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Geschichte aktuell: Die Wiederbewaffnung als Wegmarke zur Souveränität

Im Jahr 1955 wurde über die sicherheits- und außenpolitische Orientierung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR entschieden. So wurden der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und der DDR in den Warschauer Pakt in diesem Jahr vollzogen. Das erste Datum in diesem ereignisreichen Jahr war aber die Ratifizierung der Pariser Verträge in der Bundesrepublik, die sich morgen zum 50. Mal jährt.

Von Rolf Clement und Tobias Hergarten | 26.02.2005
    Nachdem die Kriegskoalition aus dem Zweiten Weltkrieg sehr schnell zerbrochen war, entstand auch innerhalb Deutschlands ein Riss, der immer tiefer wurde. Die drei Westmächte leisteten Unterstützung bei der Bildung der Bundesrepublik Deutschland, die Sowjetunion bei der Bildung der Deutschen Demokratischen Republik. Dazu meinte der damalige stellvertretende Ministerpräsident der DDR Willi Stoph:

    Angesichts der Aufstellung einer westdeutschen Söldnerarmee und der Einbeziehung Westdeutschlands in den aggressiven Nordatlantikpakt, genügt es nicht nur, Erklärungen für die Erhaltung des Friedens abzugeben, sondern es ist notwendig, die Deutsche Demokratische Republik zu stärken und Maßnahmen zu treffen, die die Verteidigungsfähigkeit unserer Republik gewährleisten. Bisher gab es in der Deutschen Demokratischen Republik nur Polizeikräfte, dazu gehört auch die kasernierte Volkspolizei. Es ist jedoch nun an der Zeit, entsprechend dem elementaren Recht, das jedem souveränen, unabhängigen Staat zusteht, eine Nationale Volksarmee in unser Republik zu schaffen.

    Immer wieder versuchte der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, die Westbindung der Bundesrepublik fest zu verankern und deren sicherheitspolitische Bindung an die drei Westmächte mit einem möglichst hohen Maß an deutscher Souveränität zu koppeln. Vor allem Frankreich stand diesem Ansinnen sehr skeptisch gegenüber. Diese Bedenken versuchte Konrad Adenauer zu zerstreuen:

    Es werden sowohl bei uns als auch im Ausland die Stimmen laut, die befürchten, dass die Stellung eines deutschen Kontingents in einer amerikanisch-europäischen Armee ein Wiederaufkommen militaristischen Denkens bei uns zur Folge haben werde. Darauf erwidere ich folgendes: Die Bundesregierung, der Bundestag und ich persönlich werden uns mit ganzer Kraft dafür einsetzen, das militaristische Denken, dass seine schärfste Ausprägung in der nationalsozialistischen Zeit gefunden hat, unter keinen Umständen wiederkommt.

    Das änderte sich mit dem Ausbruch des Korea-Kriegs. Er markierte die erste große weltpolitische Krise nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Zusammenstoß der ideologischen Blöcke wurde dort manifest. Damit bekam auch die mittlerweile entstehende innereuropäische Blockgrenze, die dann auch die innerdeutsche Grenze wurde, eine andere sicherheitspolitische Bedeutung.

    Die Sicherheit Westeuropas wurde zu einem zentralen Punkt in den Überlegungen der drei Westmächte, vor allem der USA und Großbritanniens. Immer deutlicher wurde die Frage gestellt, ob die Bundesrepublik Deutschland, um deren Gebiet es regional an erster Stelle ging, nicht einen Beitrag zu dieser Verteidigung leisten könnte. 1949 war die NATO gegründet worden, mit der die USA sich erstmals in Nicht-Kriegszeiten vertraglich verpflichteten, Verantwortung für die Sicherheit in Europa zu übernehmen. Noch aber geschah dies ohne Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland, die mittlerweile mit der Verabschiedung des Grundgesetzes und der Bildung der Regierung Konrad Adenauer entstanden war. Die Interessen der USA, Großbritanniens und Frankreichs richteten sich also auf eine breitere Absicherung der europäischen Verteidigungsfähigkeit. Damit deckten sich diese Interessen mit denen Konrad Adenauers.

