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Gesammelter Krimskrams

Der 1999 verstorbene Martin Wong war ein mittelmäßig bekannter Künstler. Trotzdem hat er es jetzt ins New Yorker Guggenheim Museum geschafft. Der Vietnamese Danh Vo hat gesammelte Gegenstände Wongs und seiner Mutter zu einer Hommage an den Künstler zusammengestellt.

Von Sacha Verna | 19.03.2013
    Der Raum gleicht einem riesigen Setzkasten, der vollgestopft ist mit Schnickschnack. Armeen von Salz- und Pfefferstreuern in Form von Hühnern, Hotdogs und Matroschkas füllen die Regale entlang der Wände. Keksdosen und blecherne Ostereier. Ein Kinderschirm und Souvenirs von Alcatraz. Die fast 4000 Gegenstände bilden nur einen Teil der Sammlung, die der 1999 an Aids verstorbene Martin Wong und seine Mutter Florence über Jahrzehnte hinweg zusammengetragen haben. Wong war ein Künstler, der mit seinen realistisch-symbolistischen Bildern in der New Yorker Downtown-Szene der 1970er- und 1980er-Jahre mittlere Prominenz erlangte. Ins Guggenheim Museum gebracht hat den Krimskrams Danh Vo:

    "Ich lernte Martins Mutter vor drei Jahren kennen, nachdem ich ein Bild von Martin gekauft hatte. Seither besuche ich sie regelmäßig. Sie zeigte mir diese Sammlung und damit eine Seite von Martin, von der ich nichts geahnt hatte. Ich und Freunde Martins fingen an, uns darüber Sorgen zu machen, was mit all den Sachen passieren würde. Ich brachte Kuratoren dazu, sich die Sammlung anzuschauen, in der Hoffnung, ein Museum dafür zu interessieren."

    Ohne Erfolg. Deshalb übernahm Danh Vo die Aufgabe des Konservators selber. Vo ist der Gewinner des Hugo Boss Preises 2012, und seine Hommage an Martin Wong die Ausstellung, die mit diesem prestigeträchtigen Preis jeweils verbunden ist.

    Danh Vo wurde 1975 in Vietnam geboren, wuchs in Dänemark auf und lebt zurzeit überall dort, wo er Aufträge erhält. An vielen Orten. Denn spätestens seit Vo Fragmente der Freiheitsstatue in Museen und Sammlungen auf dem ganzen Globus verteilt, gehört er zu den Lieblingen des internationalen Kunstbetriebs. "We the People" heißt dieses Werk, für das Vo Elemente des Monuments in Originalgröße kopiert, ein halber Finger da, ein Stück der Fackel dort. Für Aufmerksamkeit sorgte auch der Kristalllüster aus dem Hotel Majestic in Paris, unter dem 1973 per Friedensvertrag der Vietnamkrieg beendet wurde. Diesen Leuchter hat Danh Vo erstanden und in seine Einzelteile zerlegt unter anderem in der Kunsthalle Basel präsentiert.

    Wenn ein heterosexueller weißer Typ ein Werk macht, das wie ein Quadrat aussieht und Bezug auf den Minimalismus nimmt, dann hat das mit seiner Biografie zu tun, sagt Danh Vo. Es habe mit einer bestimmten Geschichte zu tun. Vos Werke bringt man mit Identität und Geschichte in Verbindung, mit der Erfahrung der Emigration. Sie gelten als Kommentare zum kollektiven Erbe von Nationen und den Spuren im Leben von Individuen.

    Martin Wongs Sammelsurium hat Danh Vo nach gewissen Schwerpunkten organisiert. Da ist eine Ecke mit billigen chinesischen Schälchen. Micky Maus und Donald Duck tauchen immer wieder auf. Und es gibt grinsende schwarze Nippesfiguren und die grinsende schwarze Auntie Jemima mit ihren Pancakes. Rassistische Stereotype, Insignien der Populärkultur, und Definition durch Sojasauce.

    Wenn er gut im Machen von Dingen wäre, würde er das tun, sagt Danh Vo. Aber das sei er nicht, deshalb arbeite er mit dem, was es bereits gäbe. Das Problem ist nur, dass sich die Kunst von Readymades in ihrer Interpretation erschöpft. Wongs Wunderzimmer à la Danh Vo bietet eine Menge zum Anschauen. Doch die Museumswürdigkeit dieses umgepflanzten Kuriositätenkabinetts ergibt sich einzig aus dem, was sich unter Vos Fingerzeigen hineinlesen lässt. Und diese Übung ist so unbefriedigend wie der Text.

    Guggenheim Museum New York: Ausstellung Danh Vo