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Geschichte aktuell: ''Mit uns fing alles an ...''

Sie kennen sich seit über 20 Jahren. Sie wollten ihr Land, die DDR, von innen heraus verändern. Sie haben nie einen Ausreiseantrag gestellt. Im Herbst '89 stehen sie im Rampenlicht. Dann wird es still um sie, um die Männer und wenigen Frauen der DDR-Bürgerbewegung. Was ist aus ihnen geworden?

Antje Krekeler |
    Sie kennen sich seit über 20 Jahren. Sie wollten ihr Land, die DDR, von innen heraus verändern. Sie haben nie einen Ausreiseantrag gestellt. Im Herbst '89 stehen sie im Rampenlicht. Dann wird es still um sie, um die Männer und wenigen Frauen der DDR-Bürgerbewegung. Was ist aus ihnen geworden?

    Stephan Bickhardt, heute Pfarrer in Leipzig, organisierte zu DDR-Zeiten einen illegalen Selbstverlag. Der Staatssicherheit sind solche Aktivitäten ein Dorn im Auge. Doch Bickhardt nimmt das Risiko auf sich, geht seinen Weg. Auf eines aber legt er großen Wert:

    Ich bin kein Held. Allenfalls ein Held des Alltags. Wir wollten ja ursprünglich nicht an die Macht. Wir wollten die zivile Gesellschaft. Wir sind zwar in der Parteiendemokratie nicht angekommen, aber gesellschaftspolitisch sind wir allemal angekommen.

    Damals, im Herbst '89, formulieren einige mutig und öffentlich das, was viele in der DDR denken, aber nicht auszusprechen wagen. Die West-Medien titulieren sie pauschal als die Bürgerbewegung. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich die vermeintlich homogene Bewegung als buntgefächertes Spektrum von Gruppen, die nur eines gemeinsam haben: Sie alle wollen eine andere DDR.

    Eine der politisch einflussreichsten Oppositionsgruppierungen - neben dem Neuen Forum und der Initiative für Frieden und Menschenrechte - wird "Demokratie Jetzt". Im Herbst '89 in einer Berliner Wohnung gegründet, ist dieser Teil der Bürgerbewegung alles andere als ein spontaner Zusammenschluss unzufriedener Bürger. Im Gegenteil. Die Wurzeln reichen tief in die 80er Jahre zurück. Drei Namen tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf: Ludwig Mehlhorn, Stephan Bickhardt, Reinhard Lampe.

    Ludwig Mehlhorn, Jahrgang 1950, stammt aus einer Arbeiterfamilie. Als er sich in den 80er Jahren weigert, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten, verliert er seine Anstellung in einem Rechenzentrum. Fortan schlägt sich der Mathematiker als Nachtwächter durch. Bereits in den 70er Jahren engagiert sich Mehlhorn bei "Aktion Sühnezeichen", pflegt intensive Kontakte nach Polen. 1977, in Krakau, fällt ihm ein schlecht hektografierter Text des polnischen Dissidenten Jacek Kuron in die Hand.

    Heute liest sich das sehr floskelhaft, ein Programmtext, der als Ziel und Methode der oppositionellen Bewegung angab, eigene Strukturen zu schaffen, parallel zu den offiziellen Strukturen. Deshalb wurde dann auch von einer Parallelgesellschaft gesprochen. Damit hatte ich für mich gedanklich wieder einen Schlüssel in der Hand, in der DDR zu überleben. Und ich hätte hier nicht länger leben können, ohne für mich diese Perspektive, wenigstens für mich so einen Weg sinnvollen Existierens zu sehen.

    Der Kontakt zur polnischen Opposition ist für Mehlhorn unendlich wichtig. Doch die Mächtigen in Ost-Berlin wollen um jeden Preis verhindern, dass die Ideen von Solidarnosc auch Anhänger in Dresden, Dessau, Eisenach oder Eberswalde finden. Die DDR schottet sich ab, nach Polen zu reisen wird in den 80er Jahren immer schwieriger.

    Ludwig Mehlhorn sitzt in der Falle. Er sucht nach einem treffenden Begriff für das, was ihm und anderen geschieht. Und er findet das zündende Wort: Abgrenzung. Abgrenzung, so erkennt Mehlhorn, ist das Prinzip des DDR-Staates gegenüber kritischen Bürgern. Wer anders denkt, gehört nicht mehr dazu, wird bespitzelt, um seine Existenz gebracht, ausgebürgert. Ähnlich wie in der Logik der atomaren Abschreckung kennt der Staat auch nach innen nur Freund oder Feind.

