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Geschäumtes Speiseeis

Nanotechnologie gilt als die grundlegende Technologie des 21. Jahrhunderts, die mutigsten Prognosen sehen einen Billionenmarkt in der Entwicklung. Nanotechnologie ist die Kunst, aus technischen Strukturen, die in mindestens einer Dimension kleiner als 100 Nanometer sind, etwas Nützliches herauszuholen. Ein Nanometer ist der Millionste Teil eines Millimeters, Atome sind noch zehnmal kleiner. Im Nanokosmos tritt eine Unzahl oft unvermuteter Effekte zutage, die sich technisch nutzen lassen, quer durch die Naturwissenschaften. Die Aussicht, durch kunstvolle Manipulationen in der Nanowelt ideellen oder materiellen Gewinn zu machen, zieht immer mehr Wissenschaftler an; ein ergiebiger Versammlungsort ist die Konferenz Nanotech, die in diesem Jahr in Boston, Massachusetts stattfand.

Ein Feature von Mathias Schulenburg | 16.05.2004
    Nanotechnologie, versicherten die Experten, sei tatsächlich schon in den Alltag eingezogen, sie fände sich in jedem neuen Notebook. Tatsächlich haben die Transistoren in den neuen Prozessoren bereits Strukturen, die nur mehr wenige Nanometer dünn sind. Auch die Breiten der Transistoren schrumpfen einigen zehn Nanometern entgegen. Der Grund dafür, sagte George Thompson, bei Intel Manager für Regierungsangelegenheiten, sei aber nicht technischer Natur:

    Viele Leute fragen sich, wie das kommt, und sie suchen eine technische Erklärung. Es ist aber die Ökonomie, die das bewirkt, wenn man die Transistoren kleiner macht, werden sie billiger. Man kann dann mehr davon auf einen Chip packen, und sie werden auch noch schneller, und im Ergebnis eben billiger, und das ist der eigentliche Motor der Mikroelektronik-Industrie .

    Dann beschwor George Thompson das Mooresche Gesetz, wonach sich die Leitungsfähigkeit der Chips alle 18 Monate verdopple. Diese Regel werde noch lange gelten.

    Noch sind die schönen neuen Nanonotebooks mit einem Mangel behaftet: Ihre Akkus halten keinen vollen Arbeitstag durch. Abhilfe soll wieder Nanotechnologie bewirken, mit praxistauglichen mobilen Stromquellen - Thema auch der Nanotech 2004. Ram Mohan, Manager der Nippon Electric Company, NEC, stellte ein Konzept vor, das Methanol als Energieträger verwendet und "Nanohorns", eine spezielle Variante von Kohlenstoff-Nanoröhren, die an einem Ende rund abgeschlossen sind:

    Kohlenstoff-Nanohörner sind ähnlich abgerundete Kegel, und die kann man sehr gleichförmig mit einem Platinkatalysator bedecken. Man braucht dadurch viel weniger. Und erhöht auch noch die Oberfläche des Katalysators. Die Kapazität und Effizienz der Brennstoffzelle wächst dadurch um eine Größenordnung.

    Kohlenstoff-Nanohörner lassen sich einfach und in hoher Reinheit herstellen, ihre japanischen Entdecker gehen davon aus, dass sie sich zu einem preiswerten Rohmaterial entwickeln werden. Die Kohlenstoff-Nanohörner sind in der Brennstoffzelle auf die Polymer-Membran aufgebracht, an der Methanol Strom spendend reagiert; das sparsam darauf verteilte Katalysator-Platin bringt den Prozess erst richtig in Schwung.

    Das Methanol, das die Brennstoffzelle speist, wird in der Praxis stark mit Wasser gestreckt:

    Aus technischen Gründen. Reines Methanol würde die Brennstoffzellen-Membran passieren und korrosiv wirken, die Leistung mindern und die Lebensdauer. Wenn man aber Wasser dazu gibt, setzt man die Durchlässigkeit der Membran für Methanol herab. Wir verwenden momentan 10% Methanol, 90% Wasser, denken aber, dass wir den Methanol-Anteil auf 24% erhöhen können, was die Luftfahrtgesellschaften noch zulassen.