    Im Geheimen hatten sich Planer – u.a. hohe Militärs der früheren Wehrmacht – in das Eifelkloster Himmerod zurückgezogen und dort die so genannte Himmeroder Denkschrift verfasst. Sie hatten von Adenauer persönlich den Auftrag, sich über eine deutsche Beteiligung an der Sicherheitsarchitektur des entstehenden gespaltenen Europas Gedanken zu machen. Sie formulierten schon 1950 die Grundlagen, die die spätere Bundeswehr prägten. Eine wesentliche Festlegung dieser Denkschrift war, dass eine neue deutsche Armee in ein europäisches Bündnissystem integriert werden sollte.

    Ich habe erklärt, dass ich eine Remilitarisierung Deutschlands durch Aufstellung einer deutschen Armee ablehne, dass ich aber für Aufstellung eines deutschen Kontingents in einer europäischen Armee sei.

    Frankreich konnte sich zu diesem Zeitpunkt, also kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, eine neue deutsche Armee nicht vorstellen. Aber es wirkte an einer Politik der europäischen Einigung auf anderen Gebieten mit. So war die "erste Etappe zur europäischen Föderation" mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl getan. So sagte es der französische Außenminister Robert Schuman.

    Die Vorschläge der Himmeroder Denkschrift, eine deutsche Armee europäisch fest einzubinden, und die Bedenken aus Frankreich wurden zu einem Plan für eine europäische Streitmacht zusammengebunden. Dieser Plan wurde in den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gegossen. Dabei übten die USA vor allem auf Frankreich Druck aus, um dieses Ziel erreichen zu können. Dies sollte der zweite Schritt zu einer europäischen Einigung werden.

    Der Vertrag, der die EVG bilden sollte, war bereits ausgehandelt. Neben Deutschland und Frankreich sollten Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an dieser Verteidigungsgemeinschaft beteiligt werden. Die Armeen dieser Länder sollten zu einer gemeinsamen europäischen Armee verschmelzen. Durch die EVG sollten die Risiken einer deutschen Wiederbewaffnung minimiert werden. Gleichzeitig sollte die europäische Einigung einen Schub bekommen. Im Mai 1952 wurde der Vertrag von Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Italien und den Benelux-Staaten unterzeichnet. Die Bundesregierung konnte sich im Deutschen Bundestag trotz heftiger Debatten und Kontroversen letztlich durchsetzen. Am 12. März 1953 ratifizierte das Parlament in Bonn diesen Vertrag.

    Anders in Frankreich. Dort konnte sich die Regierung nicht behaupten. Der Vertrag scheiterte in der französischen Nationalversammlung am 30. August 1954. Für Frankreich hatte das Scheitern des EVG-Vertrags in der französischen Nationalversammlung zunächst negative Auswirkungen. Es beschädigte seinen Ruf als die treibende Kraft der europäischen Einigung nachhaltig. Denn die EVG war verbunden mit dem Plan einer europäischen politischen Gemeinschaft EPG. Ihr sollten die sechs Staaten angehören, die auch die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl bildeten. Wären EVG und EPG nicht im französischen Parlament gescheitert, hätten damals schon, also am Beginn der Diskussion um die europäische Einigung, nicht nur der wirtschaftliche Zusammenschluss, sondern auch die politische Union gestanden. Dazu sollte es nun erst drei Jahrzehnte später kommen, wie wir heute wissen, mit fast denselben Instrumenten.

