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Geschichte aktuell: ''Der Kunde ist König''

Seit fünfzig Jahren sind in Deutschland unabhängige Verbraucherorganisationen aktiv. Das ist für den Verbraucherzentrale Bundesverband natürlich ein Grund zum Feiern. Und ohne Zweifel – die Position der deutschen Verbraucher ist wohl stärker denn je.

Dieter Nürnberger | 14.05.2003
    Der Kunde ist König – so lautet der altbekannte Schlachtruf mündiger Verbraucher. "Wir lassen uns nichts mehr gefallen",– könnte man ergänzen. Wird es mit dem Euro teurer, dann wird halt weniger gekauft – in der Wirtschaftssprache heißt dies Konsumentenzurückhaltung. Der moderne Kunde achtet auf Qualität und Sonderangebote, er möchte bei gutem Service rund um die Uhr konsumieren und die Rabatte nutzen. Und die Verbraucherschützer sind die Verbündeten der Kunden. Eine wirklich machtvolle Allianz?

    Angefangen hat es 1953 mit Menschen, die sich damals für die soziale Marktwirtschaft stark gemacht haben. Man hat angeknüpft an die Wurzeln der Verbraucherbewegung, die lagen in der Arbeiterbewegung, bei Konsumgenossenschaften und auch in der Frauenbewegung. Und damals waren natürlich Fragen des täglichen Konsums ganz oben auf der Palette. Es waren auch Haushaltsgeräte und diese Dinge, die in dieser Nachholphase nach dem Krieg für die Verbraucher eine große Rolle gespielt haben.

    Edda Müller ist Deutschlands mächtigste Verbraucherschützerin. 16 Verbraucherzentralen und 18 Verbände unter einem Dach vereint. Edda Müller ist die Vorstandsvorsitzende einer Organisation mit dem etwas holprigen Namen Verbraucherzentrale Bundesverband. Zu den Mitgliedern gehören beispielsweise der Deutsche Mieterbund, das Diakonische Werk oder auch der Verein "Pro Bahn". Das Domizil des Bundesverbandes ist – Zufall oder nicht – direkt gegenüber dem Axel-Springer-Verlag in Berlin. Die geballte Kraft der Verbraucher trifft hier sozusagen auf die Sprachrohre des vermeintlich kleinen Mannes, auf Boulevard-Blätter wie die "Bild"-Zeitung oder die "BZ".

    Immer dann, wenn ein Thema Gegenstand des politischen Wettbewerbs wird, dann kann man damit rechnen, dass etwas größere Aufmerksamkeit da ist. Mit dem Kabinettrang, den Verbraucherschutz mit der Einrichtung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bekommen hat, ist doch ein frischer Wind in die Verbraucherthemen hinein gekommen. Gleichzeitig hatten wir die historische Chance, unsere Kräfte im Verbraucherzentrale Bundesverband zu bündeln. Und von daher schauen wir im Moment ganz zuversichtlich in die Zukunft.

    Am 1. November 2000 wurde der Verbraucherzentrale-Bundesverband offiziell gegründet. Er ist der Nachfolger der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, die 1953 ins Leben gerufen wurde. Die Aufgaben damals gelten auch noch heute: Einflussnahme auf die Politik oder anders ausgedrückt: politische Lobbyarbeit. Und die war ganz im Sinne marktwirtschaftlicher und demokratischer Theorien. Der Verbraucher als Souverän und informierter Partner im Marktgeschehen. Deshalb klingt das, was der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard in den fünfziger Jahren formulierte, auch heute noch vertraut.

    Er soll wach sein, er soll sich auf den Markt nicht so benehmen, wie ein Lamm, dass zur Schlachtbank geführt wird. Er soll erkennen lassen, dass er Widerstand leistet – gegen allzu leichte Bewegungen im Markt. Er soll sich nicht darüber ärgern, wenn irgendwo etwas teurer ist, sondern er soll sich darüber freuen, dass es auch billigere Einkaufsmöglichkeiten gibt. Er soll wählen, er soll seiner Verärgerung Luft machen. Und die, die es angeht, die sollen spüren, dass sie es nicht mehr einer fühllosen Masse zu tun haben, sondern mit bewusst gewordenen Verbrauchern.