    Die Streckung des Methanols mit Wasser hat den angenehmen Nebeneffekt, dass der Brennstoffzellen-Treibstoff unentflammbar wird und mithin in jedem Supermarkt zu handeln wäre. Der Nachteil ist natürlich, dass die Energiedichte des Treibstoffs mit steigendem Wassergehalt sinkt. Im nächsten Jahr sollen praxistaugliche Mini-Brennstoffzellen auf dem Markt sein:

    Im nächsten Jahr kommt in Japan und Europa der Lapton heraus und später das Mobiltelefon.

    Auch auf dem automobilen Sektor, versichert Ram Mohan, könnten Brennstoffzellen vom NEC-Typ eine Rolle spielen. Dort werden sie dann womöglich von einer Entwicklung unterstützt, über die der Vize-Forschungschef des australischen Unternehmens cap-XX, Calum Drummond, berichtete: Supercaps, elektrische Kondensatoren, die - an früheren Leistungsdaten gemessen - sagenhafte Ladungsmengen speichern können.

    Supercaps werden wahrscheinlich hauptsächlich in Elektronikprodukten wie Handys, Notebooks, PDAs und so fort eingesetzt. Und dann in Automobilen, besonders Hybridfahrzeugen mit einem elektrischen Zusatzantrieb, wie von Honda, Toyota oder General Motors. Die enthalten zum Teil Supercaps, die den beim regenerativen Bremsen erzeugten Strom aufnehmen, als Extra-Energiespeicher.

    Supercaps könnten auch kurze Strombedarfsspitzen, etwa beim Beschleunigen, abfangen.

    Supercaps sind vom Prinzip her sehr einfach aufgebaut, versichert Calum Drummond:

    Wir haben eine Aluminiumfolie, wie Sie sie aus der Küche kennen, als Stromsammler, dann Aktivkohle, ein ganz billiger Stoff, der auch in Wasser- oder Zigarettenfiltern steckt, und dann eine organische Elektrolytlösung und eine hochporöse Polymerfolie. Das war's auch schon, aber das richtig zusammenzusetzen und intern zu strukturieren, das macht eben die Technologie aus.

    Supercaps verdanken ihre Kapazität nanoskaligen Strukturen. In der klassischen Formel für die Kapazität eines Plattenkondensators ist die Kapazität proportional zur Fläche der Plattenkondensators und umgekehrt proportional zum Abstand der Platten voneinander.

    Bei Supercaps sind die Ladungen gerade mal um einen Ionendurchmesser auseinander, um ungefähr 0,5 Nanometer, die Ladung ist in einer Schicht adsorbierter Ionen gespeichert.

    Das Äquivalent zur großen Fläche eines Plattenkondensators ist die hohe innere Oberfläche des verwendeten Elektrodenmaterials, Aktivkohle.

    Große Fläche, kleiner "Plattenabstand", das gibt riesige Kapazitäten. Wir haben Kondensatoren in der Größe einer Briefmarke, die haben zwischen zwei und fünf Farad Kapazität. Viel, viel mehr als konventionelle Elektrolytkondensatoren.

    Und anders als die aus der Elektronik bekannten so genannten Goldcaps, die auch hohe Kapazitäten haben, aber nur kleine Ströme abgeben können, beeindrucken Supercaps durch hohe Leistungsspitzen. Zwar erreichen Supercaps nur etwa ein Zehntel der Energiedichte moderner Akkumulatoren, dafür sind sie in Sekunden wieder aufgeladen. Die möglichen Lade-Entladezyklen werden für Supercaps mit Millionen angegeben, sie sind also so gut wie verschleißfrei. Im Zusammenspiel mit Akkumulatoren, Batterien, Brennstoffzellen und Elektromotoren wird Supercaps eine große Zukunft vorhergesagt.