    In der jetzt entstandenen Lage suchten die Westmächte gemeinsam mit der Bundesregierung nach einer neuen Lösung für die Sicherheitsarchitektur in Europa. Durch diplomatische Bemühungen der britischen Regierung kam es zur sogenannten "Neun-Mächte-Konferenz" in London. Daran nahmen Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Beneluxstaaten teil. Später stießen die USA und Kanada hinzu. Ziel der Konferenz war es, zu klären, wie die Bundesrepublik Deutschland in eine europäische Sicherheitsordnung integriert werden könnte. Dort wurde eine Grundsatzerklärung beschlossen, in der es unter anderem heißt:

    In der Überzeugung, dass dieses große Land nicht länger der Rechte beraubt bleiben darf, wie sie einem freien Volk von Rechts wegen zustehen, und in dem Wunsche, die Bundesrepublik Deutschland als gleichberechtigten Partner mit ihren Bemühungen um Frieden und Sicherheit zu assoziieren, wünschen sich die Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika, das Besatzungsregime so schnell wie möglich zu beenden.

    Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der USA erklärten dort, das Besatzungsstatut aufzuheben und die Alliierte Hohe Kommission, die die Verantwortung für die Bundesrepublik noch trug, abzuschaffen. In dieser Konferenz schlug die britische Regierung vor, den am 17. März 1948 geschlossenen Brüsseler Vertrag, ein Verteidigungsbündnis, dem Frankreich, Großbritannien und die Beneluxstaaten angehörten, für die ehemaligen Feindstaaten des Zweiten Weltkriegs zu öffnen. Der Brüsseler Vertrag, später als WEU-Vertrag bekannt geworden, war vor dem Hintergrund der wachsenden Bedrohung durch die Sowjetunion und ihrer Partnerstaaten gegründet worden. Der Kalte Krieg hatte begonnen. Hinzu trat immer noch die Befürchtung, auch Deutschland könnte zu einer Bedrohung werden. Deswegen sollte die Bundesrepublik fest eingebunden werden. So sollten ein wirksamer Kern der westeuropäischen Integration und eine stärkere Verteidigung geschaffen werden.

    Die Vereinbarungen zum Beitritt der Bundesrepublik und Italiens und die damit verbundene Transformation des Brüsseler Vertrags zur Westeuropäischen Union WEU sehen folgende Bestimmungen vor:

    Die Rüstungsproduktion der Mitgliedsstaaten wird von der "Dienststelle für die Kontrolle der auf dem europäischen Kontinent befindlichen Waffen der kontinentalen Mitglieder der Organisation des Brüsseler Vertrages" überwacht. Die Rüstungsproduktion wird Einschränkungen unterworfen, die für die Bundesrepublik Deutschland besonders strikt ausfallen. Die Bundesrepublik darf eine Truppe aufstellen, die nicht mehr als 500.000 Mann umfasst. 400.000 Soldaten sollen für das Heer, 80.000 für die Luftwaffe, mit höchstens 1.000 Kampfflugzeugen, und 20.000 für die Marine eingestellt werden.

    Deutschland darf keine schweren Kriegsschiffe bauen, ebenso wenig ferngelenkte Raketen. Deutschland erklärt den Verzicht auf den Bau atomarer, biologischer und chemischer Waffen.

    Die noch nicht voll ausgeprägten Strukturen des Brüsseler Vertrags werden verstärkt. Das betrifft besonders den im Vertrag vorgesehenen Konsultativrat, der in einen Rat mit Entscheidungsbefugnissen umgewandelt werden soll. Weiter wird vereinbart, dass die Bundesrepublik Deutschland der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation, der NATO, beitritt. Mit diesen Vereinbarungen wurden mehrere Ziele erreicht. Zum einen wurde Deutschland in die Verteidigung integriert. Dies geschah aber in einer Form, die der Bundesrepublik jede Chance für einen Alleingang nahm. Dem dienten die Rüstungsbeschränkungen, die verhinderten, dass die Bundesrepublik sich unkontrolliert aufrüsten konnte. Damit wurde auch erreicht, dass die Bundeswehr sich mit Material versorgen musste, was die Rüstungsindustrien der anderen Länder stabilisierte. Konrad Adenauer erreichte auf diesem Weg, dass die Bundesrepublik wenigstens einen Teil an Souveränität erlangen konnte.