    Das klang gut, doch war der mündige Verbraucher jahrzehntelang wohl eher Gegenstand politischer Sonntagsreden. Verbraucherpolitik fand nur am Rande statt. Innerhalb der Bundesregierung war stets das Wirtschaftsministerium federführend, Verbraucherpolitik eher darauf gerichtet, die Wettbewerbsordnung zu verbessern. Und in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Bürger wohl auch andere Sorgen. Später, im Land des Wirtschaftswunders, waren sie vielleicht zu sorglos. Kein Wunder, denn das Glück hieß Konsum und der wurde eifrig beworben.

    Und so lief der Verbraucherschutz auch den Missständen oft hinterher. Auf der politischen Agenda stand er vornehmlich, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Schlagzeilen gab es, wenn mal wieder irgendwo Wein gepanscht wurde, oder Medikamente mehr als die üblichen gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen hatten. Logisch deshalb, dass erst etwas Erhebliches passieren musste, um den Verbraucherschutz in der politischen Priorität weiter oben anzusiedeln.

    Das Stichwort dazu hieß im Jahre 2000 BSE. Verbunden mit einer massiven Absatzkrise auf dem Fleischmarkt kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Wende in der Verbraucherpolitik an. Die Folge: Die propagierte neue Politik bekam einen eigenen Namen – Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Und die Grünen-Politikerin Renate Künast wurde zur "Verbraucherministerin" ernannt. Das war mehr als nur Aktionismus – es ist die erstmalige Chance, eine moderne Verbraucherpolitik in Deutschland zu gestalten. Entsprechend selbstbewusst: die Amtsinhaberin.

    Ich glaube, dass eigentlich der Verbraucherbereich gar nicht so schlecht aufgestellt ist. Gucken Sie sich den Bundesverband Verbraucherzentralen an oder die Stiftung Warentest. Die wird übrigens in Umfragen für die glaubwürdigste Institution der Bundesrepublik gehalten. Und die entscheiden ja auch in gewissen Umfang mit ihren Tests darüber, was hier gekauft wird. Was wir aber beispielsweise noch schaffen müssen, ist durch Kennzeichnung mehr Informationen für die Verbraucher zu geben. Ihnen die Möglichkeit zu geben, klug zu konsumieren. Auf ihren Geldbeutel ausgerichtet und auch auf die Frage hin, welche umwelt- oder sozialen Folgen hat ihr Verhalten beim Einkauf. Aber das entscheiden die Verbraucher frei und allein.

    Verbraucher sind auf Informationen angewiesen, denn Wissen ist bekanntlich Macht. Dafür gibt es die Verbraucherzentralen, dafür gibt es auch die Medien, oder das Internet. Und es gibt die Stiftung Warentest in Berlin. Deren Aufgabe ist einfach formuliert: die Durchführung vergleichender Waren- und Dienstleistungsuntersuchungen. Hans Dieter Lösenbeck war als Chefredakteur der Verbraucherzeitschrift "Test" ein Mann der ersten Stunde. Die Idee kam, wie so oft, aus den Vereinigten Staaten von Amerika.

    Dort hatte man schon sehr viel früher vergleichende Verbrauchertests durchgeführt. Das war damals "Consumers Union" mit einer sehr respektablen Auflage von rund vier Millionen Exemplaren pro Monat. Und dann gab es natürlich in Deutschland private Anfänge durch Waldemar Schweitzer. Der brachte damals die Zeitschrift "DM" auf den Markt. Und man hat dann gesagt, wir brauchen eine neutrale Institution, die sich ohne Anzeigen finanzieren muss, allerdings mit Subventionen vom Staat. damit war das Kind Stiftung Warentest geboren.

    Damit wurde eine politische Vorgabe umgesetzt, die Bundeskanzler Konrad Adenauer 1962 so formulierte.

    Die Bundesregierung hält es für erforderlich, dass Preisbewusstsein der Verbraucher zu stärken. Sie wird deshalb die Einflussmöglichkeiten der Verbraucher auf die Preise und auf das Marktgeschehen verbessern. Der Bundesminister für Wirtschaft wurde beauftragt, möglichst bald die Errichtung einer Körperschaft für neutrale Warenteste zu veranlassen.

    Die deutsche Wirtschaft war damals bei weitem nicht begeistert. Angebot und Nachfrage regeln bekanntlich der Markt. Wer oder was sonst? Und somit war und ist die fast vierzigjährige Geschichte der Stiftung Warentest auch stets Kampf gewesen. Die Hersteller mussten sich an unabhängige Bewertungen eines neutralen Testinstituts erst gewöhnen.

