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Geschäft mit der Brandstiftung

Spaniens Wälder brennen, und die Behörden sind davon überzeugt, dass 90 Prozent der Feuer vorsätzlich gelegt werden. Umweltschützer indes werfen dem Staat vor, zu wenig für vorbeugenden Brandschutz getan zu haben. Über Hintergründe berichtet Hans-Günter Kellner.

    Galicien brennt, und die Menschen kämpfen gegen das Feuer. Jeden Morgen meldet das spanische Fernsehen, die Zahl der Waldbrände sei zurückgegangen. Doch meist lassen neue Hiobsbotschaften von immer neuen Feuern nicht lange auf sich warten. Die Menschen kommen mit dem Löschen nicht mehr nach, so wie dieser Dorfbewohner in der Nähe von Pontevedra:

    "Ich verstehe das nicht. Die Brandstifter zünden das zum Vergnügen an, oder wegen der Politik, oder weil sie auf Bauland spekulieren, was weiß ich. Wie kann es so viel Bösartigkeit in einem Kopf geben? Das ist kriminell. Unglaublich."

    Tatsächlich gehen die Behörden in fast allen Fällen von Brandstiftern mit großer krimineller Energie aus. Die Brände entstünden meist im Unterholz, unzugänglich für die Wagen der Feuerwehr. Die Brandstifter wüssten, wie sie den Brandbekämpfern das Leben schwer machen könnten, sagte ein spanischer Behördensprecher in diesen Tagen. Umweltministerin Cristina Narbona sprach sogar von organisierter Kriminalität. Den Tätern drohen viele Jahre Gefängnis, warnt ein Staatsanwalt im spanischen Fernsehen:

    "Wer Brände legt und dabei das Leben anderer Menschen gefährdet, muss mit Strafen von bis zu 20 Jahren, in besonders schweren Fällen sogar mit bis zu 30 Jahren rechnen. Das ist eine schwerwiegende Tat, im Strafgesetzbuch vergleichbar mit Mord. Aber wir brauchen auch Beweise, um die Täter vor Gericht anklagen zu können."

    Und daran mangelt es fast immer. In den letzten 20 Jahren mussten in Galicien nur zwei Brandstifter für länger als zwei Monate ins Gefängnis - und das, obwohl es regelmäßig brennt: Fast 11.000 Feuer verzeichnete das Umweltministerium im vergangenen Jahr in Galicien. In diesen Tagen ist viel von einer regelrechten "Kultur des Feuers" in der nordostspanischen Region die Rede. Angelines Nieto von der Organisation "Umweltschützer in Aktion" erklärt, was gemeint ist.

    "In Galicien hat es schon immer viel gebrannt. 100 oder gar 200 Brände an einem Tag sind keine Seltenheit. Das Feuer wird seit Jahren eingesetzt, um Unkraut zu vernichten. Es gibt auch viele Viehzüchter, die sich damit Weidefläche beschaffen wollen. Früher wurde das für die Kühe und Rinder unverdauliche Gestrüpp auf den Weideflächen mit der Sense beseitigt. Heute macht das niemand mehr. Die Züchter verbrennen es lieber."

    Das ist nur eine von vielen Brandursachen. Manche Brandstifter wollten schlicht ihrem Nachbarn schädigen, manchmal versuchten auch Drogenhändler mit absichtlich gelegten Bränden die Polizei abzulenken, erklärt sie. Auch hinter den Bränden dieser Tage stecke wohl eine Mischung aus allem. Zu den ersten Verhafteten gehörten geistig verwirrte Menschen, Jugendliche, die sich einen Spaß aus dem Feuer machen - und sogar Beschäftigte in der Brandbekämpfung. Auch das wundert Angeles Nieto nicht.

    "Aus dem Feuer ist ein regelrechtes Geschäft geworden mit vielen privaten Unternehmen. Die Arbeit vieler Menschen hängt von der Brandbekämpfung ab. Wenn es nicht brennt, ist diese Struktur in Frage gestellt. Menschen würden arbeitslos. Wir haben immer gewarnt, dass die Brandverhütung vor dem Sommer nicht vernachlässig werden darf. Leider hört auf uns niemand. Es wird wesentlich mehr für die Löscharbeiten als für Vermeidung der Brände ausgegeben."

    Der Haushalt der galicischen Regionalregierung sehe nur 1,2 Millionen Euro für die Vermeidung der Brände vor, klagt die Aktivistin. So viel koste ein Abschnitt von nur zwei Kilometern Autobahn. Die Behörden betrieben keine aktive Forstwirtschaft mehr, in den 50er und 60er Jahren geschaffene Monokulturen aus schnell wachsenden und schnell brennenden Kiefern und Eukalyptusbäumen würden nicht ausgetauscht, so die Umweltschützerin. An die Theorie, organisiertes Verbrechen stecke hinter den Bränden, glaubt sie nicht.

    "Das soll nur von den wirklichen Ursachen ablenken. Was dieses Jahr passiert, ist nicht neu. In diesem Jahr brennt es vielleicht ein bisschen mehr. Die galicische Regionalregierung weiß, dass das Risiko hoch ist, das jedes Jahr viele Hektar verbrennen, und, dass sie mehr hätten tun müssen."