    Ungefähr zu der Zeit, als Mehlhorn über oppositionelle Strukturen in der DDR nachdenkt, meldet sich ein 17jähriger Lehrling aus Dresden bei "Aktion Sühnezeichen". Er möchte sich engagieren. Sein Name: Stephan Bickhardt. In einem Sommerlager in Polen lernt er Ludwig Mehlhorn kennen. Bickhardt ist begeistert von der polnischen Oppositionskultur, knüpft Kontakte zur katholischen Intelligenz und zur Solidarnosc. Brennend interessiert er sich für ethische Fragen. Deshalb studiert er später Theologie.

    Ludwig Mehlhorn und Stephan Bickhardt bleiben in Kontakt. Und ein dritter schließt sich ihnen an: Reinhard Lampe. Er ist 1955 geboren, stammt aus einer katholischen Familie. Reinhard Lampe wechselt die Konfession, wird evangelisch, studiert Theologie. Ein gemeinsamer Dozent von Lampe und Bickhardt ist übrigens Wolfgang Ullmann, der später prominente Bürgerrechtler.

    Am 13. August 1986, dem 25. Jahrestag des Mauerbaus, passiert etwas Unerwartetes: Im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg kettet sich ein junger Mann an ein Fensterkreuz. Aus dem Fenster hängen Plakate, auf denen gut sichtbar zu lesen ist: "25 Jahre Mauer sind genug" und "Stirb an der Mauer". Der junge Mann wird inhaftiert, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Es ist der Theologie-Student Reinhard Lampe.

    Einer, den die Aktion des Studenten tief aufwühlt, ist Hans-Jürgen Fischbeck. Er ist Physiker, arbeitet an der Akademie der Wissenschaften der DDR. Für Fischbeck ist Lampes Protestaktion ein Signal:

    Seitdem wollte ich nicht mehr zurück, wollte ich nicht mehr mich in die relative Abstinenz zurückbegeben, die ich vordem gehabt habe. Es war die Einsicht darin, dass ich selber, der ich immer geglaubt habe, dass ich kritisch über den Dingen stehe, gemerkt habe, wie sehr ich sie selbst verinnerlicht hatte, wie sehr ich selbst einen Akzeptanz-Prozess durchlaufen habe, den ich für mich nicht für möglich gehalten hatte. Es war ein Öffnen der Augen.

    Mehlhorn, Bickhardt und Lampe wollen mit Hilfe der evangelischen Kirche das brennende Thema "Abgrenzung" öffentlich machen. Sie möchten erreichen, dass die Kirchenleitung endlich ein klares Wort zum staatlichen Umgang mit Andersdenkenden spricht. Fischbeck, aktives Mitglied der Berliner Bartholomäus-Gemeinde, bringt einen entsprechenden Antrag in die Kirchengremien ein. Doch die Kirchenoberen fürchten, eine unmissverständliche "Absage an das Prinzip der Abgrenzung" würde die fragile Konstruktion der "Kirche im Sozialismus" zum Einsturz bringen. 1987 fällt der Antrag auf der Bundessynode in Görlitz durch. Doch die Initiatoren des Antrags geben nicht auf. Im Gegenteil: Sie bringen ihre Gedanken mit Hilfe von Bickhardts Selbstverlag unters Volk. Immer und immer wieder.

    Während der Kommunalwahlen im Frühjahr '89 spitzt sich die Situation in der DDR zu. Der Absage-Kreis verteilt landauf, landab illegal gedruckte Flugblätter, ruft die Bürger auf, zu den Auszählungen zu gehen. Die Demokratiefrage wird offen gestellt. Und: Die Aktionen sind erfolgreich; der systematische und massive Wahlbetrug wird aufgedeckt.

    Nur wenige Wochen später überschlagen sich die Ereignisse: Massenflucht von DDR-Bürgern durch ungarische Grenzzäune oder hinter die schützenden Mauern westdeutscher Vertretungen. Währenddessen verstärkt das Regime in Ost-Berlin den Druck auf die Opposition im eigenen Land, Festnahmen sind an der Tagesordnung.