    Es gab sicherlich Hunderte von Rechtsstreitigkeiten. Und da gab es ja dann entscheidende Urteile. Das war beispielsweise ein Prozess. Da wurde unser Ermessensspielraum vom BGH festgelegt. Da gab es natürlich noch weitere – ein Urteil etwa, da wurde festgestellt, dass wir berechtigt sind, schärfer zu testen, als es für die DIN-Norm festgeschrieben ist. Das waren alles wichtige Marksteine für unsere Arbeit.

    Über 90 Prozent der Bundesdeutschen kennen die Stiftung Warentest und Umfragen zeigen, mehr als ein Drittel orientiert sich bei wichtigen Einkaufsentscheidungen an den Beurteilungen der Hefte "test" und "Finanztest".

    "Die kontrollieren." "Stiftung Warentest – die Untersuchungen von ja Nahrungsmitteln...". "Die begutachten eine Ware. Man kann auch anrufen und dann sagen die einem das." "Die prüfen alles mögliche. Preise, Güte usw.."

    Vollmundige Versprechungen der Wirtschaft zu überprüfen, das ist der Kern der Arbeit der Warentester. Damals wie heute. Hans-Dieter Lösenbeck.

    In der ersten Ausgabe hatten wir zwei Tests. Einmal Nähmaschinen und noch Stabmixer. Wir fingen als mit zwei Tests pro Monat an und da gab es natürlich noch jede Menge Preisvergleiche. Das hat sich dann in den späteren Jahren durchaus erhöht. Heute ist es ja so, dass sechs bis acht Tests in jeder Ausgabe sind. Bevor es die Zeitschrift "Finanztest" gab, waren ja auch noch jede Menge Finanzdienstleistungs-Untersuchungen in "Test". Das hat sich jetzt verlagert auf die zweite Zeitschrift.

    Unabhängige Informationen sind ein wichtiges Standbein moderner Verbraucherpolitik. Deshalb sieht die Bundesverbraucherministerin auch weiterhin Handlungsbedarf. Mit einen Verbraucherinformationsgesetz will Renate Künast Hersteller verpflichten, mit Details Auskunft über ihr Produkt zu geben. Auch das ist nicht einfach. Der erste Anlauf ist 2002 gescheitert.

    Es ist am Ende nicht durchgekommen, weil die CDU/CSU- regierten Länder im Bundesrat mit Nein gestimmt haben. Und wir werden es dennoch wieder auf die Tagesordnung bringen, weil ich glaube, dass es selbstverständlich ist, dass Verbraucher Informationen bekommen, die die Behörden auch haben. Es gibt eigentlich nur enge Grenzen dort, wo engere Bereiche des Betriebsgeheimnisses oder persönliche Daten betroffenen sind. Alles andere muss jeder Bürger auch wissen können.

    Den Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Verbraucherpolitik könnte man also so beschreiben: Aus dem schlichten Reparaturbetrieb in der Vergangenheit ist eine vorsorgende Strategie geworden. Mehr Informationen und auch neue Institutionen.

    Es darf beim Verbraucherschutz nicht darum gehen, dass man nur Krisen bewältigt. Deshalb haben wir ja auch neue Institutionen initiiert. Wir haben ein Bundesamt für Risikobewertung, welches ein Passstück ist zu einer europäischen Lebensmittelbehörde. Die sorgen dafür, dass wissenschaftlicher Sachverstand gebündelt wird, ordentlich geforscht wird, die Informationen schnell an die Exekutivbehörden weitergehen. Damit man vordenken und auch handeln kann.

    Den Konsumenten im Wirtschaftsgeflecht stärken und die Verbraucherpolitik aufwerten – da ziehen die grüne Ministerin und die Chefin der Verbraucherzentralen an einem Strang. Das sei auch ein Stück Standortpolitik, meint Edda Müller:.

    Moderne Verbraucherpolitik heißt, dass sich ohne Verbrauchervertrauen eine Volkswirtschaft nicht gedeihlich entwickeln kann. Das gilt insbesondere im globalen Markt, wo wir in Zukunft nicht allein über den Preis bestehen können, sondern über Qualität. Und Qualität muss natürlich vom Verbraucher am Markt akzeptiert werden. Deshalb: Verbrauchervertrauen, eine aktive Verbraucherpolitik und eine Wirtschaftspolitik, die auch etwas für den Standort Deutschland tut, gehören zusammen.

