Es ist schon erstaunlich, was manche Menschen noch alles finden in ihren Schubladen oder auf Dachböden, wenn sie gebeten werden, einmal nach Relikten aus den 30er und 40er Jahren zu suchen. Hakenkreuz-Wimpel, wie frisch gebügelt, tauchen da plötzlich wieder auf, Schulhefte mit Diktaten über den "Ewigen Juden" in Schönschreibschrift, Hitlers "Mein Kampf" in einwandfreiem Zustand, Abzeichen, Orden, Gasmasken, bündelweise Zeitungen, die vom unendlichen Endsieg berichten...
Erinnerungsstücke an eine irgendwie doch gute alte Zeit? Oder aufbewahrte Objekte zur Mahnung und Warnung? So zumindest will das Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater diesen historischen Horror-Fundus verstanden wissen, den es gerade im gesamten Foyer in Vitrinen und an Wänden ausbreitet: "Leben und Alltag im Dritten Reich" nennt sich die üppige Ausstellung, die mit den Fundsachen aus Bamberger Haushalten bestückt ist - und ziemlich lückenlos und authentisch von den Jahren des Nationalsozialismus in einer ganz normalen Kleinstadt erzählt.
Ziemlich allerdings nur: Denn zwischen dem ganzen HJ-, BDM- und Partei-Plunder finden sich kaum Dokumente des Widerstands. Aufzeichnungen von Verfolgten sucht man fast vergeblich - sieht man einmal von ein paar Schreiben der Israelitischen Kultusgemeinde ab, in denen die Mitglieder aufgefordert wurden, Juwelen abzuliefern, trotz allem Ruhe zu bewahren und sich unauffällig zu verhalten.
"Da gibt es diesen berühmten Widerspruch von dem, was Bamberg von sich behauptet hat. Nämlich, dass es doch eine Hochburg des Widerstandes war, dergestalt, dass die katholische Kirche hier sehr stark ist. Natürlich kein politischer Widerstand, sondern Widerstand, der sich eben aus dem starken Glauben heraus erklärt hat. Und dann eben doch die Tatsache, dass bei der letzten Wahl vor der Machtergreifung die NSDAP hier doch über 40 Prozent hatte. Also eine Riesenzustimmung hatte in der Bevölkerung. Das ist also zweifellos ein Widerspruch","
sagt Peter Bernhardt. Er ist Regisseur des Stückes "Heldensabbat", das gerade in zwei langen Teilen am Bamberger Theater zu sehen ist und mit der Ausstellung zusammen eine für die Stadt bislang beispiellose Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit darstellt. Knapp sechs Stunden lang, in kurz geschnittenen Szenen, werden da auf der Bühne Einzelschicksale von Parteibonzen, Mitläufern, Unangepaßten, Opfern und Tätern gezeigt, die es alle so in Bamberg tatsächlich einmal gegeben hat.
Denn das Stück basiert auf dem autobiografischen gleichnamigen Roman des einstigen Erfolgsautors Will Berthold, der in dem Buch seine Heimatstadt zum Schauplatz deutscher Verirrung und Verwirrung gemacht hat. Der Wiedererkennungseffekt, die genaue Topografie der Örtlichkeiten, die beabsichtigten Ähnlichkeiten mit Personen der Stadtgeschichte - es gibt in Bamberg zur Zeit viele Gründe ins Theater zu gehen. Vielleicht sogar auch zu viele, wie manche Besucher meinen.
""Wir lesen immer noch in unserem Gästebuch im Theater, das nach der 'Heldensabbat 1'-Premiere auslag, solche Kommentare wie: 'Hetze', 'Ihr könnt es nicht lassen', 'Ihr hört nicht auf, uns zu verunzieren, das deutsche Volk mit Dreck zu bewerfen'. Also, der alte Satz von Bertolt Brecht - 'Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch' - der gilt nach wie vor. Umso mehr haben wir Grund, dieses Stück zu machen, und unseren Theaterbeitrag dazu zu leisten, dass das Erinnern nicht aufhört."