    Nanotechnologie wird nicht nur großen Motoren zu mehr Schwung verhelfen, ihrem Namen gebenden Maßstab gemäß - ein Nanometer ist der Millionste Teil eines Millimeters - sind auch winzige Motoren von Interesse, etwa die, die ein Bakterium vorantreiben können. Als ein besonders viel versprechender, weil robuster Nanomotormuskel, der überdies mit einem sehr einfachen Treibstoff auskommt, gilt seit kurzem ein "Forisom" genannter Pflanzenprotein-Komplex, der in vielen Leguminosen wie Bohnen und Erbsen den Fluss von Nährlösungen reguliert. Die wandern in einem weit verzweigten Kanalsystem, dem so genannten Phloem, durch die Pflanze. Wird die Pflanze verletzt, tritt der Forisom-Pflanzenmuskel in Aktion und verschließt als Pfropfen die offenen Transport-Kanälchen, der nahrhafte Saft bleibt der Pflanze erhalten. Forisomen seien von der Forschung schon früh beschrieben worden, sagt Michael Knoblauch vom Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, in Aachen:

    Die Funktionsweise des Forisoms haben wir entdeckt. Bekannt ist das schon seit hundert Jahren, man hat gesehen, dass dort solche Proteinkörper drin liegen, aber wir haben entdeckt, wie es funktioniert und dass es reversibel die Kanäle des Phloems verschließen kann, um zu verhindern, bei einer Verletzung, dass die wichtigen Photoassimilate, das heißt, die Zucker, die bei der Photosynthese aufgebaut werden, dass die verloren gehen.

    Das, sagt Michael Knoblauch, könne man ganz grob mit den Blutgerinnungsmechanismen vergleichen, die auch Menschen vor dem Auslaufen schützen:

    Wenn wir uns verletzen, dann wird ein Grind gebildet durch die Blutplättchen, damit das Blut nicht verloren geht, und ähnlich ist es da, nur dass dieser Prozess ganz anders abläuft, es ist ein Proteinkörper, der kontrahiert, aber wenn die Zelle nicht so stark verletzt ist, dass sie abstirbt, auch wieder sich zurück bilden kann und der Strom kann weiter gehen.

    An Anwendungen, versichert Michael Knoblauch, werde es nicht fehlen:

    In der Nanotechnologie, wenn sie vorangeschritten ist, werden Aktuatoren notwendig sein, das heißt, Dinge, die Kraft ausüben, wie Sie zum Beispiel bestimmte Poren öffnen, schließen können etc. Denkbar in Drug-Delivery-Systemen, um bestimmte Poren zu öffnen in den Kapseln, wo die Arzneimittel eingeschlossen sind, etc. Also viele Sachen sind denkbar, zum Beispiel Oberflächenbeschichtungen mit Forisomenproteinen, die dann reagieren zum Beispiel um Plaque abzusprengen. Also Vieles ist denkbar, aber erst müssen wir natürlich die Grund dafür legen, das heißt, wir müssen herausfinden, wie stabil ist unter welchen Umständen das Forisom.

    Vieles sei denkbar, zunächst aber müssten die Grundlagen gelegt werden. Struktur und Funktion des Forisomen-Proteins müssten bestimmt werden, seine Stabilität in verschiedenen chemischen Umgebung etc. Angetrieben werden Forisom-Proteine von Kalzium-Ionen-Strömen, die Antriebssteuerung eines Pflanzenmuskelfeldes könnte so aussehen:

    Man könnte das über Wanderwellen von Kalzium machen, das ist ganz davon abhängig, welche Strategie man jetzt verfolgt, also in welches Gerät man es im Endeffekt einbauen will. Der erste Schritt, den wir gehen werden, ist, zu versuchen, ein Mikrofluidik-System zu bauen, nämlich ein artifizielles Phloem. Nämlich, wir machen genau das nach, was die Natur uns vormacht, wir isolieren Forisome und bringen sie in ein Mikrofluidik-System ein, und versuchen, die Forisome zu nutzen, diese Kanäle zu öffnen und zu schließen. Genau das macht die Natur, und deswegen ist es der einfachste und erste Versuch, aber es sind natürlich viele, viele andere denkbar.

