Es ist schwer, sich an die Akustik der Opéra Bastille zu gewöhnen. Das wird auch so bleiben. Dort wo einst das Volk klar, deutlich und laut seine Empörung über die Despotie auslebte, klingt es heute gedämpft, dumpf, intransparent. Als spielte das Orchester nicht in einem Graben, sondern in einer Gruft, die schon mit einer Granitplatte versiegelt ist. Kein Musikwerk kann hier aus eigener Kraft auferstehen. Die samtseidigen Körper französischer Musik, wie die von Jules Massenet, sind hier erst Recht zu ewigem Dämmerdasein verurteilt. Eine "Manon" kann in Paris, wo sie in die Welt kam und zuerst gefeiert wurde, nicht glücklich werden, was sich gestern Abend bei der Premiere wieder einmal zeigte. Eine bizarre Konstellation! Auch für die französische Sopranistin Natalie Dessay. Sie sang die Titelrolle. Ihre feine und kultivierte Stimme kauert wie ein Vogel im Käfig. Sie kann nur flattern aber nicht fliegen. Da wird man im Verlaufe eines Opernabends ganz traurig. Nur der Mitschnitt auf der Presse-CD macht deutlich, was die Dessay alles kann, denn da gleichen die Mikrofone die Unzulänglichkeit der Akustik in der Bastille aus.
Giuseppe Filianoti als Manons Geliebter Chevalier Des Grieux hat es mit seinem strahlenden Trompetentenor leichter. Zu den Fanfaren von Blechbläsern sollen sich ja auch die Gräber für die Toten öffnen. Der Italiener kommt außerdem ganz ohne Schmachten und Schluchzen aus. Geradezu sachlich gestaltet Filianoti die Konturen seiner Partie, ohne sie der Leidenschaft zu berauben. Und Evelino Pidó ist ein engagierter Dirigent, der ein Orchester sicherlich begeistern kann. Aber wer vermag es, in der Bastille mit bandagierten Füßen zu tanzen! Hätte es wenigstens die Inszenierung versucht! Regisseurin Coline Serreau und ihre Bühnenbildner haben zwar den Spielraum üppig ausgeschmückt: Mächtige Paläste, gläserne Orangerien, tropische Pflanzentürme, romantisch-düstere Landschaften. Auch dekliniert Frau Serreau mit den unterschiedlichen Kostümen die Epochen der "Manon"-Rezeption durch, von der Romanvorlage des Abbé Prévost im 18. Jahrhundert, über die Zeit seiner Vertonung durch Massenet Ende des 19. Jahrhunderts, bis zu Liebes- und Ehekonzeptionen des 20. Jahrhunderts. So kommt alles vor, die Douce-Époque, die Belle-Époque und schließlich die Trash-Time der 1970er-Jahre, wenn Manons Cousin als Punker auftritt und der Salon des Hotels Transsylvanien zur schmuddeligen Glücksspielhalle mutiert. Aber was will die Regisseurin damit sagen? Dass Frauen und Männer schon immer dieselben Probleme miteinander hatten? So banal wie falsch ist diese einzige Idee, die der Inszenierung zugrunde liegt, aber etwa alle Fragen nach männlichen Weiblichkeitsprojektionen umgeht. Außerdem zelebriert die Regie reines Rampentheater. Das wird zwar, wie auch die historisiernde Kostümierung, als Zitat kenntlich gemacht. Doch das reicht nicht. Mit Zitaten des langweiligen und überlebten Rampentheaters, mit historischen Anspielungen müsste gearbeitet werden, aber die szenische Durchführung verweigert Coline Serreau. Und so garniert ihre Arbeit das akustische Grab lediglich mit spießigen Blumenrabatten. Toter kann man die Oper nicht machen. Diese neue Pariser Produktion ist leider kein Ausrutscher im Programm. Von einem lebendigen, avancierten Musiktheater scheinen sich die Häuser an der Seine unter der Intendanz von Nicolas Joel mehr und mehr zu verabschieden. Nur ein paar Relikte aus der Ära Gerard Mortier haben sich im aktuellen Spielplan erhalten. Reliquien aus besseren Zeiten, die gar nicht so lange zurückliegen. In Paris riecht es heute nach Trauerflor.
Giuseppe Filianoti als Manons Geliebter Chevalier Des Grieux hat es mit seinem strahlenden Trompetentenor leichter. Zu den Fanfaren von Blechbläsern sollen sich ja auch die Gräber für die Toten öffnen. Der Italiener kommt außerdem ganz ohne Schmachten und Schluchzen aus. Geradezu sachlich gestaltet Filianoti die Konturen seiner Partie, ohne sie der Leidenschaft zu berauben. Und Evelino Pidó ist ein engagierter Dirigent, der ein Orchester sicherlich begeistern kann. Aber wer vermag es, in der Bastille mit bandagierten Füßen zu tanzen! Hätte es wenigstens die Inszenierung versucht! Regisseurin Coline Serreau und ihre Bühnenbildner haben zwar den Spielraum üppig ausgeschmückt: Mächtige Paläste, gläserne Orangerien, tropische Pflanzentürme, romantisch-düstere Landschaften. Auch dekliniert Frau Serreau mit den unterschiedlichen Kostümen die Epochen der "Manon"-Rezeption durch, von der Romanvorlage des Abbé Prévost im 18. Jahrhundert, über die Zeit seiner Vertonung durch Massenet Ende des 19. Jahrhunderts, bis zu Liebes- und Ehekonzeptionen des 20. Jahrhunderts. So kommt alles vor, die Douce-Époque, die Belle-Époque und schließlich die Trash-Time der 1970er-Jahre, wenn Manons Cousin als Punker auftritt und der Salon des Hotels Transsylvanien zur schmuddeligen Glücksspielhalle mutiert. Aber was will die Regisseurin damit sagen? Dass Frauen und Männer schon immer dieselben Probleme miteinander hatten? So banal wie falsch ist diese einzige Idee, die der Inszenierung zugrunde liegt, aber etwa alle Fragen nach männlichen Weiblichkeitsprojektionen umgeht. Außerdem zelebriert die Regie reines Rampentheater. Das wird zwar, wie auch die historisiernde Kostümierung, als Zitat kenntlich gemacht. Doch das reicht nicht. Mit Zitaten des langweiligen und überlebten Rampentheaters, mit historischen Anspielungen müsste gearbeitet werden, aber die szenische Durchführung verweigert Coline Serreau. Und so garniert ihre Arbeit das akustische Grab lediglich mit spießigen Blumenrabatten. Toter kann man die Oper nicht machen. Diese neue Pariser Produktion ist leider kein Ausrutscher im Programm. Von einem lebendigen, avancierten Musiktheater scheinen sich die Häuser an der Seine unter der Intendanz von Nicolas Joel mehr und mehr zu verabschieden. Nur ein paar Relikte aus der Ära Gerard Mortier haben sich im aktuellen Spielplan erhalten. Reliquien aus besseren Zeiten, die gar nicht so lange zurückliegen. In Paris riecht es heute nach Trauerflor.