Ob Bertholds Buch nun dafür wirklich die geeignete Grundlage ist, könnte man zunächst anzweifeln. Der Autor, der es nach 45 mit Illustrierten-Storys und Hardcover zu Millionenauflagen gebracht hatte, ist nicht unumstritten: seine Kriegsgeschichten, in denen durchaus immer irgendwie eine Anti-Haltung erkennbar ist, garniert er gerne mit Schwulst und Sexismus. Heldentum steht da wie selbstverständlich neben der Warnung vor Verführbarkeit.
Peter Bernhardt konzentriert sich aber in seiner Inszenierung nur auf ein paar wenige, differenziert gezeichnete Figuren, die sich unpathetisch zu wehren wissen, die das System durchschauen und verzweifelt bekämpfen. So entsteht ein lokales Sittengemälde, das, ohne plakativ zu werden, den wenigen Aufrechten gewidmet ist, die es gerade in der mittelalterlichen Dumpfheit dieses fränkischen Schmuckkästchens schwer hatten - und womöglich wieder hätten.
"Gerade bei den jungen Leuten ist mir das besonders wichtig, dass sie über diese Zeit erfahren, dass sie sich erschrecken, dass man ihre Seelen trifft. Und das kann das Theater ja ganz gut: indem die Unterhaltung - in Anführungszeichen - durch die Möglichkeit, das sinnlich wahrzunehmen, was auf der Bühne geschieht, etwas verändert."
Es ist bemerkenswert, dass sich in den Spielplänen gerade der kleineren Theater immer wieder Stücke finden, in denen die örtlichen Aspekte der nationalsozialistischen Vergangenheit ohne große Umschweife und ohne Rücksicht auf - für einige Bürger vielleicht peinliche - Déjà-vu-Erlebnisse benannt werden. Manche Reaktionen darauf - siehe das Bamberger Gästebuch - zeigen allerdings, für wie unmoralisch die Anstalt Bühne deshalb wieder gehalten wird.
Mal sehen, wie das zum Beispiel in Regensburg ausgeht, wenn dort im April Eva Demskis Bearbeitung von Ludwig Bemelmans Roman "An der schönen blauen Donau" herauskommt, der sehr garstig daran erinnert, dass sich mal ein stinkend brauner Fluß durch die Stadt schlängelte. Auf jeden Fall wird sich auch in Regensburg - wie jetzt in Bamberg - zeigen, dass diese Städte neben dem Status, weltbekanntes Kulturerbe zu sein, noch ganz andere, eher unschöne lokale Hinterlassenschaften haben.
Erinnerungsstücke an eine irgendwie doch gute alte Zeit? Oder aufbewahrte Objekte zur Mahnung und Warnung? So zumindest will das Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater diesen historischen Horror-Fundus verstanden wissen, den es gerade im gesamten Foyer in Vitrinen und an Wänden ausbreitet: "Leben und Alltag im Dritten Reich" nennt sich die üppige Ausstellung, die mit den Fundsachen aus Bamberger Haushalten bestückt ist - und ziemlich lückenlos und authentisch von den Jahren des Nationalsozialismus in einer ganz normalen Kleinstadt erzählt.
Ziemlich allerdings nur: Denn zwischen dem ganzen HJ-, BDM- und Partei-Plunder finden sich kaum Dokumente des Widerstands. Aufzeichnungen von Verfolgten sucht man fast vergeblich - sieht man einmal von ein paar Schreiben der Israelitischen Kultusgemeinde ab, in denen die Mitglieder aufgefordert wurden, Juwelen abzuliefern, trotz allem Ruhe zu bewahren und sich unauffällig zu verhalten.
"Da gibt es diesen berühmten Widerspruch von dem, was Bamberg von sich behauptet hat. Nämlich, dass es doch eine Hochburg des Widerstandes war, dergestalt, dass die katholische Kirche hier sehr stark ist. Natürlich kein politischer Widerstand, sondern Widerstand, der sich eben aus dem starken Glauben heraus erklärt hat. Und dann eben doch die Tatsache, dass bei der letzten Wahl vor der Machtergreifung die NSDAP hier doch über 40 Prozent hatte. Also eine Riesenzustimmung hatte in der Bevölkerung. Das ist also zweifellos ein Widerspruch","
sagt Peter Bernhardt. Er ist Regisseur des Stückes "Heldensabbat", das gerade in zwei langen Teilen am Bamberger Theater zu sehen ist und mit der Ausstellung zusammen eine für die Stadt bislang beispiellose Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit darstellt. Knapp sechs Stunden lang, in kurz geschnittenen Szenen, werden da auf der Bühne Einzelschicksale von Parteibonzen, Mitläufern, Unangepaßten, Opfern und Tätern gezeigt, die es alle so in Bamberg tatsächlich einmal gegeben hat.
