vielleicht für mehr Druck sorgen als bei Gipfeln in anderen Weltregionen.

    Kuhlmann: Zum Auftakt der Klimakonferenz in Durban waren das erste Einschätzungen von Georg Ehring. Danke dafür.