    Und wo bleibt das Nano beim Forisom? Die Größe des Pflanzenmuskels ist schließlich eher im Mikrometerbereich angesiedelt:

    Ähnlich wie man versucht, in der Nanotechnologie motorische Proteine wie zum Beispiel unsere Muskelproteine, Aktin/Myosin, zu verwenden, und ein Muskel ist ja nicht Nano, aber die Einheiten sind Nano. Und genauso ist das bei unseren Proteinen, also wir wollen im Endeffekt an die Proteine, die wirklich reaktiv sind, heran und nicht zwangsläufig den ganzen Komplex verwenden.

    Das übliche Verfahren zur Bestimmung der Struktur eines Proteins ist die Kristallstrukturanalyse. Mit gentechnischen Verfahren werden größere, vor allem hochreine Mengen des Proteins hergestellt und in einem Kristall arrangiert. Wenn dieser dann von einem Röntgenstrahl durchleuchtet wird, kann aus dem auftretenden Beugungsmuster die Struktur des Proteins berechnet werden.

    Für die Bestimmung der Struktur größerer Einheiten ist nach wie vor das Elektronenmikroskop nützlich. Elektronenmikroskope sind durch die Erfindung des Rastertunnelmikroskops etwas in den Schatten getreten, zu Unrecht, denn auch diese Technik hat große Fortschritte gemacht und ebenfalls atomare Auflösung erreicht.

    Ein besonders raffiniertes Elektronenmikroskop ist das ESEM, das "Environmental Scanning Electron Microscope", das sogar die Abbildung lebenden Gewebes erlaubt. In diesem Gerät betrachtete Käsemilben etwa überstehen die Prozedur ohne erkennbare Schäden.


    ESEM ist ein Mikroskop, was ermöglicht, Proben unpräpariert, aus dem Leben heraus, also jegliche reinzulegen in ein Gerät, was normalerweise eine Vakuumkammer hat, und dort in einem Druckbereich arbeitet, wo Flüssigkeiten auch flüssig bleiben und dort im Grunde genommen die Zellkultur erhalten bleibt.

    Sagt Jens Greiser von der Firma FEI, die das ESEM entwickelt hat.

    Die jüngsten Geräte verfügen sogar über eine Art Skalpell, mit dem sich Proben während der Beobachtung, ohne weitere Präparation, zerlegen lassen, Schicht um Schicht:

    ... gibt es immer wieder Innovationen bezüglich der Detektion, das heißt, der Abbildung der Materialien und auch der Geschwindigkeit, zu einem Ergebnis zu kommen, zu einem Bild zu kommen. Und die letzte Technologieeinführung war, die ESEM-Technik zu verbinden mit einer fokussierten Ionenstrahl-Technik, für den Laien kann man sagen, dass fokussierte Ionenstrahlen ist wie ein heißes Messer, das man in ein Butterstück reinsenkt, und damit kann man dann Proben exakt in Bereichen von wenigen Nanometern genau aufschneiden. Und das ermöglicht dann in der Forensik zum Beispiel Schmauchspuranalysen, Sie nehmen ein Schmauchpartikel, schneiden ihn auf und sehen die innere Struktur, und von dieser inneren Struktur kann man wieder Rückschlüsse schließen auf den Hersteller zum Beispiel von dem Pulver, oder auch, wenn man jetzt sich Zellmaterialien anschaut, man kriegt also dort einen Querschnitt durch die Zelle innerhalb weniger Minuten.