    Doch ist der 50. Geburtstag des deutschen Verbraucherschutzes nicht nur ein Rückblick auf ein "Aschenputteldasein", wie Edda Müller einmal formulierte. Auch die Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbandes weiß die Leistungen ihrer damaligen Mitstreiter zu würdigen. So wurden auf Drängen der Vorgängerorganisation im Laufe der Zeit durchaus Erfolge erzielt. Die Kartellgesetzgebung wurde 1957 und 73 geändert. Die Klagebefugnis der Verbraucherverbände gegen unlautere Wettbewerbsmethoden 1965. Eine Novellierung der Preisangabenverordnung folgte beispielsweise 1973. Ein Jahr später wurde das Widerrufsrecht für Ratenkäufe und Dauerlieferungsverträge geändert.

    Das waren Meilensteine für den bundesdeutschen Verbraucherschutz. Doch einiges steht noch aus, gerade im globalisierten Markt heutiger Prägung. Der Blick geht dabei auch etwas neidvoll in andere europäische Länder.

    Wir haben nach Großbritannien geschaut, wenn es um die Liberalisierung der Strommärkte geht. Hier wurde mehr Wettbewerb geschaffen und zugleich dafür gesorgt, dass von diesem Wettbewerb nicht nur die Industriekunden profitieren, sondern auch die privaten Kunden. Wir haben dort 40 Prozent der Verbraucher, die einen Anbieter mit günstigen Tarifen neu gewählt haben, in Deutschland sind es lediglich 4 Prozent. Wir haben in den skandinavischen Ländern zum Teil ein Schiedssystem. Hier können Verbraucher im Vorfeld von Klagen über die Vermittlung von Ombudsleuten eher zu ihrem Recht kommen. Wir haben in Griechenland die Möglichkeit, dass Anbieter, die unseriös geworben haben, ihre erzielten Gewinne abtreten müssen.

    Edda Müller spricht auch immer noch von einem Theoriedefizit des bundesdeutschen Verbraucherschutzes. Der Aufbau eines neuen Politikbereiches sei noch nicht abgeschlossen.

    Je mehr Wettbewerb desto mehr Verbraucherschutz - diese Gleichsetzung ist nicht richtig. Wettbewerb ist auch eine Frage des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das heißt, haben wir ausreichend Anbieter am Markt. Aber das allein macht nicht Verbraucherschutz aus. Es kommen daher noch andere Sachen hinzu. Die haben was mit Vorsorge zu tun haben, mit Wahlfreiheit und persönlichen Präferenzen. Ein Mensch, dem der Tierschutz sehr am Herzen liegt, der soll die Möglichkeit haben, auch eine entsprechende selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Von daher ist Wettbewerb nicht gleich Verbraucherschutz, aber ohne Wettbewerb geht Verbraucherschutz auch nicht.

    Für die Vorsitzende des Verbraucherzentrale-Bundesverbands ist Verbraucherschutz vor allem Querschnittspolitik. Und dabei blickt Edda Müller auch kritisch auf die Zuständigkeiten des Künast-Ministeriums.

    Das Verbraucherministerium hat eine eigene Zuständigkeit beispielsweise bei Fragen der Ernährung oder der Lebensmittelsicherheit. In vielen anderen Themen, egal ob dies nun Fahrgastrechte bei der Bahn sind, Gestaltung von Verträgen auf den Strommärkten oder im Bereich der Telekommunikation – das sind alles Themen anderer Ressorts.

    Doch dies will Bundesministerin Renate Künast so nicht auf sich sitzen lassen.

    Ich bin eigentlich ganz zufrieden. Es gibt auch kein Gerangel. Es ist eher so, dass wir jetzt dafür Sorge tragen , dass der Verbraucherschutzaspekt bei allen Gesetzen, die gemacht werden, jetzt auch beachtet wird. Wer immer federführend ist, wir beraten mit. Insofern sind wir ganz gut aufgestellt. Und dann gibt es das andere Bein. Es gibt einen großen Bereich im wirtschaftlichen Verbraucherschutz, wo wir die Wirtschaft überzeugen müssen, dass Verbraucherschutz - also Information und Transparenz über Produkte und Herstellungsverfahren - auch ein positiver Faktor sein kann.

    In der vergangenen Woche hat Renate Künast in Abstimmung mit dem Bundeskabinett eine Art Fahrplan für diese Legislaturperiode vorgelegt. Ein "Aktionsplan" Verbraucherpolitik. Und hier ist vieles verankert, was verbraucherpolitisch relevant ist, auch wenn andere Ministerien betroffen sind.