Denn das Stück basiert auf dem autobiografischen gleichnamigen Roman des einstigen Erfolgsautors Will Berthold, der in dem Buch seine Heimatstadt zum Schauplatz deutscher Verirrung und Verwirrung gemacht hat. Der Wiedererkennungseffekt, die genaue Topografie der Örtlichkeiten, die beabsichtigten Ähnlichkeiten mit Personen der Stadtgeschichte - es gibt in Bamberg zur Zeit viele Gründe ins Theater zu gehen. Vielleicht sogar auch zu viele, wie manche Besucher meinen.
""Wir lesen immer noch in unserem Gästebuch im Theater, das nach der 'Heldensabbat 1'-Premiere auslag, solche Kommentare wie: 'Hetze', 'Ihr könnt es nicht lassen', 'Ihr hört nicht auf, uns zu verunzieren, das deutsche Volk mit Dreck zu bewerfen'. Also, der alte Satz von Bertolt Brecht - 'Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch' - der gilt nach wie vor. Umso mehr haben wir Grund, dieses Stück zu machen, und unseren Theaterbeitrag dazu zu leisten, dass das Erinnern nicht aufhört."
Ob Bertholds Buch nun dafür wirklich die geeignete Grundlage ist, könnte man zunächst anzweifeln. Der Autor, der es nach 45 mit Illustrierten-Storys und Hardcover zu Millionenauflagen gebracht hatte, ist nicht unumstritten: seine Kriegsgeschichten, in denen durchaus immer irgendwie eine Anti-Haltung erkennbar ist, garniert er gerne mit Schwulst und Sexismus. Heldentum steht da wie selbstverständlich neben der Warnung vor Verführbarkeit.
Peter Bernhardt konzentriert sich aber in seiner Inszenierung nur auf ein paar wenige, differenziert gezeichnete Figuren, die sich unpathetisch zu wehren wissen, die das System durchschauen und verzweifelt bekämpfen. So entsteht ein lokales Sittengemälde, das, ohne plakativ zu werden, den wenigen Aufrechten gewidmet ist, die es gerade in der mittelalterlichen Dumpfheit dieses fränkischen Schmuckkästchens schwer hatten - und womöglich wieder hätten.
"Gerade bei den jungen Leuten ist mir das besonders wichtig, dass sie über diese Zeit erfahren, dass sie sich erschrecken, dass man ihre Seelen trifft. Und das kann das Theater ja ganz gut: indem die Unterhaltung - in Anführungszeichen - durch die Möglichkeit, das sinnlich wahrzunehmen, was auf der Bühne geschieht, etwas verändert."
Es ist bemerkenswert, dass sich in den Spielplänen gerade der kleineren Theater immer wieder Stücke finden, in denen die örtlichen Aspekte der nationalsozialistischen Vergangenheit ohne große Umschweife und ohne Rücksicht auf - für einige Bürger vielleicht peinliche - Déjà-vu-Erlebnisse benannt werden. Manche Reaktionen darauf - siehe das Bamberger Gästebuch - zeigen allerdings, für wie unmoralisch die Anstalt Bühne deshalb wieder gehalten wird.
Mal sehen, wie das zum Beispiel in Regensburg ausgeht, wenn dort im April Eva Demskis Bearbeitung von Ludwig Bemelmans Roman "An der schönen blauen Donau" herauskommt, der sehr garstig daran erinnert, dass sich mal ein stinkend brauner Fluß durch die Stadt schlängelte. Auf jeden Fall wird sich auch in Regensburg - wie jetzt in Bamberg - zeigen, dass diese Städte neben dem Status, weltbekanntes Kulturerbe zu sein, noch ganz andere, eher unschöne lokale Hinterlassenschaften haben.