    Natürlich werden mit ESEM-artigen Mikroskopen auch die kleinen Motoren erkundet, die Tier und Pflanze in Bewegung halten und die die Nanotechnologen endlich auch in künstlichen Gebilden verwenden wollen:

    Einer unserer Kooperationspartner ist das National Institute of Health, hier in Amerika, NIH, die zum Beispiel diese Technik einsetzen, um das Verständnis von molekularen Motoren, zum Beispiel wie bewegt sich ein Spermium, das hat einen molekularen Motor, und dort muss man, um das zu verstehen, wie die Chemie zusammenwirkt mit den Zellen, um diese Energie umzusetzen in eine Bewegungsenergie, muss man dort auf molekularer Ebene oder auf nanotechnologischer Ebene das aufschneiden, auftrennen, eine Probe extrahieren und dann im Transmissionsmikroskop genau diese Tomographie machen und die Rekonstruktion, um diesen Zusammenhang zu verstehen.

    Und dann gibt es im Nanokosmos natürlich auch Dinge, die überhaupt nicht oder nur sehr schwer sichtbar zu machen sind, von denen sich die Wissenschaftler aber gern ein Bild machen würden. Wenn etwa Atome zu einer Verbindung zusammen treten, arrangieren sich die Elektronen der Atomhüllen auf eine ganz bestimmte Weise. Wer weiß, wie, kann neue chemische Verbindungen entwerfen, vielleicht sogar rechnende Moleküle und ähnliches Wunderwerk.

    Diese vier Herren sind aus Dänemark und freuen sich, dass ihr berühmter Landsmann Niels Bohr in den dreißiger Jahren von der Carlsberg-Brauerei gesponsert wurde und auf deren Betriebsgelände, von Bierdüften umweht, eine Villa bewohnte. So nämlich konnte der dänische Vater der Atomphysik in Muße seine Version der Quantenmechanik ausbrüten, auf deren Grundlage die Firma "atomistixs" ihr Programm TranSIESTA-C schreiben und auf der Bostoner Nanotech 2004 vorstellen konnte. Das Programm dürfte Quantenchemikern und Nano-Elektronikern Hochgefühle vermitteln; Kurt Stokbro, der atomistix-Chef:

    Hier sehen Sie ein Molekül zwischen zwei Elektroden, dieses Fachgebiet heißt Molekularelektronik, die Leute wollen mit Molekülen schalten. Und das nun mit Versuch und Irrtum hinzukriegen ist sehr schwer und solche Moleküle zu synthetisieren sehr zeitaufwendig. Und wir können diese Elektroden und Moleküle rechnerisch simulieren, die Strom-Spannung-Charakteristik berechnen und sagen, ob es funktionieren wird..

    Das Programm verspricht die Modellierung von zahlreichen Nanostrukturen, wie sie sich etwa auf Computerchips finden oder finden werden, kennt etwa das Phänomen der Elektromigration, wenn Atome vom Elektronenfluss fortgespült werden wie Bachkiesel; es kennt sich mit submikroskopischen elektrischen Kontakten aus, mit Transistoren, berücksichtigt Effekte des Elektronenspins, berechnet die Eigenschaften von Biomolekülen und so fort, alles nach Angaben der Programmierer. Da die Sache aber von Niels Bohr in Gang gesetzt wurde, verdient sie Vertrauen. Die Rechnungen, versichert Kurt Stokbro, stimmten ausgezeichnet mit den dazu gemachten Experimenten überein.