    In dieser Atmosphäre gründet sich am 10. September das "Neue Forum". Zwei Tage später tritt eine weitere Oppositionsgruppe an die Öffentlichkeit: "Demokratie Jetzt". Lampe, Mehlhorn, Bickhardt und Fischbeck sind unter den zwölf Erstunterzeichnern. Von Anfang an präsentiert sich "Demokratie Jetzt" – anders als viele andere Gruppen - mit einem klar umrissenen Programm. Im Mittelpunkt steht die Vision einer "solidarischen Gesellschaft". Darunter verstehen die Gründer eine pluralistische Gesellschaft, die sich durch soziale Gerechtigkeit und Freiheit auszeichnet, eine Gesellschaft, in der ein Mensch würdig leben kann.

    Der Obrigkeitsstaat DDR soll zu dem werden, was der Name zu sein vorgibt: eine demokratische Republik. Man fordert freie Wahlen, am besten unter Kontrolle der Vereinten Nationen. Außerdem: soziale Marktwirtschaft, das Recht auf Privateigentum, die Einhaltung rechtstaatlicher Prinzipien, die Zulassung demokratischer Parteien sowie freier Gewerkschaften – und natürlich Reisefreiheit. Man fordert von der SED die Bereitschaft zum Dialog, immer wieder ist die Rede von der "Demokratisierung des Sozialismus". Wollte man den Sozialismus wirklich reformieren? Dazu Ludwig Mehlhorn:

    Es ist verhängnisvoll, dass dieser pseudo-marxistische Diskurs bis zum Ende bis zum Ende der DDR auch innerhalb großer Teile der Opposition in Kraft blieb. Das hat uns viel Vertrauenskredit bei der Bevölkerung gekostet. Es ist aber für die meisten von uns, damals im Rahmen des Dialogs mit der Macht, also mit der SED, ein taktisches Zugeständnis gewesen. Wir konnten in der Tat nicht damit rechnen, dass rundum das System des sowjetischen Imperialismus so schnell in sich zusammensackt. Es wäre in diesem Bereich verantwortungslos gewesen, eine Politik des Alles oder Nichts zu verfolgen.

    Dass ein Vertreter von "Demokratie Jetzt" bereits wenige Wochen später Regierungsverantwortung übernehmen würde – das überstieg in diesen Septembertagen die kühnsten Phantasien. Nach vielen Jahren oppositioneller Tätigkeit in der DDR war man gewohnt, kleine Erfolge schon als große Fortschritte zu feiern. Ist die Bürgerbewegung gescheitert, weil sie den Sprung von den Wohnzimmern in die "große Politik" nicht geschafft hat?

    Ich halte die Bürgerbewegung nicht für gescheitert, aber da gehen die Meinungen auseinander. Weil alle die, die sich vorstellen, dass sie als Formation über die Umbruchzeit hinaus eine politisch relevante Rolle spielen sollten, enttäuscht sein müssen. Ich bin aber nicht dieser Meinung, sondern glaube, man muss eine historische Phase auch abschließen können.

    Auch Mehlhorns Mitstreiter Fischbeck sieht klar, dass Bürgerbewegungen immer nur punktuell und über einen begrenzten Zeitraum hinweg wirken. Seine Bilanz heute, 12 Jahre nach der Wiedervereinigung:

    Diese Bilanz ist gemischt, aber per saldo positiv – ohne Zweifel. Dass es zur Wende kam, war notwendig, wenngleich der Verlauf vielerlei Enttäuschungen in sich barg.

    Eine der größten Enttäuschungen für Fischbeck ist das rasche Auseinanderfallen der Bürgerbewegung. Doch: Im stürmischen Herbst '89 stand sie vor der Quadratur des Kreises. Private Gesprächs- und Freundeskreise sollten über Nacht zu parteiähnlichen Organisationen mutieren, sollten eine Politik für eine Zukunft formulieren, deren Rahmenbedingungen sich täglich ändern – das war nicht zu schaffen. Auch nicht mit äußerster Willensanstrengung.

    Spätestens bei der Volkskammer-Wahl im März '90 – inzwischen heißt es: "Wir sind ein Volk" – wird klar: Vor dem Fall der Mauer waren die DDR-Oppositionellen in der Minderheit – und Minderheit sind sie geblieben. Während die CDU über 4,7 Millionen Stimmen erhält, machen nicht einmal 350.000 Wähler ihr Kreuz bei der gemeinsamen Liste von Neuem Forum, Demokratie Jetzt und Initiative für Frieden und Menschenrechte. Hans-Jürgen Fischbeck meint:

    Die waren gute Oppositionelle und waren gut, um den SED-Staat zu kritisieren und die Stasi aufzulösen. Aber die Wirtschaft in Gang zu bringen – das haben sie uns natürlich nicht zugetraut. Sondern sie haben – das ist eine weit verbreitete Meinung gewesen: Die CDU erst einmal wählen, die bringt das Geld. Und wenn die sozialen Probleme kommen, dann die SPD wählen.

