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Geruhsamer Aufstieg

Paläontologie. - Es mag zwar durchaus sein, dass die Saurier die Erde mit einem unvermittelten Schlag verlassen haben, für ihren Aufstieg aber gilt das nicht. Neue Fossilfunde in New Mexico widerlegen die lang gehegte Annahme, dass die Riesenechsen die Erde auch in einem Schlag erobert haben. Vielmehr scheinen sie die Welt nur sehr langsam erobert zu haben. In der aktuellen "Science" berichten die Entdecker über die Tiere.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Malerin Georgia O’Keefe liebte die farbenprächtigen Felsformationen von Ghost Ranch in New Mexico und machte sie durch ihre Bilder weltbekannt. Bis heute hin zieht diese besondere Landschaft Künstler in ihren Bann – aber nicht nur sie. Auch Paläontologen sind von den Felsen fasziniert, stecken sie doch voller Fossilien. Denn wo heute grauer Wacholder in einer rosa getönten Wüste wächst, flossen vor mehr als 210 Millionen Jahren Flüsse durch grünes Land, erklärt Randall Irmis von der University of California in Berkeley:

    "”Während der Trias-Zeit sah der ganze Südwesten von Nordamerika so ähnlich aus wie heute der Mississippi. Es gab Flüsse, Sümpfe, offene Wälder. Hier lebten damals viele sehr ungewöhnliche Tiere.""

    Die Felsen der Ghost Ranch haben ihre Knochen überliefert, und eine neue Fundstätte dort erweist sich als besonders ergiebig: In Hayden Quarry haben die Paläontologen 2006 innerhalb von fünf Wochen mehr als 1300 Knochen ausgegraben. Hier fanden Amphibien, Fische und krokodilähnliche Reptilien ihr Ende – aber auch ein paar Tiere, die noch nie zuvor zusammen gefunden worden sind. Irmis:

    "”Hier lebten tatsächlich einige frühe Dinosaurier zusammen mit ihren nächsten primitiven Reptilienverwandten, den Dinosauromorphen. Das ist wirklich sehr ungewöhnlich und wir haben nicht damit gerechnet: Bislang haben wir noch nie Knochen gefunden, die davon erzählen, dass die Dinosaurier und ihre Vorfahren zusammen gelebt haben.""

    Deshalb besagte die Lehrmeinung auch, dass die Saurier – einmal entstanden – ihre Verwandten schnell verdrängt haben. Irmis:

    "”Vor unserem Fund waren die jüngsten Fossilien der Saurier-Vorläufer 235 Millionen Jahre alt. Der älteste echte Saurier bringt es auf rund 230 Millionen Jahre. Es schien also keine Überlappung zu geben. Man dachte, dass ein plötzliches Ereignis wie ein Asteroideneinschlag die urtümlichen Sauriervorläufer getötet hat. Oder dass die Saurier ihnen so haushoch überlegen waren, dass sie nicht standhalten konnte. Unsere Fossilien beweisen nun, dass beide 15 bis 20 Millionen Jahre lang zusammen lebten.""
    Und zwar in großer Zahl. In Hayden Quarry tummelten sich gleich mehrere Arten primitiver Saurier, und auch bei ihren Vorläufern ist die Vielfalt groß. Hayden Quarry beweist klar, dass die Dinos und ihre Verwandten gut miteinander auskamen. Irmis:

    "”Es sieht nicht so aus, als ob die Saurier ihre Verwandten schnell aus dem Feld geschlagen haben. Vielmehr haben sie lange Zeit nebeneinander gelebt. Die Dinosaurier haben nur langsam die Welt erobert.""
    Vor 210 Millionen Jahren schien es um die Saurier-Vorläufer also nicht schlecht bestellt zu sein: Nur: Warum starben sie aus? Irmis:

    "”Das ist eine gute Frage, auf die wir noch keine Antwort haben. Falls es einen Konkurrenzkampf zwischen beiden Gruppen gab, war er nicht sehr heftig, sonst hätten sie nicht 15 bis 20 Millionen Jahre lang nebeneinander existiert. Überhaupt: Unsere Funde belegen, dass etliche der Tiergruppen, die wir eigentlich für ausgestorben gehalten haben, damals noch lebten. Nein, wir habe wirklich keine Ahnung, warum die Dinosauriervorläufer nach 30 Millionen Jahren der Existenz wieder verschwanden.""
    Vielleicht könnte die Ursache ein Klimawandel sein, darüber wird spekuliert. Aber was auch immer die frühen Verwandten der Saurier allmählich aus Weg geräumt hat, es machte den Weg für die Saurier frei, die sich anschickten, für 135 Millionen Jahre die Erde zu beherrschen.