    Hinter dieser Software stecken Jahre Entwicklungsarbeit, und als Erstes haben wir natürlich die Rechnungen mit Experimenten verglichen. Gute Experimente zu finden ist übrigens schwierig, weil die auf der Nanoskala sehr verzwickt sind. Aber wir haben vereinzelt sehr gute gefunden, es gibt etwa Gruppen, die Punktkontakte untersuchen, sogar mit einzelnen Atomen. Es gibt ein gutes Experiment mit einem Wasserstoffatom an Elektroden und einfachen Molekülen. Und in allen Fällen haben wir eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit unseren Vorhersagen gefunden.

    Wer theoretisch so gewappnet ist, wird versucht sein, interessant erscheinende Nanostrukturen in der Praxis auszuprobieren. Aber wie? Die Millionen schwere Ausrüstung einer Chipfabrik steht nur wenigen zu Gebote. Die Lösung: Tinte. Die Sache ist seriös und durch die gehobene Wissenschaftspresse gelaufen - man kann mit Tinte und einer Art Nano-Füller, aus einem Rasterkraftmikroskop abgeleitet, Nanostrukturen zeichnen. Und nicht nur das, spezielle Tintentypen gestatten sogar die Konstruktion von dreidimensionalen Nano-Gebilden:

    Ray Eby ist Produktmanager bei NanoInk:

    Nun, wir haben mehrere Möglichkeiten, manche Tinten machen sehr flache Striche, mit anderen, etwa unseren Metalltinten, dreidimensionale Strukturen bauen, Schicht um Schicht. Das kann mitunter dauern, wir machen aber auch Prägestempel für Nano-Imprint-Techniken.

    NanoInks nanotechnologische Schreibmaschine ist kleiner als ein Brotkorb und steht in einer Kammer, die Luftfeuchte und Temperatur reguliert, denn das bestimmt die Eigenschaften der Tinten.

    Unser Hauptprodukt für die Wissenschaft nennt sich "Enscriptor", das ist ein Lithographiesystem, mit dem man rapid prototyping für Nanostrukturen machen kann. Da kann man alles mögliche zusammenfügen - Nanoröhren, Nanopartikel, oder komplexe Nanochemie machen, Nanokristalle, alle möglichen Sachen austesten. Man kann Materialien im Nanomaßstab platzieren, das ist unsere Stärke.

    Auch der Elektronik-Industrie kann die Nanotinte nützlich werden, denn Chip-Strukturen werden mit Belichtungsverfahren gefertigt, bei denen das Bild einer Maske, einem Dia ähnlich, auf ein Halbleitermaterial projiziert wird. Die Masken sind mittlerweile extrem komplex und teuer und filigran geworden, die Reparatur kleiner Fehler lohnt sich:

    Um diese winzigen Defekte haben sich die Leute früher nicht kümmern müssen, jetzt müssen sie es schon, und wir können das reparieren.

    Die Nanotech 2004 hatte auch sehr handfeste Themen, Michael Martin vom Lebensmittelkonzern Nestlé berichtete über Nanotechnologie auf dem Lebensmittelsektor, eher zurückhaltend, weil das Publikum Nanotechnologie am Lebensmittel wohl nicht schätzt. Hier aber sollte es zustimmen können. Es gilt, Speiseeis alptraumartige Züge zu nehmen:

    Könnten Sie mir sagen, warum Eiscreme für Sie ein Alptraum ist und wie man das beheben könnte?

    OK, Eiscreme ist ein Schaum und Schäume sind thermodynamisch unstabil. Wir haben da Luftzellen verschiedener Größe und die können im Eis schrumpfen und wachsen, das Eis ist sehr mobil. Und wenn man das Eis dann nach einiger Zeit aus dem Kühlschrank nimmt, hat es Eisstacheln. Gott sei Dank denken die meisten Leute, die wären außen aufgewachsen, aber - sagen Sie's nicht weiter -, die kommen von innen, die zeigen die große Beweglichkeit im Eis an.