    Schmerzlich spürt die Bürgerbewegung den Verschleiß der Kräfte. Die Personaldecke ist einfach zu dünn. Die Aktiven sitzen an Runden Tischen, führen Wahlkämpfe, ziehen in Parlamente ein. Viele müssen gleichzeitig entscheiden, wie sie – angesichts der neuen Perspektiven - ihr Leben nach dem Fall der Mauer gestalten wollen. Die Bürgerbewegung hinkt den Ereignissen hinterher. Stephan Bickhardt kritisiert:

    Es gibt einen Fehler, aus dem alle anderen folgen. Und das ist, dass diese verschiedenen Wendegruppierungen es nicht geschafft haben, sich rechtzeitig zu einem Forum, zu einer Bürgerbewegung zusammenzufinden. Das hat in der Bevölkerung letztlich niemand verstanden.

    Erst nach dem Desaster bei der Volkskammerwahl verständigen sich Teile der zersplitterten Bürgerbewegung auf ein Wahlbündnis, das "Bündnis '90". Immerhin schafft man in dieser Formation den Sprung in fast alle ostdeutschen Landesparlamente, ist aber nur in Brandenburg an der Regierung beteiligt. Auch im Bundestag vertreten acht Abgeordnete die Bürgerbewegung, unter ihnen prominente Bürgerrechtler wie Wolfgang Ullmann und Konrad Weiß.

    "Bündnis 90" muss sich entscheiden: Wie weitermachen? Die Frage "Partei oder nicht" wird Gegenstand erbitterter Auseinandersetzung. Das Wort vom "Verrat" an den "Ideen von damals" macht die Runde. Doch die, die verhindern wollen, dass die Bürgerbewegung zu einem politisch bedeutungslosen "Nostalgie-Verein" mutiert, setzen sich schließlich durch. Am späten Abend des 21. September '91 gründen sie in Potsdam, in einem ehemaligen Heim der Jungen Pioniere, die Partei "Bündnis 90".

    Vielen ist der Begriff "Partei" nach wie vor suspekt, denn "Partei" - das war die SED. In einem Formelkompromiss definiert man sich deshalb als "offene, wählbare politische Vereinigung, als Teil einer übergreifenden Bürgerbewegung". Politisch will man "quer" zu den etablierten Parteien stehen. Doch Sand im Räderwerk knirscht nicht lange, sondern wird nach und nach zerrieben. Also begibt sich "Bündnis 90" auf die Suche nach einem Partner, mit dem man nicht nur die Traditionen des Herbstes '89 fortsetzen, sondern auch Wahlen gewinnen kann. Diesen Partner finden sie in den "Grünen". Der nach wie vor westdeutsch geprägten Ökopartei kommen solche Annäherungsversuche sehr gelegen, denn im Osten Deutschlands hat sie nicht Fuß fassen können.

    Nach langen, zähen, manchmal auch verletzenden Verhandlungen fusionieren "Bündnis 90" und "Die Grünen" im Mai '92. Teile von "Demokratie Jetzt" gehen diesen Weg mit. Die hehren Worte auf dem Vereinigungsparteitag in Leipzig, die versprochenen Quoten für die Bürgerrechtler, ein mühsam ausgehandelter Grundkonsens, in dem die gemeinsamen Werte festgehalten werden – all dies hat nicht lange Bestand. Hans-Jürgen Fischbeck gehörte zu denen, die den Zusammenschluss westdeutscher Grüner und ostdeutscher Bürgerrechtler wollten. Nach zehn Jahren bündnisgrüner Politik hat er sich frustriert zurückgezogen:

    Ich habe mich an den Fusionsverhandlungen beteiligt von Anfang an, insbesondere, was den Grundkonsens betrifft. Aber ich muss feststellen: dieser Grundkonsens steht auf dem Papier. Und die Zyniker haben recht behalten, die gesagt haben, na, macht ihr mal, das interessiert hinterher sowieso nicht.

    Reinhard Lampe hat das Scheitern der Bürgerbewegung nach der Fusion mit den Grünen nicht überrascht. Die Grünen seien einfach im Parteiensystem fest verankert gewesen – und hätten diesen Vorsprung zu nutzen gewusst.