    Dieses Bündel von Maßnahmen, das in London ausgehandelt und vereinbart wurde, wurde am 23.Oktober 1954 in Paris unterzeichnet. Die Pariser Verträge waren damit geschlossen. Nun brach vor allem in der Bundesrepublik eine heftige politische Auseinandersetzung aus. Für Bundeskanzler Adenauer war die Unterzeichnung einer seiner größten politischen Erfolge. Er nannte sie "einen neuen festen Damm für Freiheit und Demokratie". Nun ging es darum, die notwendige Bestätigung des Vertragswerks durch den Bundestag zu bringen.

    Es bildete sich eine starke parlamentarische Opposition gegen dieses Projekt, aber an ihm entzündete sich auch Widerspruch außerhalb des Parlaments. Die mit den Pariser Verträgen verknüpfte Entscheidung für eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik war für viele nicht akzeptabel. Es entspann sich eine hitzige öffentliche Diskussion über das Ob einer Wiederbewaffnung und über die Konditionen, zu denen sie erfolgen sollte, wenn es dazu käme. Diese seit Jahren geführte Diskussion wurde nun heftiger.

    Mit der Forderung, eine Volksbefragung zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, formierte sich in der Folgezeit die so genannte "Volksbefragungsbewegung". Anfänglich wurde diese Initiative von der SPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands, KPD, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und auch von der FDP getragen. Jedoch aufgrund des starken Einflusses der KPD distanzierte sich die FDP bald wieder von der Volksbefragungsbewegung. Bei einer Volksbefragung hätte die Mehrheit der Deutschen nach allen Erkenntnissen wohl gegen die Remilitarisierung Deutschlands gestimmt. Ausschnitte einer 1949 durchgeführten Umfrage des Süddeutschen Rundfunks:

    Wenn man wie ich seinen Mann und seinen einzigen Bruder im Krieg verloren hat und nun mit seinen drei Kindern mehr oder weniger allein in der Welt steht, will man von Wiederaufrüstung oder dergleichen nichts hören. Man kann es nicht mehr. Bei dem bloßen Gedanken, dass meine beiden heranwachsenden Söhne auch wieder den grauen Rock tragen und alles, was damit zusammenhängt, erdulden müssen, möchte ich aufschreien und rufen: Nein! Und noch einmal Nein! Ich bin ein grundsätzlicher Gegner für die Remilitarisierung Deutschlands. Nachdem ich selber zwölf Jahre Soldat war und 1945 in amerikanische Gefangenschaft geraten bin, so lehne ich es grundsätzlich ab, nachdem man mir diese Uniform, die ich zuletzt getragen habe ,vom Leib gerissen hat und nun heute wieder, auch in eine Uniform für die selben Westalliierten eintreten soll und ein Bollwerk gegen den Osten zu sein.

    Zum ersten Mal seit Bestehen der jungen Bundesrepublik gründete sich eine außerparlamentarische Initiative, die so genannte Paulskirchenbewegung. Diese markierte den Höhepunkt des Protestes. Vor allem SPD, Gewerkschaften und die evangelische Kirche stützten diese Bewegung, die sich gegen die Aufstellung einer neuen deutschen Armee wandte. Sie argumentierte weiter, dass mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge die Wiedervereinigung Deutschlands verhindert werden könnte. Bundeskanzler Konrad Adenauer verurteilte die Kampagne. Vor dem Bundesvorstand der CDU erklärte er, die "Volksbewegung" gegen die Unterzeichnung der Verträge erinnere an die Zeiten des Nationalsozialismus vor der Machtergreifung.