    Was kann die Nanotechnologie da tun? Wenn man die Luftbläschen Nanometer fein macht, sollten sie nicht wachsen können, denn unterhalb einer kritischen Größe muss hierfür eine so genannte Keimbildungsarbeit geleistet werden. Das Eis wäre also stabil. Das ist nur geraten, Michael Martin hat sich dazu in das branchentypische Schweigen gehüllt.

    Was, schließlich, hat der Veranstalter der Nanotech 2004 als Highlight erlebt? Bart Romanowicz vom Nano Science and Technology Institute, Boston, sieht ein wichtiges Feld in einer Art Nano-Pharmazie:

    Da wird an Geräten gearbeitet, die nicht nur das Genom sondern auch das Proteom erforschen, den Proteinbestand des Körpers. Und wenn man in Zukunft zum Arzt geht, nimmt der Ihnen eine Blutprobe ab und kann mit einer Proteom-Analyse Ihren Gesundheitszustand bestimmen und eine ganz individuelle Behandlung vornehmen. Und wenn wir dann auch noch über die genetischen Verhältnisse Bescheid wissen, können wir die genau richtige Behandlung aussuchen.

    Magnetische Partikel könnten ebenfalls medizinisch bedeutsam werden. Mit Wirkstoffen beschichtet, könnten sie an ausgesuchte Zelltypen, etwa Krebszellen, andocken. Wenn man dann ein magnetisches Wechselfeld anwendet, erzeugen die Magnetpartikel Wärme und schwächen die Krebszellen oder lassen sie absterben - ein Verfahren, dass derzeit an der Berliner Charité zur Behandlung bestimmter Hirntumore erprobt wird.

    Auch für die Umwelt könnten Magnetpartikel nützlich sein:

    Da arbeiten Leute an Magnetpartikeln mit einer speziellen Beschichtung, die sie an Schadstoffe bindet. Im Wasser oder im Boden. Man schüttet die Partikel etwa in eine Talsperre, sie binden sich an die Schadstoffe und mit einem Magnetfeld sammelt man die Teilchen dann wieder ein.

    Die erste Nanotech-Veranstaltung dieser Art hatte vor sieben Jahren stattgefunden. Was hat sich seither geändert?

    Eine ganze Menge. Es hat große Fortschritte in der Kunst gegeben, Materie in immer kleineren Dimensionen und immer kleineren Mengen zu manipulieren, und vieles, was in der Wissenschaft im Prinzip bekannt war, aber nicht verwirklicht werden konnte, kann jetzt realisiert werden. Und wir sehen, wie weltweit immer mehr Fördermittel in die Nanotechnologie fließen. Und jedes Jahr kommen mehr Forscher, aus ungefähr 34 Ländern diesmal, die Konferenz weitet sich ständig aus und ist heute viel eindrucksvoller als vor sieben Jahren.

    Für Nanotechnologie werden mittlerweile große Summen ausgegeben, die auch dann noch beeindruckend sind, wenn man bedenkt, das vieles, was heute "Nano" heißt, früher unter anderen Namen auch schon beforscht wurde, wie etwa Atomphysik oder supramolekulare Chemie.

    Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie die öffentliche Förderung gewachsen ist und die Forschung stark befördert hat. Die USA liegen jetzt dicht an einer Milliarde Dollar pro Jahr , Ähnliches gilt für Japan und Europa. Und wir sehen, wie sich die Industrie aus der Forschung allmählich zurück zieht und sich auf Entwicklung konzentriert, so dass sie schneller mit Produkten auf den Markt kommen kann.

    Eine Spekulationsblase jedenfalls wird Nanotechnologie nicht werden, dazu ist sie vielseitig und zu gut in die etablierten Felder von Naturwissenschaft und Technik eingebunden.
    Nanoröhrchen aus Kohlenstoff sind ein zukunftsträchtiges Material
    Nanoröhrchen aus Kohlenstoff sind ein zukunftsträchtiges Material. (Berkeley Lab)
    Nanotechnik
    Nanotechnik erfordert viel Fingerspitzengefühl. (AP)