    Der hat zwei Standbeine. Das eine ist der Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Bereich Lebensmittelsicherheit, Ernährung und Gesundheit. Der andere Punkt ist der wirtschaftliche Verbraucherschutz. Wir haben also vom Wettbewerbsrecht, über Telekommunikation, Finanzdienstleistungen und Altersvorsorge über den öffentlichen Personenverkehr, Pflege und Betreuung so viele Bereiche, wo es neue Vertragsstrukturen gibt. Diesen Bereichen muss das Recht auch immer folgen. Wir wollen immer nur den Rahmen setzen und innerhalb dieses Rahmens haben die Unternehmer, die seriös arbeiten, auch die Chance, was daraus zu machen.

    In den vergangenen 50 Jahren ist die Welt für die Verbraucher bestimmt nicht übersichtlicher geworden. Ein gemeinsamer europäischer Markt, Liberalisierung allerorten, das Internet als Symbol einer globalisierten Welt. Und nicht zu vergessen: viele neue Produkte. Heute geht es nicht mehr allein um den Konsum, nicht nur Gebrauchsanweisungen müssen verstanden werden, sondern auch komplizierte Angebote etwa der Versicherungswirtschaft. Das fordert heraus – jeden einzelnen Konsumenten. Und die Werbung kommt ohnehin immer subtiler daher.

    Eine aktive Verbraucherpolitik soll langfristig dafür sorgen, dass die Nachfrageseite des Marktes zu einer eigenständigen Kraft wird. Nicht gegen die Angebotsseite, sondern mit ihr. Doch gleichzeitig steht dieser neue Politikbereich Verbraucherschutz noch am Anfang, auch wenn die ersten 50 Jahre hierzulande schon vorbei sind. In der Vergangenheit wurde oft der Vergleich David gegen Goliath bemüht. Edda Müller würde dem längst nicht mehr beipflichten, auch wenn es manchmal noch so scheint.

    In Brüssel haben wir die Dachorganisation der Verbraucherverbände mit zwanzig Mitarbeitern. Und demgegenüber tummeln sich in Brüssel zirka 20.000 Interessenvertreter von Wirtschaftsverbänden und einzelnen Unternehmen. Und daran wird in etwa deutlich, wie die Gewichte der Vertretung von Verbraucherinteressen und denen von Wirtschaftsinteressen zur Zeit verteilt sind.

    Auf jeden Fall sind die Verbraucherschützer hierzulande selbstbewusster geworden. Hans-Dieter Lösenbeck war fast 30 Jahre bei der Stiftung Warentest. Er spricht von Einfluss, nicht von der Macht "seiner" Stiftung.

    Nein, die ist nicht machtvoll, um in diesem Sinne Macht auszuüben. Aber natürlich: Mit den Ergebnissen, die die Stiftung Warentest produziert, können durchaus Weichenstellungen am Markt passieren. Und das ist auch richtig so.

    Und machtlos sieht sich Renate Künast – man muss schon sagen – "natürlich" auch nicht. Im vergangenen Wahlkampf war die Verbraucherpolitik eines der Zugpferde der Grünen. Und auch wenn einiges von dem, was zur Gründung des Ministeriums vollmundig propagiert wurde, inzwischen durch die Realität etwas zurechtgerückt wurde – wie etwa die Agrarwende – ist auch klar, ein Zurück zum "Aschenputteldasein" der Verbraucherpolitik wird es nicht geben. Allein schon deshalb, weil 80 Millionen Deutsche langsam ihre Macht als Kunde erkannt haben. Und merke: Auch die Ministerin weiß, wovon sie spricht - sie ist schließlich auch eine ganz gewöhnliche Verbraucherin. Und ab und an genervt von Marktgeschehen.

    Das eine ist, dass es hin und wieder bei der Wirtschaft Tricks gibt - der Preis bleibt gleich, aber der Inhalt des Glases reduziert sich immer weiter. Und der andere Punkt ist, dass ich zu Hause im Moment ständig unerwünschte Faxe kriege, die ich gar nicht will – das geht mir schwer auf den Nerv. Dabei noch zu wissen, dass wenn man dort anruft und sagt, dass ich das nicht möchte, es aber dann einige Euro kostet – das ist schon ne Art Abzockerei. Deshalb bin ich auch froh, dass wir beim Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb es jetzt so haben, dass wir sagen, der Gewinn, der damit gemacht wird, den kann man diesen Unternehmen dann wieder entziehen.