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Gerüchte um IS-Führer
Tod al-Baghdadis wäre nur ein Rückschlag

US-Kampfjets sollen IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi verwundet oder sogar getötet haben. Doch selbst wenn diese Meldung stimmt, bliebe es nur ein Rückschlag für den "Islamischen Staat". Experten halten die Terrormiliz in den eroberten Gebieten schon für zu stark verwurzelt.

Von Björn Blaschke |
    Abu Bakr al-Baghdadi, geistiger Führer des Islamischen Staats, mit erhobenem Zeigefinger auf einem Propagandavideo
    Abu Bakr al-Baghdadi, geistiger Führer des Islamischen Staats (afp / Screenshot Propagandavideo)
    Der Chef der Terrororganisation, die sich Islamischer Staat nennt, schwer verletzt? Durch US-Kampfjets, die ein Treffen von IS-Führern angegriffen haben? Schon häufiger hat es geheißen, Ibrahim al-Badri, alias Abu Bakr al-Baghdadi, alias Kalif Ibrahim sei getötet - oder verwundet worden. Zuletzt vergangenen Monat. Meldungen, die am Ende nicht bestätigt wurden. Wenngleich sich hartnäckig das Gerücht hält, Baghdadi lebe schon lange nicht mehr; es gebe allerdings einen guten Doppelgänger.
    "Tod al-Baghdadis wäre nicht das Ende des IS"
    Wie auch immer: Der Tod Baghdadis, auf den die USA immerhin ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt haben, wäre sicherlich ein harter Schlag für die Terrororganisation IS. Aber würde er ihr Ende bedeuten? Das bezweifelt Shiwan Zulal, ein Forscher am renommierten Kings College in London, einem Think Tank. Die Programmmacher von Russia Today befragten ihn, als es am zurückliegenden Wochenende hieß, Baghdadi sei unter den Opfern eines Angriffs von US-Kampfjets.
    Shiwan Zulal: "Lassen Sie uns annehmen, die Meldung (über Baghdadis Tod) stimmt, dann wäre es ein harter Schlag für IS und die Strukturen der Organisation. Aber es wäre nicht ihr Aus. Weil die Organisation es geschafft hat, sich in den Gebieten, die sie beherrscht, zu verwurzeln. Also: Ein Schlag wäre der Tod Baghdadis für die Organisation, aber nicht ihr Ende."
    "Könnten jemanden bekommen, der noch viel schlimmer ist"
    Seit Baghdadi 2010 die Führung von al-Qaida im Irak übernahm, formte er aus dem irakischen Ableger des Netzwerkes eine eigenständige, grenzüberschreibende Groß-Organisation. Eine, die mit al-Qaida und deren Führung mittlerweile gebrochen hat. Doch: Ideologisch sind IS und al-Qaida immer noch nahe. So sehen die sunnitisch-muslimischen Terroristen beider Organisationen in den schiitischen Muslimen ihre Erzfeinde. Sie sagen: Die Schiiten seien vom "wahren", dem "reinen" Weg des Islam abgekommen.
    Damit finden die Terroristen unter so manchen durchschnittlichen sunnitischen Arabern im Irak und in Syrien Unterstützer. Unter denen, die sich von schiitischen Politikern diskriminiert fühlen und deshalb gegen "die Vorherrschaft der Schiiten" aufbegehren, sagte am Wochenende bei CNN Robert Baer, ein Nahost-Spezialist, der einst für den US-Auslandsgeheimdienst CIA gearbeitet hat: "Wir stehen einem sunnitischen Aufstand im Irak und in Syrien gegenüber. Viele Sunniten fühlen sich bedroht und sie werden alles aufbieten, um die Schiiten in Bagdad und Damaskus zu bekämpfen."
    Der Kampf Sunniten gegen Schiiten, er ginge weiter unabhängig von der Frage, ob Baghdadi noch lebt oder tot ist. Das ist auch aus den vielen Attentaten abzulesen, die am Wochenende im Irak verübt wurden - trotz der US-Angriffe auf die Gruppe IS-Führer, unter denen vielleicht auch Baghdadi war. Ex-CIA-Mann Baer kommt zu dem Schluss, dass es vielleicht gar nicht gut wäre, wenn der IS-Chef getötet würde. Denn dessen Nachfolger könnte ja sogar noch schlimmer sein, als Baghdadi selbst. "Es wäre ein Rückschlag für IS, wenn er getötet wird. Er ist der geistige Führer. Aber wir wissen nicht, wer ihn ersetzen würde. Wir könnten jemanden bekommen, der noch viel schlimmer ist. Wir wissen nicht, was passiert."