    Allein die SPD plante rund 6.000 Veranstaltungen. Den Auftakt bildete eine Kundgebung am 29. Januar 1955 in der Frankfurter Paulskirche unter dem Motto "Rettet Einheit, Frieden und Freiheit! Gegen Kommunismus und Nationalismus!" Sie mündete in dem sogenannten "Deutschen Manifest", in dem unter Berufung auf das Ziel der Wiederherstellung der staatlichen Einheit die Wiederbewaffnung abgelehnt wurde. Das Manifest wurde von den rund 1.000 Teilnehmern der Kundgebung in der Frankfurter Paulskirche - daher der Name dieser Bewegung – angenommen. In der Folgezeit unterzeichneten zahlreiche namhafte Persönlichkeiten in der gesamten Republik den Aufruf.

    Der Bundestag debattierte über 40 Stunden, auf vier Tage verteilt, das Vertragswerk. Der Ratifizierung, die sich morgen zum 50. Mal jährt, stimmten 314 der 473 Abgeordneten zu, 157 stimmten dagegen. Es gab aber noch ein Problem: Mit dem EVG-Vertrag politisch verbunden waren Verhandlungen zwischen den USA, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik über einen Deutschland- oder Generalvertrag, der dem westdeutschen Staat weitgehend in seinem Willen nach Souveränität entgegenkommen sollte. Da diese Verhandlungen im Zusammenhang mit dem EVG-Vertrag standen, waren sie mit dessen Scheitern auch geplatzt. Sie wurden nach der Einigung über die Pariser Verträge wieder aufgenommen. Mit dem Inkrafttreten des Pariser Vertragswerks erlangte die Bundesrepublik auch ihre weitgehende Souveränität. Die Alliierten behielten aber so genannte Vorbehaltsrechte, die sich im wesentlichen auf den Abschluss eines Friedensvertrages, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Status von Berlin bezogen. Diese Rechte der Alliierten sollten erst 1990 mit der Vereinigung der beiden Staaten in Deutschland abgelöst werden.

    Wichtig für die junge Bundesrepublik war, dass nun ein Truppenvertrag abgeschlossen wurde. Mit diesem Vertrag wurden aus Besatzern Verbündete, die Truppen besetzten die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr, sie waren aufgrund des politischen Willens der Bundesregierung in Deutschland.

    Die französische Regierung versuchte, mit der Ratifizierung der Pariser Verträge eigene Interessen durchzusetzen – wie auch Adenauer mit dem Eingehen auf den Wunsch vor allem der USA nach einer Beteiligung an der westeuropäischen Verteidigung das Interesse nach Erlangung der Souveränität verband. Frankreich hielt damals das Saarland besetzt und wollte nun daher die so genannte Saarfrage klären. Seit 1946 strebte Frankreich eine Wirtschaftsunion mit dem Saarland an. Es wollte eine begrenzte Autonomie dieser Region, die ein wichtiges Kohle- und Stahlrevier war. Bereits 1952 setzte sich der französische Außenminister Schuman für eine Europäisierung des Saarlandes ein.

    Im Zusammenhang mit den Pariser Verträgen einigten sich die Beteiligten auch über diese Frage. Das Saarland sollte bis zu einem Friedensvertrag einen europäischen Sonderstatus erhalten. Die Bevölkerung des Saarlandes sollte die Möglichkeit bekommen, sich in einer Volksabstimmung für oder gegen diese Regelung zu entscheiden.

    Insgesamt umfasste das Vertragswerk von Paris 25 Einzelverträge, Protokolle und Kommuniques. Dieses Vertragswerk griff die Ideen und Vereinbarungen auf, die schon im EVG-Vertrag enthalten waren. Allerdings wurde keine einheitliche europäische Armee beschlossen.

    Die damals entwickelten Ideen prägen noch heute die sicherheitspolitischen Debatten. Aber auch die Argumentationslinien für und gegen eine Europäisierung der Sicherheitsarchitektur haben sich bis heute kaum verändert - mit einer Ausnahme: Deutschland wird nicht mehr verdächtigt, einen deutschen Sonderweg, der die Verbündeten besorgen müsse, einschlagen zu wollen.