    Also: Ich bin immer noch Mitglied. Das ist eine alte Treue, aber keine aktive Liebe. Aber auf der anderen Seite, muss ich auch sagen, wüsste ich nicht, welche Partei ich sonst in diesem Land wählen sollte. Immer noch.

    Lampe, Mehlhorn und Bickhardt haben sich schon während der "Wende" entschieden, die Politik nicht zum Beruf zu machen. Sie wollen das bleiben, was sie immer waren: kritische Bürger. Auch im vereinten Deutschland gehen die drei konsequent ihren Weg weiter, für den sie schon zu DDR-Zeiten die Weichen gestellt haben. Reinhard Lampe beispielsweise bleibt bis Mitte der 90er Jahre Dorf-Pfarrer in Brandenburg. Dort engagiert er sich in der Bürger-Initiative gegen einen Schießplatz der Bundeswehr, das sogenannte "Bombodrom". Heute ist er Presse-Sprecher der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Sein persönliches Fazit der Jahre '89/'90:

    Zum einen tut's mir immer noch wohl, in der Rückschau, Ausgang der DDR, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben, etwas gemacht zu haben, was letzten Endes dazu beigetragen hat, dass es die DDR sich dann so verändert hat, dass es dann auch zur Wiedervereinigung kommen konnte. Und: Ich muss sagen, das ist schon 'ne ganz fantastische Erinnerung. Es war gut, das damals gemacht zu haben.

    Im Gegensatz zu Reinhard Lampe ist sein Freund Stephan Bickhardt irgendwann bei "Bündnis 90/Die Grünen" ausgetreten. Ohne Groll.

    Ich bin der Überzeugung, dass das, was wir mit der friedlichen Revolution gemacht haben, in die Gesellschaft hinein erfolgreich gewirkt hat. Weil nämlich sehr viele Leute, die damals aktiv gewesen sind, zu denen auch viele Prominente gehören wie Wolfgang Ullmann oder Hans-Jürgen Fischbeck oder Jens Reich, diese Leute stehen ja nur für eine Unzahl von vielen Leuten, die '88/'89 aufgewacht sind (und die dann bei den Kommunalwahlen '89 im Mai die Stimmen ausgezählt haben und für den Beweis der Wahlfälschung gesorgt haben), die dann die Runden Tische gemacht haben, die dann in den Parlamenten, Bürgerfraktionen, SPD- oder CDU-Fraktionen mitgestellt haben, die in Betriebsräte gegangen sind etc. pp. Das heißt: Der zivilgesellschaftliche Output, von dem, was in der Revolution sichtbar geworden, der wirkt in die Gesellschaft sozusagen als ziviles Netz, als ziviles Gerüst. Und genauso verstehe ich mich auch.

    Sich selbst sieht Bickhardt als Teil dieser Zivilgesellschaft. Als Studentenpfarrer in Leipzig will er seinen Studenten Vorbild sein. Er will ihnen – und dafür steht er mit seiner Biografie – vorleben, dass es sich lohnt, für eigene Überzeugungen ein Risiko einzugehen, für Ideale mit Argumenten zu kämpfen. Aber ein Held – das will er nicht sein.

    Ludwig Mehlhorn ist nie in eine Partei eingetreten. Wie schon zu DDR-Zeiten setzt er sich auch heute für die deutsch-polnische Verständigung ein. "Widerstand und Opposition" – das ist sein Thema geblieben. So ist er im schlesischen Krzyzowa - dort, wo vor 60 Jahren der Kreisauer Kreis den Widerstand gegen die Nazi-Diktatur plante – verantwortlich für die Dauerausstellung über den "Widerstand gegen Nationalsozialismus und Stalinismus". Wie erfolgreich Opposition gegen Diktaturen sein kann, hat er im Herbst '89 selbst erlebt:

    Mein Eindruck ist, dass überall da, wo es funktionierende demokratische Oppositionsgruppen gab, die auch in der Öffentlichkeit sichtbar waren, überall dort ist der Umbruch gewaltfrei und unblutig verlaufen. Weil es diesen relativ kleinen Gruppen doch gelungen ist, relativ große gesellschaftliche Massen zu kanalisieren. Ich glaube, die Gewaltfreiheit dieses Umbruchs – da liegt ein wesentliches Verdienst, auf das wir auch stolz sein können.